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- AKW Gundremmingen – Wer B sagt, muss auch C sagen!
Am 16. Dezember wurden die mehr als 40.000 Unterschriften dieser Aktion auf dem CSU-Parteitag überreicht: zur Pressemitteilung.
Das Atomkraftwerk Gundremmingen wird immer älter und gefährlicher. Es erzeugt jeden Tag Atommüll, für den es keine sichere Entsorgung gibt. Dabei wird das Kraftwerk zur Stromversorgung nicht mehr benötigt.
Deshalb forderten .ausgestrahlt, das Umweltinstitut München, das Forum "Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" und die IPPNW gemeinsam mit mehr als 40.000 Atomkraftgegner*innen, BEIDE Reaktorblöcke B und C 2017 abzuschalten, statt Block C noch vier Jahre weiter zu betreiben:
"Wer B sagt, muss auch C sagen. AKW Gundremmingen – Beide Blöcke 2017 abschalten!"
Bildergalerie: Aktionen am AKW Gundremmingen
- 31. Dezember 2017 - Endgültiges Abschalten von Block B (4 Fotos: Helge Bauer)
- 16. Dezember 2017 - Unterschriftenübergabe auf dem CSU-Parteitag (4 Fotos: Lars Hoff)
- 17. September 2017 - Buchstabenformation: "Atomrisiko JETZT aBsChalten!"
- 9. August 2017 - Nächtliche Projektion auf das Atomkraftwerk.
- 13. Januar 2017 - Protestaktion zum 40. Jahrestag des Totalschadens im Block A.
31. Dezember 2017 - Um 12 Uhr mittags geht Block B für immer vom Netz. Atomkraftgegner*innen versammeln sich vor dem Haupttor zum feiern. Zugleich fordern sie erneut: der baugleiche und gefährliche Block C muss ebenfalls sofort und für immer abgeschaltet werden. zur Pressemitteilung
16. Dezember 2017 - Übergabeaktion auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg: ausgestrahlt überreicht gemeinsam mit dem Umweltinstitut München über 40.000 Unterschriften an Dr. Georg Nüßlein, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das sofortige AUS beider AKW-Blöcke. zur Pressemitteilung
17. September 2017 - .ausgestrahlt, die Mahnwache Gundremmingen und das Umweltinstitut München sorgen in der Endphase des Bundestagswahlkampfes mit einer gemeinsamen Protestaktion am AKW Gundremmingen für Aufmerksamkeit: In riesigen Lettern formen Atomkraftgegner*innen die Forderung "Atomrisiko jetzt abschalten".
14. September 2017 - Ein Videoclip von .ausgestrahlt und dem Umweltinstitut bringt den Irrsinn auf den Punkt: Es kann nicht sein, dass Block C weiterläuft, während Block B abgeschaltet wird.
9. August 2017 - Nächtliche Projektion auf das Atomkraftwerk Gundremmingen. Ein leuchtendes Zeichen gegen die Sicherheitsbedrohung durch Deutschlands gefählichstes Atomkraftwerk. Kurz bevor der Reaktorblock C nach einer Revision wieder angefahren wird, wurde Schriftzug „Block C: Endgültig vom Netz!“ an den Kühlturm des aktuell abgeschalteten Kraftwerksblocks projiziert.
3. Juni 2017: Einer repräsentativen Umfrage zufolge, ist die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung dafür, beide AKW in Gundremmingen 2017 abzuschalten. Überraschend: Fast die Hälfte der CSU-Anhänger befürworten das schnelle Aus von Block B und C.
28. März 2017: Zum Erörterungstermin für das Verfahren zum Abriss des bayerischen AKW Gundremmingen unterstreicht .ausgestrahlt zusammen mit Bündnispartnern und Atomkraftgegner*innen die Forderung: BEIDE Blöcke müssen Ende des Jahres vom Netz gehen.
16. März 2017: In einem offenen Brief an Bundesumweltministerin Hendricks fordern .ausgestrahlt und das Umweltinstitut München, beide Blöcke des AKW Gundremmingen sofort abzuschalten. Sie verstoßen gegen die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen und sind eine akute Gefahr für die Bevölkerung.
6. März 2017: Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. Dr. Manfred Mertins (ehemaliger Sachverständiger der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit, GRS) zeigt klare Mängel im Notkühlsystem beider Reaktoren des AKW Gundremmingen auf. Die unzureichende Ausstattung der Not- und Nachkühlsysteme kann dazu führen, dass das AKW im Störfall nicht mehr beherrschbar ist. Prof. Dr. Mertins kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass ein vom Bundesumweltministerium (BMUB) herausgegebenes Gutachten zum selben Thema aus dem Jahr 2016, in Teilen erhebliche fachliche und handwerkliche Fehler aufweist und in seinen Kernaussagen nicht belastbar ist.
Auf Grund dieser unterschiedlichen Bewertungen, wurde das neue Gutachten nochmals geprüft. Diese sogenannte Peer Review erstellte der Physiker und ehemaligen Leiter der GRS, Lothar Hahn. Er konnte alle Ergebnisse von Prof. Dr. Mertins bestätigen. Beide Wissenschaftler sehen einen klaren Verstoß gegen die deutschen Anforderungen zu Sicherheitssystemen bei AKW. Die Grünen fordern nun die sofortige Abschaltung der beiden noch laufenden Reaktoren, mindestens bis zur Behebung der aufgezeigten Defizite.
27. Februar 2017: Das AKW Gundremmingen hat 2016 so wenig Strom produziert wie noch nie zuvor. Das errechnen die Landtags-Grünen mit Zahlen des Bundesamts für Strahlenschutz. Zum Presseartikel
18. Januar 2017: Gemeinsam mit Bündnispartnern startet .ausgestrahlt die Aktion "Wer B sagt, muss auch C sagen - Beide Blöcke in Gundremmingen in 2017 abschalten". Atomkraftgegner*innen sammeln Unterschriften und verbreiten Kampagnenmaterial, um die Forderung durchzusetzen.
13. Januar 2017: Anlässlich des 40. Jahrestags des gefährlichen Totalschadens im Block A protestieren zahlreiche Atomkraftgegner*innen vor dem AKW Gundremmingen. Sie mahnen, beide Blöcke noch in diesem Jahr abzuschalten und schneiden eine brennende Zündschnur durch, die zu zwei nachempfundenen Blöcken und Kühlturm führt. Zur Aktion hatte .ausgestrahlt gemeinsam mit dem Umweltinstitut München und der lokalen Bürgerinitiative "Forum gegen das Zwischenlager" aufgerufen.
Fragen und Antworten
zu den beiden gefährlichsten AKW in Deutschland
Das AKW Gundremmingen bei Günzburg an der Donau ist das einzige in Deutschland, in dem noch zwei Reaktoren laufen. Die Betriebsgenehmigung des einen läuft Ende des Jahres aus. Der baugleiche andere hingegen soll noch vier Jahre länger in Betrieb bleiben – trotz massiver Sicherheitsprobleme. Beide Reaktoren müssen schon 2017 vom Netz!
(Stand: Mai 2017)
Unsere "Fragen und Antworten" findest Du in gedruckter Version auch als Flyer in unserem Shop - zum Bestellen und Verteilen (Format A5, 4 Seiten, kostenlos).
„Das sind Krücken“
Interview | Reaktorsicherheitsexperte Manfred Mertins über mangelhafte Sicherheitssysteme und bei einem Störfall nötige Handmaßnahmen im AKW Gundremmingen
Herr Mertins, entspricht das AKW Gundremmingen den geltenden Sicherheitsnormen?
Manfred Mertins: Nein.
Warum nicht?
Das Notkühlsystem ist nicht regelkonform ausgelegt: Schon beim Bemessungserdbeben, das man bei der Auslegung des Kraftwerks zugrunde gelegt hat, fällt einer der Notkühlstränge aus. Dann stehen nur noch zwei und nicht mehr wie gefordert drei zur Verfügung.
Sehen nur Sie das so?
Nein, das ist unstrittig. Selbst die bayerische Atomaufsicht hat das schon vor Jahren so festgestellt.
Was ist die Funktion des Notkühlsystems?
Es soll bei bestimmten bei der Auslegung des AKW zugrunde gelegten Störfällen eine Kernschmelze verhindern, etwa wenn Rohrleitungen im Reaktor brechen, durch die Wasser verloren geht. Dafür braucht man ein System, das die Wasserversorgung des Reaktorkerns sehr schnell wiederherstellt – das Notkühlsystem.
Es muss also neues, kühles Wasser in den unter hohem Druck stehenden Reaktorkern hineindrücken?
Ja, um die Brennelemente abzukühlen und die Hitze aus dem Reaktorkern abzuführen. Dazu muss es einen Kreislauf erzeugen, der die Kühlung über mehrere Tage hinweg gewährleisten kann. Denn an die Anlage kommt man ja erst einmal gar nicht heran.
Ist die mangelnde Erdbebenfestigkeit des Notkühlsystems im AKW Gundremmingen ein neues Problem?
Ganz im Gegenteil: Sie geht weit in die 1970er-Jahre zurück. Der Anfang war, dass die Notkühlsysteme in Block B und Block C ursprünglich ohne Zwischenkühlkreisläufe geplant wurden …
Zwischenkühlkreislauf – was ist das?
Ein separater, zwischengeschalteter Kreislauf, der bei einem Störfall die Hitze aus dem Notkühlkreislauf aufnimmt und sie an das Nebenkühlwasser abgibt, das etwa aus einem Fluss kommt. Die Zwischenkühlkreisläufe sind also eine wichtige Barriere, damit auch bei einem Notkühlfall keine radioaktiven Substanzen aus dem Reaktor in die Umgebung gelangen können. Deshalb waren sie auch in den 1970er-Jahren schon Stand von Wissenschaft und Technik. Bis heute kommt kein AKW weltweit ohne sie aus – nur im AKW Gundremmingen, da sollte es ursprünglich keine geben.
Hat das niemanden gestört?
Doch. Die Reaktorsicherheitskommission hat damals interveniert – und entschieden, dass, anders als geplant, auch im AKW Gundremmingen in allen Notkühlsträngen von Block B und C ein Zwischenkühlkreislauf eingebaut werden muss. Das jedoch gab ein ernstes Raumproblem.
Inwiefern?
Die Rohrleitungen, Wärmetauscher und großen Pumpen der Zwischenkühlkreisläufe brauchen viel Platz. Und den gab es in den Gundremminger Reaktoren damals nicht mehr.
Wie haben die AKW-Konstrukteure das Problem gelöst?
Sie haben jeweils nur Strang zwei und drei des Notkühlsystems in den Reaktorgebäuden von Block B und C untergebracht. Strang eins hingegen haben sie bei beiden Reaktoren zum Teil in das sogenannte nukleare Betriebsgebäude verlegt. Das ist aber nicht ausreichend gegen Erdbeben ausgelegt.
Was bedeutet das?
Dass im Erdbebenfall nur zwei Notkühlstränge zur Verfügung stehen. Das Regelwerk verlangt aber drei, und das aus gutem Grund: Einer könnte zu Reparaturzwecken abgeschaltet sein und also nicht zur Verfügung stehen, ein weiterer aufgrund eines Einzelfehlers ausfallen – technisch kann das immer passieren. Und dann muss eben noch ein dritter vorhanden sein, der die Notkühlung sicher gewährleistet.
Und wenn nicht?
Dann kann der Reaktorkern unter Umständen nicht mehr gekühlt werden – es kann zur Kernschmelze kommen.
RWE hat in den 1990er-Jahren ein zusätzliches unabhängiges Notkühlsystem gebaut, …
… das sogenannte ZUNA. Das ist aber kein reguläres Sicherheitssystem. Es ist technisch ganz anders konzeptioniert und auch nicht ausgelegt für diesen Zweck. Zum Beispiel verfügt es, im Gegensatz zu den regulären Notkühlsystemen, nicht über einen Zwischenkühlkreislauf. Außerdem spricht das ZUNA nicht bei hohem Druck an und kann, anders als ein reguläres Notkühlsystem, auch kein Kühlwasser in den Reaktorkern einspeisen, solange dort hoher Druck herrscht – um nur mal zwei Unterschiede zu nennen.
Trotzdem scheint nicht nur die bayerische Atomaufsicht, sondern auch das Bundesumweltministerium (BMUB) gewillt, das ZUNA als Ersatz für den nicht erdbebenfesten dritten Notkühlsystemstrang zu akzeptieren. Es hat eigens ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach das ZUNA dessen Funktion im Erdbebenfall ersetzen könne.
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Das ZUNA kann nur unter Mitteldruck-Bedingungen frisches Wasser in den Reaktorkern einspeisen. Das heißt, die Mannschaft müsste erst einmal aktive Handlungen vornehmen, etwa manuell Druck aus dem Reaktor ablassen, damit das ZUNA überhaupt die Notkühlfunktion übernehmen kann. Darauf weist sogar das BMUB-Gutachten ausdrücklich hin.
Es hält es aber für denkbar, dass ein AKW-Mitarbeiter im Notfall zu einem Ventil am Reaktor laufen könnte, das er öffnen und freischalten müsste – und geht dann etwa der Frage nach, ob die Decke über dem Gang dorthin auch bei Erdbeben nicht einkracht.
Das sind echte Krücken! Das Notkühlsystem gehört zur Sicherheitsebene 3. Systeme auf dieser Ebene müssen zweifelsfrei und automatisch funktionieren – in allen Strängen. Da darf ich keine Handmaßnahmen oder andere einschränkende Bedingungen formulieren. Denn der Störfall, der möglicherweise eintritt, richtet sich nicht nach Bedingungen. Erinnern wir uns doch einmal an Fukushima. Das hat doch gezeigt, dass Personalhandlungen bei einem Störfall unter Umständen eben nicht mehr möglich sind. Die Anlage muss in der Lage sein, die Notkühlung automatisch zu gewährleisten!
Die Gutachter betonen, sie hätten nur den Auftrag des BMUB erfüllt.
Dazu kann ich nichts sagen.
Aber Sie werfen ihnen vor, unsauber gearbeitet zu haben.
Ich habe weit über 100 Stellen gefunden, die nicht ordentlich belegt sind. Wie kommt man zu Annahmen, wenn man die Unterlage nicht hat? Wie zu Behauptungen „nach unseren Erfahrungen“? Das kann man glauben oder nicht. Bei einem Sicherheitsnachweis ist aber der Glaube nicht Maßstab der Entscheidung.
Sie erwähnten eingangs, dass es schon beim Bau des AKW Diskussionen um die Notkühlsysteme gab. War damals auch schon klar, dass alle drei Notkühlstränge zumindest dem Bemessungserdbeben standhalten müssen?
Ich habe in meinem eigenen Gutachten gezeigt – und auch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) hat das festgestellt –, dass es bereits Ende der 1970er-Jahre eine Regelwerksanforderung dazu gab, die festlegte, dass drei voll funktionstüchtige Notkühlstränge auch für den Erdbebenfall erforderlich sind.
Wenn man das ernst nähme, …
… dann hätte man die Genehmigung für diese beiden Reaktoren gar nie erteilten dürfen, ja.
Aber sie ist erteilt worden.
Ja. Das Genehmigungsverfahren lief in Bayern. Da muss man sich mit der bayerischen Atomaufsicht auseinandersetzen.
Die Bundesumweltministerin hat ein Weisungsrecht. Könnte sie beziehungsweise ihr*e Nachfolger*in eine vorläufige Stilllegung des AKW erzwingen, bis der dritte (nach offizieller Zählung der erste) Notkühlstrang erdbebenfest nachgerüstet ist?
Das vom BMUB in Auftrag gegebene Gutachten bewertet das ZUNA als vollwertige Redundanz im Notkühlsystem. Ich kann das aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehen. Das sicherheitstechnische Defizit des AKW Gundremmingen beheben würde jedenfalls nur eine sachgerechte Ertüchtigung des ersten Stranges des Notkühlsystems. Welche Konsequenzen das Bundesumweltministerium daraus zieht, das ist vor allem eine politische Frage.
Interview: Armin Simon
Doppel-Risiko
Das AKW Gundremmingen ist das gefährlichste in Deutschland. Block B muss laut Gesetz spätestens Ende des Jahres vom Netz. Hilf mit, auch den baugleichen und gleich alten Block C jetzt abzuschalten
Deutschlands gefährlichstes AKW steht an der Donau, je etwa 40 Kilometer von Ulm und Augsburg entfernt: das AKW Gundremmingen. Schon der erste Meiler hier, Block A, 1966 als damals weltgrößter Leistungsreaktor in Betrieb genommen, lief gerade einmal zehn Jahre, bevor bei einem Unfall radioaktives Wasser austrat und zum wirtschaftlichen Totalschaden der Anlage führte (siehe rechts); der Reaktor ging danach nie wieder ans Netz. Der Atom-Geschichte Gundremmingens tat das keinen Abbruch: Auf dem Gelände waren schon zwei weitere Meiler in Bau. Block B und Block C gingen 1984 mit wenigen Monaten Abstand in Betrieb, das AKW war damit erneut das größte deutschlandweit, und das bis heute. An keinem anderen Standort sind noch zwei Reaktoren in Betrieb.
Die letzten Siedewasserreaktoren
Die beiden Gundremminger Reaktoren sind auch die letzten vom Typ „Siedewasserreaktor“, die in Deutschland noch laufen. Bei diesem Reaktortyp – zu dem auch die havarierten Meiler in Fukushima zählten – führt der radioaktive Hauptkreislauf von den Brennelementen im Reaktorkern ohne Zwischenbarriere direkt zu den Turbinen. Eine bauartbedingte Schwachstelle, denn die Rohre mit dem unter großem Druck stehenden heißen und kontaminierten Dampf aus dem Reaktorkern verlassen dazu sowohl den Sicherheitsbehälter als auch das Reaktorgebäude (siehe Grafik Seite 24). Kommt es dort zu einem Leck, ist die Gefahr, dass der Reaktor „leerläuft“ und die Brennstäbe überhitzen, besonders groß. Zudem kann Radioaktivität leichter ins Freie gelangen.
Zu den sicherheitstechnisch nachteiligen Eigenarten von Siedewasserreaktoren gehört zudem, dass die Steuerstäbe, die bei einem Notfall die Kettenreaktion sofort stoppen müssen, nicht in den Reaktorkern hineinfallen können, sondern von unten hineingepresst werden müssen – was deutlich leichter schiefgehen kann. Darüber hinaus liegen die mit hochradioaktivem Atommüll vollgepackten Brennelemente-Lagerbecken außerhalb des Sicherheitsbehälters, sind also nur durch die Hülle des Reaktorgebäudes selbst von der Außenwelt getrennt. Besondere Eile, die abgebrannten Brennelemente so bald wie möglich aus den Becken wieder zu entfernen und in Castor-Behälter zu packen, was aus Sicherheitsgründen sinnvoll wäre, legte der Betreiber RWE nicht an den Tag: Ende 2014 lagerten manche der Brennelemente in Gundremmingen schon 28 Jahre im Abklingbecken.
Ein Gutachten des ehemaligen Leiters der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg, benennt weitere Sicherheitsmängel der Gundremminger Reaktoren. Demnach sind etwa die Reaktordruckbehälter falsch konstruiert, so dass bei einem Unfall mit Druckstoß die Bodenschweißnaht aufreißen könnte. Außerdem entspreche das Notkühlsystem der Reaktoren nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Betreiber hat dies mit einem Gegengutachten zu widerlegen versucht, die bayerische Atomaufsicht wiegelt ab. Dennoch zog RWE den jahrelang verfolgten Antrag auf Leistungserhöhung beider Reaktoren kurz nach Publikation des Renneberg-Gutachtens zurück.
Die Störfallsicherheit der Notkühlsysteme ist derweil weiter umstritten. Das Bundesumweltministerium hält Unterlagen zu dem Fall unter Verschluss. Konkret geht es um Papiere zu den Beratungen und zur Meinungsbildung der Reaktorsicherheitskommission aus den 1970er und 1980er Jahren, aus denen hervorgehen könnte, inwiefern die Sicherheitsdefizite bereits bei Bau und Inbetriebnahme des AKW Thema waren. Unterlagen aus der Reaktorsicherheitskommission, argumentierte das Ministerium gegenüber einer Abgeordneten, die Akteneinsicht verlangt hatte, dürften nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Andernfalls sei die Effektivität des Gremiums in Gefahr. Die Abgeordnete klagt auf Herausgabe, ein letztinstanzliches Urteil steht noch aus.
Nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 untersuchte die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, ob die AKW in Deutschland den Absturz eines großen Passagierflugzeugs überstehen würden. Die Gundremminger Reaktoren schnitten dabei schlechter als alle anderen heute noch laufenden Meiler ab. Nachweise, die anderes belegen würden, liegen einem „taz“-Bericht zufolge auch 15 Jahre später noch nicht vor.
Ein Super-GAU in Gundremmingen würde das Aus für die Region bedeuten. Selbst nach optimistischen Szenarien, die das Bundesamt für Strahlenschutz einmal durchgerechnet hat, müsste ganz Süddeutschland mit Evakuierungen und dauerhaften Umsiedlungen rechnen.
Block B und C sind baugleich und beide schon fast 33 Jahre in Betrieb. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum laut Atomgesetz nur Block B 2017 vom Netz muss und Block C noch vier weitere Jahre laufen dürfen soll. Weder Block B noch Block C wird zudem für die Stromversorgung Süddeutschlands benötigt.
Keine Gesetzesänderung nötig
Angesichts der gravierenden Sicherheitsdefizite der Gundremminger Reaktoren könnte die Atomaufsicht ihnen sofort und ohne jede Gesetzesänderung die Betriebserlaubnis entziehen oder sie zumindest so lange vorläufig stilllegen, bis RWE etwa das Notkühlsystem den Anforderungen entsprechend nachgerüstet und ausstehende Nachweise erbracht hat. Was dafür derzeit fehlt, ist vor allem der politische Rückhalt. An diesem Punkt setzt die von .ausgestrahlt gemeinsam mit Bündnispartner*innen initiierte Aktion „Wer B sagt, muss auch C sagen“ an: Druck auf die Politik zu machen, das akute Sicherheitsrisiko in Gundremmingen endlich ernst zu nehmen – und dafür zu sorgen, dass 2017 nicht nur einer, sondern beide Reaktoren vom Netz gehen.
Armin Simon