Die Europawahl (auch) zur Anti-Atom-Wahl machen
Am 9. Juni ist Europawahl. Neben vielen weiteren wichtigen Themen wird sie auch über den Einfluss der Atomlobby im künftigen EU-Parlament entscheiden. Doch wie stehen die Parteien überhaupt zur Atomkraft?
Immer stärker versucht die europäische Atomlobby, die europäische Politik zu beeinflussen, um der Atomkraft noch einmal Leben einzuhauchen. Das nächste Ziel: direkte finanzielle Zuschüsse für Atomprojekte wie AKW-Neubauten oder die Forschung an neuen Reaktoren. Im Europäischen Parlament haben sich die Kräfteverhältnisse in den letzten Jahren bereits zugunsten der Hochrisikotechnologie verschoben (vgl. grauer Kasten).
Die kommende Europawahl ist wichtig – nicht nur, aber auch weil atomfreundliche Parteien voraussichtlich an Einfluss gewinnen werden. Umso wichtiger ist es, die Positionen der Parteien zur Atomenergie zu kennen, um sie bei der Wahlentscheidung berücksichtigen zu können.
.ausgestrahlt hat sich die Wahlprogramme ausgewählter Parteien angeschaut. Insgesamt 34 Parteien treten in Deutschland zur Europawahl an. Im Folgenden stellen wir die Positionen der bereits im EU-Parlament vertretenen Parteien zur Atomkraft vor. Ergänzt werden sie durch eine Auswahl weiterer Parteien.
Das Europäische Parlament und die Atomkraft
Der Stimmungswandel im EU-Parlament hin zu einer atomfreundlichen Politik zeigt sich besonders deutlich an zwei Abstimmungen in den Jahren 2022 und 2023: der Aufnahme von Erdgas und Atomkraft in die EU-Taxonomie und in der Zustimmung des EU-Parlaments zur Förderung sogenannter „SMR“-Reaktoren.
Im Juli 2022 war es noch vorstellbar, dass eine Mehrheit der EU-Parlamentarier*innen die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie ablehnen würde. Zwar hoben am Ende nur 278 der 703 Abgeordneten (40 %) ihre Hand gegen das Greenwashing. Allerdings stimmten auch nur 326 Abgeordnete (46 %) dafür. Aus der CDU/CSU stimmten sogar mehr Abgeordnete (14) gegen das Nachhaltigkeitslabel für Gas und Atom als dafür (12).
Ende 2023 sind die Atombefürworter*innen stärker geworden: 58 Prozent der Abgeordneten stimmen für eine Resolution, die kleine, modulare (und nicht existierende) Reaktoren – sogenannte SMR – propagiert und eine „umfassende Strategie“ für deren Einführung und dafür „Zugang zu sämtlichen Finanzmitteln der Union“ fordert. Es ist die erste Initiative des EU-Parlaments zur Förderung der Atomkraft. Von den deutschen Abgeordneten stimmen nicht nur FDP und AfD dafür. Auch die CDU/CSU ist geschlossen für das Vorhaben.
Atomfreundliche Parteien
Atomkritische Parteien
Parteien ohne klare Position zur Atomkraft
Fazit
Während das Thema Atomkraft nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Berlin nicht mehr ganz oben auf der öffentlichen Tagesordnung steht, sieht es in Brüssel anders aus. Die Atomenergie ist auf europäischer Ebene hart umkämpft. EU-Entscheidungen wirken wiederum auf die deutsche Politik zurück. Auch macht Radioaktivität bei einem AKW-Unfall in einem europäischen Nachbarland nicht an der Staatsgrenze halt.
Es ist durchaus möglich, dass Deutschland in Zukunft mit Steuergeldern Atomprojekte mitfinanziert. Wie eine Partei sich zum Thema Atomkraft positioniert, ist daher auch bei der Europawahl nicht irrelevant – selbst wenn in die Wahlentscheidung auch viele andere Aspekte einfließen. Aus Sicht von .ausgestrahlt ist es Zeit, sich den Atom-Märchen entgegenzustellen und die Europa-Wahl damit auch zur Anti-Atom-Wahl zu machen.