Europa und Atom

Während Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, machen andere Länder weiter. In vielen Bereichen gewinnt dabei die europäische Ebene an Bedeutung. Beispielsweise ist die Förderung der Atomkraft auf EU-Ebene durch den EURATOM-Vertrag weiterhin festgeschrieben. Dies ermöglicht, dass einzelne Staaten Atomkraft hochgradig subventionieren.

Auch bei anderen Fragen ist die EU-Ebene Ziel von Pro-Atom-Lobbyismus. Aktuell wird dies besonders deutlich im Rahmen der sogenannten "Taxonomie", bei der Atomkraft sogar als "nachhaltige Finanzinvestition" klassifiziert wird. Dadurch sind auch große Geldspritzen für die Atomindustrie aus dem Green Deal möglich.

Ein weiteres Beispiel ist die Auseinandersetzung um die europäische Wasserstoffstrategie, wo die Atomlobby darauf drängt, das Gelber Wasserstoff aus Atomkraft als nachhaltig gilt, um so an Fördermittel zu kommen.

Bei der Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni 2024 geht es auch darum, weiteren Einfluss der Atomindustrie in der EU zu verhindern.

Europawahl 2024

 

In den vergangenen Jahren sind auf EU Ebende zahlreiche atomfreundliche Entscheidungen getroffen worden:

(Stand: Mai 2024)

EU-Taxonomie

Worum geht’s?
Die EU-Taxonomie ist ein System zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten. Große Unternehmen müssen offenlegen, inwiefern ihre Aktivitäten konform sind mit den Vorschriften der Taxonomie. Das soll nachhaltige Investitionen fördern und Greenwashing verhindern.

Was ist das Problem?
Frankreich und seine Verbündeten konnten im Juni 2022 erreichen, dass Atomkraft und fossiles Gas unter bestimmten Bedingungen als Brückentechnologien gelten. Diese Entscheidung hallt nun in allen Verhandlungen nach, in denen es darum geht, ob Atomenergie als nachhaltig gelten soll. Die Taxonomie ist damit selbst zum Greenwashing-Instrument geworden.

EU-Wasserstoffstrategie

Worum geht’s?
Wasserstoff soll bei Prozessen zum Einsatz kommen, die noch nicht elektrifiziert werden können, vor allem in der Chemie- und Stahlindustrie. Im Februar 2023 hat die EU entschieden, welcher Wasserstoff sich „grün“ nennen darf.

Was ist das Problem?
Anders als andere EU-Länder müssen Frankreich (und Schweden) die Kraftwerke, deren Strom zur Produktion von „grünem“ Wasserstoff genutzt werden soll, nicht zusätzlich errichten. Weht der Wind mal nicht, dürfen die Produzenten mit Atomkraft erzeugten Wasserstoff als „grün“ verkaufen. Außerdem darf Frankreich unter bestimmten Bedingungen 20 Prozent seines Wasserstoffziels mit Atomstrom erreichen statt mit Strom aus erneuerbaren Energien.

Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III)

Worum geht’s?
RED III legt ein Ziel von 42,5 Prozent für den Anteil der Erneuerbaren am EU-Gesamtenergiemix für das Jahr 2030 fest. Verkehr, Gebäude und Industrie, zusammen für rund 70 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich, müssen höhere Ziele erreichen.

Was ist das Problem?
Zwar konnte Frankreich nicht durchsetzen, dass Atomkraft den Erneuerbaren gleichgestellt wird. Doch Staaten, die das allgemeine Ziel für 2030 erreichen, können zur Erfüllung des Industrie-Ziels auch Wasserstoff aus Atomkraft mit anrechnen. Frankreich weigert sich, Ausbauziele für Erneuerbare anzugeben und hält an einem kombinierten Ziel für Atomkraft und Erneuerbare fest.

EU-Strommarktreform

Worum geht’s?
 
Die Reform des Elektrizitätsmarkt-Designs (EMD) vom Dezember 2023 soll Verbraucher*innen vor starken Preisschwankungen schützen und den Ausbau erneuerbarer Energien fördern. Staatliche Förderungen sollen durch „Differenzverträge“ ersetzt werden: Unterhalb einer vereinbarten Preisspanne zahlt der Staat die Differenz, oberhalb erhält er die Mehreinnahmen.


Was ist das Problem?
Die Mitgliedsländer entscheiden selbst, ob sie die neuen Förderinstrumente auch auf bestehende Anlagen anwenden. Frankreich und Polen haben durchgesetzt, dass sie sogar bestehende Atom- und Kohlekraftwerke fördern können – und verschaffen diesen Technologien so wirtschaftliche Vorteile, zum Nachteil des Klimaschutzes.

Net-Zero Industry Act (NZIA)

Worum geht’s?
Die Produktionskapazitäten für Erneuerbare innerhalb der EU sollen ausgebaut werden. 40 Prozent der Technologien, die es braucht, um die Klimaziele der EU zu erreichen, will die EU gemäß dem „Netto-Null-Industrie-Gesetz“ spätestens 2030 selbst herstellen.


Was ist das Problem?
In die Liste der „strategischen Netto-Null-Technologien“ wurde auf Druck Frankreichs auch die Atomkraft aufgenommen. Damit profitiert sie von beschleunigten Genehmigungsverfahren, vereinfachten Verwaltungsvorschriften und einer Priorisierung bei öffentlichen Ausschreibungen.

Europäische SMR-Industrieallianz

Worum geht’s?
Die im Februar von der Kommission ins Leben gerufenen Initiative will bis 2030 kleine modulare Reaktoren einführen, die EU-Lieferkette dafür stärken und mit qualifizierten Arbeitskräften versorgen.

Was ist das Problem?
Politische Aufmerksamkeit und finanzielle Ressourcen fließen in Atomkraft statt in effektiven Klimaschutz. Über EU-Fördermittel könnte auch Deutschland neue AKW-Projekte mitfinanzieren.

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