Atomkraftwerk Gundremmingen-B

Atomkraftwerk
Atomkraftwerk Gundremmingen-B
Foto: publiXviewing
Status:
Abriss läuft
Standort:
Gundremmingen
Kategorie:
Atomkraftwerk
Inbetriebnahme:
09. Mär 1984
Betriebsende:
31. Dez 2017

Der Reaktor Gundremmingen-B ist am 31. Dezember 2017 endgültig abgeschaltet worden. Sein baugleicher Nachbar-Block C, der letzte Siedewasserreaktor Deutschlands, durfte noch bis Ende 2021 betrieben werden.

Am Standort Gundremmingen befinden sich der stillgelegte Block A sowie der Block C und ein Zwischenlager für Atommüll.

Bis zum Betriebsende von Block B war das AKW Gundremmingen mit seinen beiden Reaktoren mit jeweils 1.344 Megawatt Leistung das leistungsstärkste deutsche Atomkraftwerk. Sie nahmen fast zeitgleich 1984 den Betrieb auf.

Zweierlei Mass in Gundremmingen – aber nicht die Sicherheit

Die baugleichen Atomreaktoren Gundremmingen B und C wurden nicht – wie es logisch wäre – zum gleichen Zeitpunkt für immer abgeschaltet. Block B durfte gemäß des „Atomkonsens“ bis Ende 2017, Block C aber bis 2021 laufen. Diese Festlegung basiert auf der politischen Annahme, es könnte bei gleichzeitiger Abschaltung zu großen Stromengpässen in Bayern kommen.

Unmittelbar nach der Abschaltung soll der Rückbau beginnen. Dieser wurde schon 2014 beantragt: Nach Ende der Betriebsgenehmigung am 31.12.2017 sollten „Anlagenteile die für den Weiterbetrieb von Block C für die Lagerung und Handhabung der Brennelemente oder den Abbau nicht mehr benötigt werden“, abgebaut werden.

Die letzten Siedewasserreaktoren in Deutschland

Die beiden baugleichen Siedewasserreaktoren gehören zur „Baureihe 72“, sie wurden erstmals im Jahre 1972 konzipiert. Sie gelten als besonders gefährlich, weil sie mit nur einem Kühlkreislauf ausgerüstet sind. Auch die in Fukushima havarierten AKWs waren Siedewasserreaktoren.

Dieses Reaktorkonzept weist einige grundlegende sicherheitstechnischen Probleme auf: Da der Primärkreislauf den Sicherheitsbehälter verlässt und der gesamte Dampfkreislauf radioaktiv ist, kann ein Rohrbruch z.B. im Maschinenhaus zu direkter Freisetzung radioaktiven Dampfes und zu großem Kühlmittelverlust führen, ohne dass ausgetretenes Kühlmittel über die Notkühlsysteme zurückgeführt werden kann. In diesem Fall droht eine Kernschmelze. Bei Lecks im Kondensator ist auch eine Freisetzung direkt in das Flusswasser denkbar.

Zur Reaktorabschaltung müssen die Absorberstäbe, anders als bei Druckwasserreaktoren, gegen die Schwerkraft mittels Hydraulik in den Reaktor eingefahren werden, das Abschaltsystem ist also nicht „ausfallsicher“. Auch das alternative Abschaltsystem, die Borsäureeinspeisung, verlässt sich auf aktive Systeme (Hochdruckpumpen).

Der Sicherheitsbehälter ist zudem so klein und schwach ausgelegt, dass er dem auftretenden Druck bei einem größeren Dampfleck innerhalb des Behälters nicht standhalten kann (kein Volldruckcontainment), statt dessen verlässt man sich auf ein sog. Druckabbausystem aus Kondensationskammern.

In deutschen Siedewasserreaktoren kam es schon mehrmals zur Beschädigung von Anlagenkomponenten durch kleinere oder mittelgroße Explosionen von angesammeltem Knallgas (Radiolysegas).

Das Abklingbecken für Brennelemente liegt wie im Block 4 im AKW Fukushima außerhalb des Containments unter dem Dach.

In der im Mai 2012 erschienenen Greenpeace-Studie "Critical Review of the EU Stress Test - performed on Nuclear Power Plants" wurden Mängel der Reaktoren Gundremmingen B und C detailliert aufgezählt. So sind diese beispielsweise weder gegen Erdbeben noch gegen Überflutungen ausreichend geschützt.

Studien belegen auch, dass mit dem Alter einer Anlage das Risiko schwerer Störfälle steigt.

Protest für die sofortige Stilllegung

Schon 1979 demonstrieren in Gundelfingen über 5.000 Bürger gegen die Genehmigung der Blöcke B und C. Am 26. April 1989 begann die bis heute jeden Sonntag um 15 Uhr stattfindende Mahnwache vor den Toren des AKW. Mit 40.000 Einwendungen versuchten Atomkraftgegner*innen 1995 vergeblich, den Einsatz von Plutonium-Mischoxid-Brennelementen zu verhindern.

Für öffentliches Aufsehen sorgten 1997 und 1998 Castor-Transporte aus Gundremmingen in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus. Im Juni 2001 demonstrierten 2.500 Menschen in Gundremmingen gegen das geplante Zwischenlager für Atommüll. In Deutschland werden knapp 76.000 Einwendungen gemacht.

Nach dem Super-GAU von Fukushima ließen Atomkraftgegner*innen im Mai 2011 tausende von Luftballons mit Totenköpfen vor dem AKW in die Luft aufsteigen. Sie verdeutlichten die radioaktive Wolke nach einem GAU.

2013 protestierten zehntausende Menschen mit Protestunterschriften gegen eine geplante Leistungserhöhung um 100 Megawatt. Der Betreiber nahm von dem Vorhaben Abstand.

Im November 2013 attestierte die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), „dass die Anlage die aktuellen Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke im Erdbebenfall nicht erfüllt“.

Am 25. März 2015 kam es zu einem Zwischenfall, als ein Arbeiter versehentlich an den Bedienelementen von Block C und nicht, wie vorgesehen, von Block B hantierte. Die Öffnung eines Armaturgehäuses löste ein Leck, einen Druckabfall im Luftsystem und, nach Bedienung einer weiteren Armatur, eine Schnellabschaltung in Einheit C aus. Dies zeige, so der ehemalige Atomaufseher Dieter Majer, zu welchen Problemen der Betrieb von zwei Reaktoren an einem Standort führen könne.

Im April 2016 wird auf mehreren Rechnern des AKW ein Computervirus gefunden. Wie trotz aller Schutzmaßnahmen dieser Virus in das AKW gelangen konnte, bleibt ungeklärt.

„Wer B sagt muss auch C sagen“

Zwei Unterschriftenaktionen, die von zahlreichen Aktionen begleitet wurden, forderten 2017 die Stilllegung beider Blöcke. Am 26. Oktober 2017 reichten Naturschutzverbände aus Bayern und Baden-Württemberg eine Petition mit fast 11.000 Unterschriften beim bayerischen Landtag ein. Sie wurde mit den Stimmen der CSU abgelehnt. Am 16. Dezember überreichten Atomkraftgegner*innen dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion weitere 40.183 Unterschriften zur sofortigen Abschaltung beider Reaktoren in Gundremmingen.

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