Schacht Konrad - eine unendliche Geschichte
Dieser Artikel erschien zuerst im Atommüllreport.
Am 8. März 2018 verkündete der Betreiber von Schacht KONRAD, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), dass sich die Inbetriebnahme des Endlagers auf 2027 verschieben würde. 2027 wäre das Projekt 50 Jahre, die Genehmigung 25 Jahre und die grundlegenden Sicherheitsberechnungen 40 Jahre alt.
Es war im Jahr 1975 als die Eisenerzförderung in Schacht KONRAD zu kostspielig wurde und mit den Erzimporten aus dem Ausland nicht mehr konkurrieren konnte. Um einer Betriebseinstellung zu entgehen, suchte der Betriebsrat nach einer Nachnutzung der Grube und die Geschäftsleitung der Salzgitter Eisenerzbergbau AG nach Jemandem, der die Offenhaltung der Grube bis zu einer späteren Wiederaufnahme der Erzförderung bezahlen würde. [1] Und so wurde das Eisenerzbergwerk Schacht KONRAD für die Lagerung von Atommüll ins Gespräch gebracht. Die Voruntersuchungen wurden von der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) durchgeführt, die gleichzeitig das Atommülllager ASSE II betrieb. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Schacht KONRAD als Atommülllager geeignet wäre. Eine vergleichende Untersuchung mit anderen möglichen Sandorten fand nicht statt. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) hatte als damals zuständige Fachbehörde große Bedenken gegen die Qualität der Erkundungsuntersuchungen. Trotzdem stellte sie 1982 den Antrag auf Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens. [2] Sie gehe davon aus, „dass im Jahre 1988 mit der Einlagerung in der Grube KONRAD begonnen werden kann“, schrieb die Bundesregierung in ihrem Entsorgungsbericht 1983. [3]
Von Anfang an gab es Bedenken gegen das Projekt, insbesondere auch bei den Landwirten in Salzgitter. Die Bürgerinitiativen reagierten auf den Planfeststellungsantrag mit einer Demonstration am 30. Oktober 1982. Etwa 10.000 Menschen kamen zu Schacht KONRAD. Im Verlauf kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. [4] Die Demonstration hatte spürbare Folgen. Nicht einmal zwei Monate danach beschloss der Rat der Stadt Salzgitter, die Gruppe Ökologie mit der Bewertung der Eignungsunterlagen der GSF zu beauftragen, mit weitreichender Wirkung. Die Gutachten der GSF erwiesen sich als völlig unzureichend und unvollständig. Sie waren als Basis für ein Planfeststellungsverfahren nicht mehr haltbar und es musste ein neues Erkundungsprogramm gestartet werden. [5]
Mitte der 1980er Jahre gab es eine grundlegende Erweiterung des Planantrages. Kriterium für die Endlagerung soll nicht mehr die Dosisleistung sein ("schwach- und mittelradioaktiv"), sondern die Wärme. Das umgebende Wirtsgestein soll um nicht mehr als 3° Celsius erwärmt werden. Damit sollten 95% des Volumens radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland in KONRAD eingelagert werden. [6]
1989 kündigte die CDU-geführte Landesregierung die Auslegung der Planunterlagen KONRAD in der Presse an [7] Doch dann stoppte die Regierung die bereits angekündigte Auslegung der Planunterlagen kurzfristig wieder. Als Begründung gab sie die Aufgabe der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf an, die zu Änderungen in der Abfallmengenprognose für ein Endlager führte. Gleichzeitig versuchte die Landesregierung, mit dem Bund Kompensationsleistungen für die Fortsetzung des Verfahrens auszuhandeln.[8]
1991 zwang Bundesumweltminister Klaus Töpfer per atomrechtlicher Weisung die inzwischen rot-grüne Landesregierung, die Planunterlagen zu Schacht KONRAD nun doch öffentlich auszulegen. Das Land klagte gegen diese Weisung, das Bundesverfassungsgericht entschied gegen das Land: „Das Land hat der Weisung des Bundes zu folgen, unabhängig der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Weisung“ [9]
Vom 16.5. bis 15.7.1991 wurden bundesweit 289.387 Einwendungen gegen das Projekt eingelegt.[10] Der Erörterungstermin zum Projekt KONRAD war der längste in der Geschichte der BRD. Über fünf Monate wurde an 75 Verhandlungstagen die umfangreiche Kritik vorgetragen. Die Niedersächsische Genehmigungsbehörde erstellte danach einen Katalog von rund 400 Sach- und 100 Rechtsfragen, die offen geblieben waren. [11] Noch während des Termins wurde bekannt, dass SPD und die Energiekonzerne eine Initiative für energiepolitische Konsensgespräche auf den Weg gebracht hatten. Die erste Konsensrunde verlief ergebnislos. Die zweite endete mit einem Vertrag zwischen der rot-grünen Bundesregierung und der Energiewirtschaft. Obwohl sowohl Bundesumweltminister Trittin (GRÜNE), als auch Landesumweltminister Jüttner (SPD) mehrfach in der Öffentlichkeit beteuert hatten, dass sie Schacht KONRAD für nicht genehmigungsfähig hielten[12], wurde die Genehmigung festgeschrieben. [13] Am 31. Mai 2000 legten erstmals in der Auseinandersetzung um Atomenergie ArbeitnehmerInnen die Arbeit nieder und demonstrierten während der Arbeitszeit gegen eine geplante Atomanlage. Rund 4.800 Beschäftigte folgten unter dem Motto: "Handeln, bevor es zu spät ist", einem Aufruf der IG Metall-Salzgitter. [14]
Am 22. Mai 2002 erteilte das niedersächsische Umweltministerium die Genehmigung für Schacht KONRAD. [15] Gegen diesen Beschluss klagte sowohl die Landwirtsfamilie Traube, stellvertretend für alle EinwenderInnen, als auch die Gemeinden Lengede und Vechelde und die Stadt Salzgitter. Die Klagen der Kommunen wurden von allen Instanzen abgewiesen, ihnen wurden sämtliche Klagerechte abgesprochen. [16] Dem klagenden Landwirt wurde höchstrichterlich beschieden, dass er „kein Recht auf Nachweltschutz“ habe. Im Klartext: er müsse gesundheitliche Auswirkungen auf ihn selbst beweisen, ein Klagerecht für seine Nachkommen habe er nicht. [17]
„2013 geht Schacht KONRAD in Betrieb“, vermeldete das BfS nach dem Urteil der Bundesverwaltungsgerichts 2007. [18]Seitdem läuft der Umbau des alten Eisenerzbergwerks Schacht KONRAD zu einem Endlager für radioaktive Abfälle. Doch auch diese Zeitplanung hat sich als völlig unrealistisch erwiesen und die Inbetriebnahme wurde immer weiter in die Zukunft verschoben. Seit dem 8. März 2018 heißt es, im 1. Halbjahr 2027 wären die Umbauarbeiten beendet, [19] 25 Jahre nach Genehmigung, 40 Jahre nach Erstellung des Langzeitsicherheitsnachweises und 50 Jahre nach Standortauswahl.
Der Sanierungsbedarf der alten Schachtanlage ist erheblich. Das Problem: Entgegen dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik soll ein altes Gewinnungsbergwerk zur Nachnutzung als Atommülllager umgebaut werden. Das geht weder schneller, noch ist es billiger als ein speziell für diesen Zweck errichtetes Endlager. Die Nachnutzung eines alten Gewinnungsbergwerks ist unsicherer, da es an anderen Zwecken ausgerichtet wurde.
Das Projekt KONRAD ist längst veraltet. Die grundlegenden Sicherheitsberechnungen stammen aus den 1980er Jahren, als die Berechnung komplexer hydrogeologischer Rechenmodelle noch wesentlich schwieriger war. Die zugrunde gelegten Sicherheitsanforderungen entsprechen nicht mehr dem heutigen wissenschaftlichen Anspruch an ein solches Projekt.
Quellen
[1] “Konrad“ soll für den Notfall und Atommüll offen bleiben“, Braunschweiger Zeitung, 21.05.1975
[4] „Nach Demonstration Sturm auf Konrad“, Braunschweiger Zeitung, 01.11.1982
[5] "Schlampiger Antrag für ein Endlager", die tageszeitung, 11.09.1987
[6] "Die Wärme ist das neue Maß", Stadtanzeiger Salzgitter, 24.10.1985
[7] Bekanntmachung, Peiner Allgemeine Zeitung, 17.05.1989
[8] "Albrecht verlangt von Bonn mehr Geld", Peiner Allgemeine Zeitung 01.06.1989
[9] Bundesverfassungsgericht Urteil vom 10.04.1991, Az.: BvG 1/91
[11] "Konrad-Entscheidung nicht vor Ende 1995", Salzgitter Zeitung, 11.02.1994
[12] "Hohn oder Inkompetenz?", Salzgitter Zeitung, 17.10.1999
[13] „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“
[14] "Metaller machen mobil gegen Konrad", Braunschweiger Zeitung, 02.06.2000
[16] Pressemitteilung Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht: "Klagen gegen Schacht Konrad abgewiesen"
[17] Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1187/07
[18] "Endlager Konrad geht 2013 in Betrieb", Salzgitter Zeitung, 12.07.2007