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Königs Konsens
Der politische Rückhalt für das Suchverfahren ist oberflächlich. Darunter brodelt es längst.
Der Präsident des Atommüll-Bundesamtes, Wolfram König, versucht in Interviews und Vorträgen das Suchverfahren für ein Atommüll-Lager damit zu legitimieren, dass es darüber einen breiten gesellschaftlichen Konsens gäbe. Fast im gleichen Atemzug schildert er dann, wie dieser Konsens von allen Seiten bedroht werde: Etwa von Kommunen und Bundesländern, die sich gegen die Standortsuche wehren, von der Umweltbewegung, die das Verfahren kritisiert – und schließlich sogar von denjenigen, die für den Wiedereinstieg in die Atomkraft trommeln und damit den Konflikt wieder anheizen. Niemand soll nach König also den angeblichen Konsens kritisieren, weil er ja dann keiner mehr wäre.
Nur: Der Kaiser ist längst nackt – ja er war es von Anfang an. Denn es hat diesen Konsens, den König beschwört, nie gegeben. Ein klarer Dissens wurde spätestens 2016 bei der Schlussabstimmung der Atommüll-Kommission offenbar, als der BUND als einziger beteiligter Umweltverband mit „Nein“ stimmte, in seiner Ablehnung unterstützt von breiten Teilen der Anti-Atom-Bewegung. Sowohl die Energiewirtschaft als auch die Bundesländer Sachsen und Bayern äußerten in Sondervoten ihre Kritik. Kurz darauf zog der Bergbauingenieur Wolfram Kudla nach, der zwar dem Abschlussbericht zugestimmt hatte, jetzt aber die vereinbarten Auswahlkriterien massiv beanstandete. Schließlich stimmte die Linkspartei im Bundestag gegen das Gesetz. Seither äußern sich immer mehr ehemalige Mitglieder der Kommission kritisch zum Verfahren.
Die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern hat in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: „Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.“ Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), machte deutlich: „Niemand soll glauben, Niedersachsen sei das Atomklo der Bundesrepublik Deutschland.“
Gleichzeitig erklärten sich auch die Bundesländer Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen für ungeeignet: „Die Landesregierung will selbstverständlich kein Atomendlager in Mecklenburg-Vorpommern“, heißt es aus Schwerin. In Dresden klingt das so: „Wir glauben wie Bayern, dass kristallines Gestein weniger gut geeignet ist.“ Und in Erfurt lässt die grüne Umweltministerin verlauten: „Ich kann nicht erkennen, dass Thüringen geologisch für ein Atom-Endlager geeignet ist.“ Zusammenfassend gab der SPD-Oberbürgermeister von Bautzen die Stimmung wider: „Es ist für mich untragbar, dass die ostdeutschen Länder nun vielleicht noch den ganz überwiegend westdeutschen Atommüll aufgedrängt bekommen.“
Wer da immer noch den Konsens beschwört, wie Herr König vom Atommüll-Bundesamt, redet Nonsens. Die Konflikte wurden nie geklärt und brechen im Laufe des Suchverfahrens mit Vehemenz wieder auf.
Denn mit diesem Verfahren wird die Standortsuche nicht gelingen. Herauskommen wird nicht der am wenigsten schlechte Standort, sondern ein politisch gewollter. Die Betroffenen werden sich wehren und das Projekt verhindern. Wir stehen als Gesellschaft in zehn bis 20 Jahren mit leeren Händen da und müssen wieder von vorne anfangen. Wertvolle Jahre gehen also verloren.
Es gäbe einen grundlegend anderen Weg, der zwar auch nicht einfacher wäre, aber deutlich erfolgversprechender: Der Bundestag sollte möglichst bald einen kompletten Neustart ausrufen. Diesmal sollten alle potenziellen Standortregionen und alle Regionen, in denen der Atommüll derzeit lagert, von Anfang an mit an den Tisch. Sie sollten formulieren, was ihre Anforderungen an ein faires Suchverfahren sind und welche Rechte sie in diesem Verfahren brauchen, um Verantwortung übernehmen zu können. Erst wenn die Bedingungen der Betroffenen klar sind, kann daraus – gemeinsam mit ihnen – ein faires Suchverfahren entwickelt werden und schließlich ein Gesetz entstehen.
Das würde die Suche vom Kopf auf die Füße stellen und die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, dass diese Gesellschaft sich über das Atommüll-Problem verständigt und es damit schafft, einen hoch eskalierten Konflikt zu beenden.
Dieser Text erschien zuerst in der Atommüllzeitung #2 vom Oktober 2019.