Die aktuelle Situation am AKW Saporischschja
Die Lage rund um das AKW Saporischschja im Südosten der Ukraine ist instabil und gefährlich. Das Kraftwerk ist seit März 2022 von russischen Truppen besetzt und wird immer wieder Schauplatz von Kampfhandlungen. Die Entwicklungen von September 2022 bis Januar 2024 im Überblick
Einstieg des russischen Staatskonzerns Rosatom bei der Brennelementefabrik in Lingen. Rosatom war und ist an der Besetzung des AKW Saporischschja aktiv beteiligt.
.ausgestrahlt stellt diesen Ticker vorerst ein, um sich noch intensiver mit anderen wichtigen Atom-Themen beschäftigen zu können. Dazu gehört auch der geplanteDie Entscheidung, den Ticker einzustellen, bedeutet leider nicht, dass die Situation in Saporischschja unter Kontrolle wäre. Acht Mal fiel die externe Stromversorgung des größten europäischen AKW zwischen Kriegsbeginn und März 2024 aus, immer wieder steht sie auf Messers Schneide. Zwar sind alle Reaktoren seit September 2022 abgeschaltet. Dennoch braucht das Kraftwerk weiterhin Strom, um die Reaktoren zu kühlen und andere Sicherheitsfunktionen sicherzustellen. Auch ein erneuter direkter Angriff auf das Atomkraftwerk, das sich direkt an der südukrainischen Front befindet, stellt immer noch eine große Gefahr dar, ebenso wie ein möglicherweise geplantes Wiederanfahren der Reaktoren.
Zwar bleibt inzwischen bei einem Ausfall der externen Stromversorgung mehr Zeit, um zu reagieren. Andererseits warnte unter anderem Oleg Dudar [Video, ab 04:40], der ehemalige Cheftechniker des AKW Saporischschja, dass immer weniger qualifiziertes Personal vor Ort sei, um im Notfall schnell angemessen reagieren zu können. Auch Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO, zeigt sich immer wieder extrem besorgt über die „sehr prekäre“ Situation an dem Atomkraftwerk.
In einem Quarks-Video vom Sommer 2023 erläutert Wissenschaftsjournalistin Lisa Weitemeier die Situation am AKW Saporischschja, die sich seitdem (Stand März 2024) nicht grundlegend verändert hat. Aktuelle Ereignisse am AKW Saporischschja kannst Du zum Beispiel im Ticker der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) weiterverfolgen. Detaillierte Informationen auf Englisch findest Du in den Pressemitteilungen der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO, deren Fachleute vor Ort die Lage beobachten.
Auch .ausgestrahlt hat weiter im Blick, wie sich die Situation am AKW Saporischschja entwickelt.
26. Januar 2024: AKW Saporischschja Thema im Sicherheitsrat
Das AKW Saporischschja ist zum inzwischen sechsten Mal seit Kriegsbeginn Thema im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Als nach wie vor äußerst prekär bezeichnet Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), die Situation der nuklearen Sicherheit. Die Gefahr eines schweren Unfalls sei „sehr real“. Er warnte davor, die aktuelle Situation als gegeben hinzunehmen: „Ein nuklearer Unfall hat sich bisher nicht ereignet. Das ist wahr. Aber Selbstgefälligkeit könnte uns immer noch in eine Tragödie führen. Das darf nicht passieren. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um das Risiko eines solchen Unfalls zu minimieren“, sagte er.
Trotz des fortdauernden Krieges denkt die Ukraine in Sachen Energieversorgung jedoch nicht um. Energieminister Herman Halutschenko bekräftigte noch einmal, dass neue AKW in Planung seien – vorgeblich um den Verlust von Saporischschja zu kompensieren. Entsprechende Pläne gab es allerdings schon vor dem Krieg. Vier neue Reaktoren sollen am AKW Chmelnyzkyj in der Westukraine entstehen, wo bereits zwei Reaktoren stehen. Zwei der neuen Reaktoren will die Ukraine mit Bauteilen aus russischer Produktion bauen, die man Bulgarien abkaufen will. Einen Vertrag über die beiden anderen Reaktoren haben die Ukraine und die US-Firma Westinghouse bereits 2021 geschlossen.
Quellen: IAEO, Süddeutsche Zeitung, taz
3. Januar 2024: Zugang zu Turbinenhallen am AKW Saporischschja verweigert
Seit zwei Wochen dürfen die Expert*innen der IAEO vor Ort die Reaktorhallen der Blöcke 1, 2 und 6 nicht mehr betreten. Dort befinden sich die Reaktorkerne und abgebrannte Brennelemente. Es ist das erste Mal, dass die IAEO-Expert*innen keinen Zugang zu einer Reaktorhalle eines kalt abgeschalteten Blocks erhalten haben. Auch der Zugang zu anderen Teilen der Turbinenhallen ist weiterhin eingeschränkt. Außerdem warten die Expert*innen immer noch auf den für den 19. Dezember geplanten Zugang zu den Reaktordächern, der aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht stattfand.
Bei einer Begehung der Sicherheitssystemräume von Block 6 am 22. Dezember fanden die IAEO-Experten Borsäureablagerungen an Ventilen, einer Pumpe und auf den Böden mehrerer Räume im Containment-Gebäude. Das Leck, das sich nach Angaben der russischen Besatzer*innen an einem Borsäure-Lagertanks befindet, soll erst im Rahmen der geplanten Wartung des betroffenen Systems repariert werden. Diese Art von Ereignis erfordert jedoch eine schnelle Untersuchung und Reaktion seitens des Betreibers, um potenziell schwerwiegendere Sicherheitsauswirkungen zu verhindern. Der angekündigte Wartungsplan für 2024 wurde bis heute nicht vorgelegt.
Auch andere Atomanlagen in der Ukraine geraten immer wieder in die Schusslinie. Am 29. Dezember flog ein Marschflugkörper in der Nähe des AKW Riwne und Raketen und Drohnen haben die Region überflogen, in der sich das AKW Südukraine befindet.
Quelle: IAEO
15. Dezember 2023: Reserveleitung vorerst wiederhergestellt
Das Atomkraftwerk Saporischschja ist wieder an seine einzige verbliebene Reservestromleitung angeschlossen, die vor zwei Wochen ausgefallen war. Die Stromversorgung des Standorts ist jedoch nach wie vor gefährdet und anfällig für weitere Unterbrechungen, so der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Mariano Grossi.
Seit Kriegsbeginn sind häufige Stromausfälle Anlass zu ernster Sorge um die Sicherheit des größten europäischen Atomkraftwerks, da es Strom zur Kühlung seiner Reaktoren und für andere wichtige Funktionen benötigt, obwohl alle Blöcke abgeschaltet sind. Anfang des Monats war das AKW zum achten Mal vollständig vom Stromnetz getrennt.
Quelle: IAEO
7. Dezember 2023: Keine Reserveleitung zum AKW Saporischschja
Die Stromversorgung des Atomkraftwerks Saporischschja ist seit Tagen von einer einzigen Stromleitung abhängig. Damit sind die Kühlung der Reaktoren und andere wichtige Sicherheitsfunktionen in Gefahr.
Nachdem das AKW am Samstag aufgrund von Ereignissen in 100 Kilometern Entfernung vom AKW vollständig von der externen Stromversorgung getrennt war, war das Kraftwerk vorübergehend auf Dieselgeneratoren angewiesen. Erst nach fünf Stunden konnte die Verbindung zur letzten verbleibenden Hauptstromleitung wiederhergestellt werden. Seitdem war es nicht möglich, auch die Reserveleitung wieder zu reparieren. Vor dem Krieg verfügte das AKW über vier Hauptstromleitungen und mehrere Ausweichmöglichkeiten.
Die wiederholten Ausfälle der Stromversorgung des Kraftwerks gehören zu den größten Gefahren für die nukleare Sicherheit und die Sicherung des AKW.
Quelle: IAEO
6. Dezember 2023: Ukraine verlängert Laufzeit eines Blocks im AKW Südukraine
Die Ukraine hat die Laufzeit eines Reaktors im Atomkraftwerk Südukraine um zehn Jahre bis Dezember 2033 verlängert. Trotz der prekären Situation der ukrainischen Atomkraftwerke im Krieg hält das Land an der Atomkraft fest und plant sogar den Bau neuer AKW.
Quelle:2. Dezember 2023: Stromausfall im AKW Saporischschja
In dem von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja ist nach ukrainischen Angaben erneut vorübergehend der Strom ausgefallen. In der Nacht zu Samstag sei die letzte noch funktionierende Stromleitung unterbrochen worden, teilt das ukrainische Energieministerium auf Telegram mit.
Bis zur Reparatur der Leitung knapp fünf Stunden später sei das AKW über Notstromaggregate versorgt worden. Es habe sich um den achten derartigen Blackout gehandelt. „Er hätte zu einer Atomkatastrophe führen können“, so das Ministerium. Die seit März 2022 von Russland besetzte Anlage produziert keinen Strom mehr, benötigt aber selbst Elektrizität zur Reaktorkühlung.
Quellen: TAZ