Pressemitteilung
AKW Neckarwestheim: Korrosion völlig außer Kontrolle
2020: 7 neue Risse, 2021: 17 neue Risse, 2022: 36 neue Risse / Verschleiß des AKW Neckarwestheim beschleunigt sich weiter / Erneute deutliche Zunahme der gefährlichen Korrosion im AKW Neckarwestheim widerlegt alle Sicherheitsbehauptungen
Im von Korrosion betroffenen AKW Neckarwestheim sind bei der aktuellen Jahresrevision 36 neue Risse an sicherheitsrelevanten Rohren entdeckt worden. Hierzu erklären Armin Simon von .ausgestrahlt und Franz Wagner vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN):
„In der aktuellen Revision des Atomkraftwerks Neckarwestheim sind 36 neue Risse an den Außenseiten der Dampferzeuger-Heizrohre aufgefallen. Seit 2017 sind schon mehr als 300 solcher Risse, die es in der Theorie nie hätte geben dürfen, gefunden worden. Zum Glück ist es bisher nicht zum Auf- oder Abreißen eines Rohres gekommen, aber die Sicherheitsreserven dieser extrem belasteten Rohre des Primärkreislaufs existieren schlicht nicht mehr, wodurch der AKW-Betrieb mindestens seit 2018 gegen geltendes Recht verstößt.
Obwohl EnBW seit 2018 angeblich alles im Griff hat und von ihren Maßnahmen überzeugt ist (Flicken und geänderte Wassersteuerung), waren auch 2020 7 neue Risse entdeckt worden. Noch mehr zusätzliche Risse waren 2021 gefunden worden, nämlich 17 weitere, das Umweltministerium hatte dies auf geradezu peinliche Art als nur 0,6 Promille Zuwachs schöngerechnet.
Auch die Darstellung der EnBW, es gäbe kein Problem, weil ja bisher noch alle Rohre dicht geblieben seien, ist nur eine dreiste Nebelkerze. Damit lenkt EnBW nur von der eigentlichen Frage ab, ob die Reststabilität der Rohrwände noch störfallfest ist. Denn genau dieses kann die EnBW bisher nicht belegen, ein Nachweis ist auch angesichts der Schwere der Schäden gar nicht mehr möglich.
Leider haben das Umweltministerium in Stuttgart und die EnBW in gleicher Dreistigkeit dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgespielt, die Situation durch ihre Behelfsmaßnahmen im Griff zu haben. Auf dieser falschen Grundlage hatte das Gericht kürzlich die Eilbedürftigkeit der von Anwohner*innen des AKW eingereichten Stilllegungsklage verneint (bei weiterhin offenem Hauptsacheverfahren).
Spätestens jetzt, mit den 36 neuen Riss-Befunden, muss klar sein: EnBW hat die Rohr-Korrosion nicht im Griff, die Atomaufsicht hat ihre Aufgabe nicht im Griff, und das Gericht hat in falschem Vertrauen auf das baden-württembergische Umweltministerium seine Kontrollaufgabe verspielt.
Wir fordern Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) auf: Das AKW Neckarwestheim darf keinesfalls, wie intern der EnBW schon zugesichert, morgen wieder hochgefahren werden. Dieses Höchstrisiko-AKW ist irreparabel gealtert und muss sofort und endgültig stillgelegt werden.“
Hintergrund:
Im AKW Neckarwestheim 2 (GKN) werden seit 2017 jedes Jahr neue Korrosionen in den Dampferzeugern des Reaktors nachgewiesen, darunter bisher mehr als 300 zum Teil lange und gefährlich tiefe Risse. Die über 16.000 Rohre müssen mehrere 100° C und eine Druckdifferenz von gut 60 bar aushalten, beim bisher tiefsten bekannten Riss wurde an der tiefsten Stelle nur noch eine restliche Wandstärke von 0,1 mm gemessen (angesichts der großen Messungenauigkeit möglicherweise noch weniger). Ursache der Risse ist die gefährliche Spannungsrisskorrosion. Alle Bedingungen für das Auftreten von Spannungsrisskorrosion sind im AKW Neckarwestheim 2 weiterhin gegeben. Ebensolche Risse sind auch im AKW Lingen vorhanden.
Mit Unterstützung von .ausgestrahlt und dem BBMN haben zwei Anwohner*innen des AKW Ende 2020 beim VGH Mannheim Klage gegen dessen Weiterbetrieb eingereicht (Az. 10 S 4004/20). Darüber hinaus haben sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Eilantrag, Az. 10 S 1870/21), um den weiteren Betrieb des AKW Neckarwestheim 2 vorläufig zu untersagen. Diesen Antrag hat der VGH im April 2022 unter Verweis auf den „exekutiven Funktionsvorbehalt“ der Atomaufsicht abgelehnt. Eine eigene Prüfung haben die Richter nicht vorgenommen. Über die Klage in der Hauptsache hat der VGH noch nicht entschieden. Durch die unvertretbar lange Verfahrensdauer des Eilverfahrens von fast 10 Monaten und damit mehr als der Hälfte der restlichen Betriebszeit des AKWs hat das Gericht jedoch in aus unserer Sicht unzulässiger Weise die Hauptsache vorweggenommen, ohne in der hierfür notwendigen Tiefe zu prüfen.
Mehr Infos: https://ausgestrahlt.de/akw-neckarwestheim