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Motiv "Keine Bad Bank für AKW"

Am 15. Dezember 2016 beschließt der Bundestag, dass in Zukunft die Allgemeinheit für den Atommüll zahlen muss und nicht mehr diejenigen, die jahrzehntelang Milliarden mit ihren AKW verdient haben. Die Stromkonzerne können sich mit einer Einmalzahlung freikaufen.

Gemeinsam mit dem Umweltinstitut München startete .ausgestrahlt im Mai 2014 den Aufruf „Wir zahlen nicht für Euren Müll“. Bis zum Bundestagsbeschluss unterschrieben fast 140.000 Menschen. Damit geht für .ausgestrahlt eine Auseinandersetzung zu Ende, die vor mehr als zwei Jahren begann und bei der sich unzählige Atomkraftgegner*innen aktiv eingemischt haben - ein Resümee im .ausgestrahlt-Blog.

Fragen & Antworten

… und wer zahlt für den Müll?

Fragen und Antworten zum Deal zwischen Bundesregierung und Atomkonzernen
zu den Kosten für den AKW-Abriss und die Atommüll-Lagerung

Stand: 15. Dezember 2016

Gewinne privatisieren, Verluste der Allgemeinheit aufdrücken: Das soll den AKW-Betreibern nun auch beim Atommüll erlaubt werden. Jahrzehntelang haben sie Milliarden mit ihrem Atomstrom verdient. Am 15. Dezember 2016 hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD und Grünen beschlossen: Das immense Kostenrisiko für die jahrtausendelange Lagerung des Atommülls soll künftig die Allgemeinheit tragen. Und wenn’s dumm läuft, müssen selbst den Abriss der AKW noch die Steuerzahler*innen mitfinanzieren.

  • Nur die AKW-Betreiber. Sie haben dafür Rückstellungen in Höhe von – Stand Ende 2014 – 38,3 Milliarden Euro gebildet (Eon 16,6 Milliarden, RWE 10,4 Milliarden, EnBW 8,1 Milliarden, Vattenfall 3,0 Milliarden, Stadtwerke München 0,6 Milliarden, jeweils inkl. Auslandsverpflichtungen). Zusammen mit den Zinserträgen, auf die sie in den kommenden Jahrzehnten hofften, sollte das nach Angaben der Konzerne am Ende ausreichen. Reicht es nicht, hätten nach bisheriger Rechtslage die Konzerne den fehlenden Betrag nachschießen müssen – jedenfalls solange die Mutterkonzerne noch für ihre AKW-Töchter hätten haftbar gemacht werden können und sie sich nicht durch Umstrukturierungen (Beispiel Eon/Uniper, siehe unten) aus der finanziellen Verantwortung gestohlen hätten.

  • Zu einem großen Teil die Allgemeinheit. Bundesregierung und Bundestag wollen die Konzerne komplett aus der Haftung für ihren strahlenden Atommüll entlassen und die finanzielle Verantwortung für dessen jahrtausendelange Lagerung einem staatlichen Fonds übertragen. In diesen Fonds – formal eine öffentlich-rechtliche Stiftung – sollen die Konzerne weniger als die Hälfte ihrer bisherigen Atom-Rückstellungen plus einen kleinen sogenannten „Risikoaufschlag“ einzahlen, insgesamt gut 23 Milliarden Euro. Im Gegenzug soll der Fonds die komplette finanzielle Verantwortung für die Zwischen- und Dauerlagerung des Atommülls übernehmen – egal was das am Ende kosten und wie wenig Zinsen das Fondskapital erwirtschaften wird.

    Für den Abriss der AKW und eine erste Verpackung des Atommülls sollen weiterhin die Konzerne selbst verantwortlich sein. Dafür dürfen sie im Gegenzug aber mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Rückstellungen behalten. Sollten die Konzerne (oder ihre Reste) irgendwann Pleite gehen, wäre dieses Geld weg – die SteuerzahlerInnen müssten also letztlich auch für die Abrisskosten der AKW einspringen.

  • Zum 1. Januar 2019 soll eine bundeseigene Gesellschaft alle Castor-Lager an den AKW-Standorten sowie die Castor-Hallen in Gorleben und Ahaus übernehmen. Die Zwischenlager für schwach- und mittelaktiven Müll aus den AKW sollen zum 1. Januar 2020 folgen. Bereits von Juli 2017 an wird der Fonds den AKW-Betreibern allerdings alle Kosten für Betrieb, Nachrüstung und sogar eventuell erforderliche Neubauten erstatten. Einen Teil ihren in den Fonds eingezahlten Geldes bekommen sie so umgehend wieder zurück.

  • „Rückstellungen“ ist ein betriebswirtschaftlicher Begriff: In einer Bilanz werden Rückstellungen für Zahlungsverpflichtungen gebildet, die mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit später bezahlt werden müssen. Die Stromkonzerne haben ihre Atom-Rückstellungen aus Aufschlägen auf den Strompreis gebildet, bezahlt von den Stromkund*innen. Weil Rückstellungen in dem Moment, im dem sie gebildet werden, den zu versteuernden Gewinn reduzieren, sind das für die Unternehmen steuerfreie Einnahmen, die sie erst einmal in voller Höhe nutzen können. Sie sparen also doppelt: zum einen bei den Steuern und zum anderen, weil sie dank ihrer erhöhten Liquidität weniger Kredite aufnehmen müssen. Nur den kleineren Teil ihrer bisherigen Atom-Rückstellungen müssen die Konzerne in den Fonds einzahlen, mehr als die Hälfte dürfen sie weiterhin behalten.

  • Auch die AKW-Betreiber fürchten, dass ihre Rückstellungen am Ende nicht ausreichen werden, um die tatsächlichen Kosten für den AKW-Abriss und die Atommülllagerung zu decken. Da sie nach bisheriger Rechtslage unbegrenzt hafteten, war das eine Hypothek von unbekanntem Ausmaß. Das schreckte AnlegerInnen ab und erschwerte es den Konzernen, sich auf dem Kapitalmarkt mit Geld zu versorgen.

    Im Frühjahr 2014 lancierten Eon, RWE und EnBW via „Spiegel“ daher den Vorschlag, ihre noch laufenden AKW dem Staat zu „schenken“ bzw. an eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu übergeben, zusammen mit ihren bisherigen Rückstellungen für den Abriss der Reaktoren und die Atommüll-Lagerung. Hinter dieser Idee einer „Bad Bank“ für AKW stand vor allem das Ziel, sich der unbegrenzten Haftung für die atomaren Altlasten zu entledigen. Mit den vom Bundestag am 15. Dezember 2017 beschlossenen Gesetzen haben sie dieses Ziel erreicht, zumindest was den wichtigsten Punkt angeht, nämlich den Atommüll.

  • Das war und ist alles andere als sicher:

    1. Die Rückstellungen sind bei den Konzernen nur Buchposten. Das Geld haben sie investiert, etwa in Firmenbeteiligungen, Geldanlagen oder Kohlekraftwerke. Ob es am Ende tatsächlich verfügbar ist, ist völlig offen. Denn keiner weiß, wie sicher diese Investments sind und welchen Wert sie künftig überhaupt noch haben.

    2. Im Falle einer Insolvenz wären die Rückstellungen Teil der Konkursmasse der Konzerne und also im Zweifel verloren.

    3. Es ist ungeklärt, wie verlässlich und realitätsnah die Angaben der Konzerne zu den zu erwartenden Kosten sind. Bisherige Erfahrungen mit dem Abriss von AKW zeigen, dass es am Ende oft deutlich teurer wird als anfangs veranschlagt.

    4. Die Zinserträge für die Rückstellungen, mit denen die Konzerne kalkulieren, sind nicht realistisch. Am Ende wird also weniger Geld da sein als die Konzerne in ihrer Modellrechnung annehmen.

  • Erstens realisierte auch sie – nach immer neuen Milliarden-Abschreibungen, Kursverlusten und Abwertungen der Konzerne durch Rating-Agenturen –, dass die Rückstellungen der AKW-Betreiber alles andere als sicher sind. Zweitens jammerten die Konzerne über ihre Schwierigkeiten am Kapitalmarkt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) setzte deshalb im November 2015 eine Kommission ein, die sich des Themas annehmen sollte: die Atom-Finanz-Kommission, offiziell „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs“ (KFK) genannt (was irreführend ist, denn die Atommüllberge, die zu lagern nun Milliarden kostet, sind ja durch den Einstieg in die Atomkraft entstanden und wachsen jeden Tag, an dem noch AKW laufen). Die Atom-Finanz-Kommission bestand aus 19 VertreterInnen von Parteien und Organisationen, darunter Atomlobbyisten wie Gerald Hennenhöfer und CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs. Auf Basis ihrer Ende April 2016 vorgelegten Empfehlungen handelte die Bundesregierung mit den AKW-Betreibern die im Dezember 2016 verabschiedeten Gesetze aus.

  • Die Kommission sollte „prüfen, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie Entsorgung der radioaktiven Abfälle so ausgestaltet werden kann, dass die Unternehmen auch langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen aus dem Atombereich zu erfüllen.“ Der Grundsatz sollte laut Ministerium sein, „dass die Kosten von den Verursachern getragen werden“ …

  • Es war eine langjährige Forderung von Umweltverbänden und Anti-Atom-Initiativen, den Konzernen ihre Atom-Rückstellungen zu entziehen und diese in einem öffentlichen Fonds zu sichern – damit das Geld, wenn es gebraucht wird, auch zur Verfügung steht. Dass nach dem Vorschlag der Kommission zumindest eine knappe Hälfte der Rückstellungen (17 von 38 Milliarden Euro nach den Zahlen von 2014; der genaue Betrag wird erst Mitte 2017 festliegen) in einen solchen Fonds fließen soll, ist also durchaus ein Erfolg.

    Dass die Konzerne aber zugleich aus der Haftung für ihren Müll entlassen werden, ist ein Skandal. Denn wie viel die jahrtausendelange Lagerung des Atommülls am Ende kosten wird, ist heute nicht seriös abzuschätzen – noch steht ja nicht einmal das Konzept der Lagerung fest, geschweige denn, dass es einen Ort dafür gäbe. Alle Erfahrungen mit lang dauernden Großprojekten, insbesondere Atom-Projekten, zeigen zudem, dass es am Ende in der Regel deutlich teurer wird als anfangs angenommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das auch bei der Atommülllagerung so sein wird. Deshalb ist es unverantwortlich, dass Regierung und Bundestag (auch mit Zustimmung der Grünen) auf eine weitreichende Nachschusspflicht der AKW-Betreiber an den Fonds verzichtet. Eine solche Nachschusspflicht müsste zudem so ausgestaltet sein, dass die Konzerne ihrer Verantwortung auch durch Umstrukturierungen und Aufspaltungen nicht entgehen können.

  • Es wird immer teurer als ursprünglich gedacht – und die zusätzlichen Kosten bleiben meist an der Allgemeinheit hängen. So haben sich die Kosten für den Abriss der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) verdreifacht; und weil die AKW-Betreiber ihren Beitrag vertraglich gedeckelt hatten, müssen die Steuerzahler*innen unterm Strich mehr als 80 Prozent davon zahlen. Oder der nach einem Störfall abgeschaltete Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop (THTR): Da drohte die Betreibergesellschaft HKG, ein Zusammenschluss mehrerer Energieversorgungsunternehmen unter Führung von VEW (heute RWE), einfach mit Insolvenz, um weitere Millionenzuschüsse des Staates zu erpressen.

    Vor allem die Kosten für die Lagerung des Atommülls sind kaum kalkulierbar. Für die Sicherung und Bergung des Atommülls aus dem ehemaligen „Versuchsendlager“ Asse II rechnete das Bundesamt für Strahlenschutz 2009 mit Kosten von bis zu 2,5 Milliarden, 2010 mit bis zu 4 Milliarden Euro, inzwischen sogar mit bis zu 10 Milliarden Euro. Zwar stammen drei Viertel der Radioaktivität in der Asse von den AKW-Betreibern. Trotzdem legten SPD und CDU 2009 im Atomgesetz fest, dass für die Kosten allein der Bund aufkommen muss.

  • Nein. Die Zahlen stammen in vielen Fällen direkt von den AKW-Betreibern oder von der Castor-Firma GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, einer Tochergesellschaft von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Selbst die vom Wirtschaftsministerium mit einem „Stresstest“ der Atom-Rückstellungen beauftragten Gutachter bezeichneten etwa die „Kostenermittlung für das HAW-Endlager“ explizit als „unbefriedigend“ und wiesen darauf hin, dass andere Länder von deutlich höheren Summen ausgehen.

    Viele Punkte, die für die Kosten etwa der Atommülllagerung eine Rolle spielen, sind bis heute schlicht ungeklärt. So ist noch nicht einmal ansatzweise ein gesellschaftlicher Konsens in Sicht, wo und wie der Atommüll für Hunderttausende von Jahren gelagert werden soll. Und auch geologisch ist noch völlig offen, welches Gestein das am wenigsten ungeeignete für ein Atommülllager ist, geschweige denn, dass es einen Vergleich mehrerer unterirdisch erkundeter Standorte gegeben hätte. Seriöse Kostenschätzungen sind insofern noch gar nicht möglich.

  • Nein. Die Konzerne schätzten, dass sie – bei Preisen des Jahres 2014 (!) – insgesamt 47,5 Milliarden Euro für den Abriss der AKW und die Lagerung des Atommülls benötigen würden, davon 19,7 Milliarden für Stilllegung und Rückbau der AKW, 9,9 Milliarden für Behälter, Transporte und Betriebsabfälle, 5,8 Milliarden für die Zwischenlagerung des Atommülls, 3,8 Milliarden für das geplante Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle in Schacht Konrad sowie 8,3 Milliarden für das noch zu findende Langzeitlager für den hochradioaktiven Müll. Da die allermeisten Kosten erst in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten anfallen werden, rechneten sie eine jährliche Inflation von 1,6 Prozent sowie eine leichte „nuklearspezifische“ Kostensteigerung von 1,97 Prozent pro Jahr hinzu. Die Gesamtkosten bis 2099 – da soll nach Annahme der AKW-Betreiber der gesamte Atommüll sicher verstaut sein – steigen so auf 169 Milliarden Euro. Dem gegenüber stellten die Konzerne fiktive Zinserträge, die ihre Rückstellungen bis dahin angeblich erwirtschaften sollten. Das Geld sollte demnach jedes Jahr 4,58 (!) Prozent Zinsen abwerfen. Unter diesen Annahmen, die mit der Realität nicht allzu viel zu tun haben, kamen die AKW-BetreiberInnen zum Schluss, dass ihre Rückstellungen – Ende 2014 waren das gut 38 Milliarden Euro – ausreichen würden.

    Wie oben gezeigt, ist allerdings schon die Kostenschätzung aller Voraussicht nach deutlich zu niedrig. Die vom Wirtschaftsministerium mit einem „Stresstest“ der Rückstellungen beauftragten GutachterInnen gehen darüber hinaus davon aus, dass die Inflationsrate langfristig auf 2,0 Prozent pro Jahr steigt. Allein das ließe die Gesamtkosten von 169 auf 182 Milliarden Euro anwachsen. Vor allem aber halten die GutachterInnen die von den Konzernen unterstellten Zinserträge für viel zu hoch. Realistisch seien allenfalls durchschnittliche Zinserträge in Höhe von 2,03 bis 2,59 Prozent pro Jahr – je nachdem, ob die Zinsen langfristig auf 3,0 oder 5,6 Prozent pro Jahr steigen. Demnach müssten die Konzerne aber bereits 2014 Rückstellungen in Höhe von 51 oder gar 77 Milliarden Euro gebildet haben – mindestens ein Drittel mehr, wenn nicht gar doppelt so viel wie tatsächlich der Fall.

  • Ziemlich sicher nein. Die Zinserträge, mit denen die Konzerne bisher für ihre Rückstellungen kalkulieren, sind absolut unrealistisch. Ein zur sicheren Geldanlage verpflichteter Fonds kann diese erst recht nicht erzielen. Selbst inklusive des „Risikoaufschlags“ von 6 Milliarden Euro und bei dem höchsten von den Gutachtern erwogenen Zinsniveau würde das Fonds-Geld bei Weitem nicht reichen, die von der Atom-Finanz-Kommission (auf Basis der Konzernangaben!) kalkulierten Kosten zu decken. Ein Fonds ohne Nachschusspflicht der Konzerne ist deshalb ein Milliardenrisiko für die Steuerzahler*innen. Dies gilt umso mehr, als – siehe oben – bereits die Kostenschätzung unrealistisch ist. Alle Erfahrung mit Großprojekten lehrt zudem, dass die tatsächlichen Kosten am Ende leicht ein Vielfaches der anfangs prognostizierten betragen. Kein Wunder, dass etwa Eon-Chef Teyssen vor seinen Aktionär*innen die Ablasszahlung an den geplanten Fonds als äußerst vorteilhaft lobte.

    In den Verhandlungen mit der Regierung setzten die Konzerne zudem offenbar durch, dass weder ihre in ihrer eigenen Berechnung der Rückstellungen angesetzten Zinserträge noch die nach eigenen Angaben anzunehmenden Kostensteigerungen für die Jahre 2015 und 2016 bei der Berechnung ihres Einzahlungsbetrages an den Fonds berücksichtigt werden – in der Summe ein Geschenk in der Größenordnung von 2 Milliarden Euro.

  • So gut wie nichts. Denn die sechs Milliarden Euro „Risikoaufschlag“, die die AKW-Betreiber an den Fonds zahlen sollen, um sich der Haftung für die kompletten Atommüll-Kosten zu entziehen, bekommen sie postwendend wieder zurück – über den Wegfall der Brennelemente-Steuer Ende 2016. Die bringt den Konzernen in den kommenden Jahren mehr als fünf Milliarden Euro ein; zusammen mit den rund 700 Millionen Euro, welche sie dank eines Schlupflochs im Kernbrennstoffsteuergesetz dem Fiskus schon 2016 vorenthalten konnten, sind es sogar rund sechs Milliarden Euro.

  • Ja. Bis zur Übergabe der Zwischenlager an die geplante bundeseigene Zwischenlager-Gesellschaft 2019 bzw. 2020 erstattet der Fonds den AKW-Betreibern nicht nur alle (von den Betreibern nach eigenem Ermessen in Rechnung gestellten) Kosten für den Betrieb der Atommüll-Lager, sondern auch für alle Sicherheitsnachrüstungen, die dort aktuell oder künftig erforderlich sind: Dazu zählt beispielsweise der bereits beschlossene und in vielen Fällen schon begonnene Bau von zusätzlichen Mauern um die Castor-Hallen. Darüber hinaus finanziert der Fonds laufende Genehmigungsverfahren und gegebenenfalls sogar erforderliche Neubauten von Zwischenlagern, etwa in Obrigheim oder Brunsbüttel. Für die Atommüll-Lager Ahaus und Gorleben, die er anders als die anderen Zwischenlager nicht gratis übereignet bekommt, legt er sogar noch Geld auf den Tisch. Zahlungsempfänger ist in diesem Fall die GNS, eine gemeinsame Gesellschaft der vier AKW-Betreiber …

  • Nein. Die Bundesregierung will die AKW-Betreiber lediglich zu mehr Transparenz verpflichten: Sie sollen jeweils darlegen, welche Rückstellungen auf den Abriss der einzelnen Anlagen und die Verpackung des Atommülls entfallen. Außerdem sollen sie vorrechnen, dass das Geld zum benötigten Zeitpunkt liquide vorliegen wird. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) soll ein Auskunftsrecht über die zugrunde gelegten Kostenschätzungen erhalten – mehr aber auch nicht. Heißt: Wenn die Konzerne weiterhin von unrealistisch niedrigen Kosten ausgehen, kann der Staat nur zuschauen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Konzerne das Geld falsch investieren und dabei verlieren: Staatliche Eingriffsmöglichkeiten, Auflagen oder Anlagebeschränkungen sieht das Gesetzespaket nicht vor.

  • Eon, RWE, Vattenfall und EnBW haben allein in den fünf Jahren seit Fukushima mehr als 16 Milliarden Euro an Dividenden an ihre AktionärInnen ausgeschüttet, in den vergangenen 15 Jahren waren es sogar an die 50 Milliarden Euro. Und ungeachtet ihres derzeitigen Gejammers gehen sie selbstverständlich davon aus, dass sie auch in Zukunft wieder ordentlich Geld verdienen werden. Es ist daher äußerst ungerecht und zudem unfair gegenüber anderen Stromerzeugern, den AKW-Betreibern jetzt die finanzielle Verantwortung für ihren atomaren Dreck abzunehmen, sie aber zugleich auch künftig wieder Milliarden an ihre AktionärInnen ausschütten zu lassen.

  • Die Bundesregierung könnte den Konzernen bei einem sofortigen Stopp der Atommüllproduktion ein Ratenzahlungsmodell auf ihre unbegrenzte Nachschusspflicht anbieten. Unter der Bedingung, dass die Konzerne ihre derzeitigen Atom-Rückstellungen komplett an einen öffentlichen Fonds übertragen, könnte die Politik ihnen zubilligen, die erforderlichen zusätzlichen Sicherheiten für die Atommüll-Lagerung in Form von flexiblen Raten einzuzahlen. Sollte durch die unbegrenzte Nachschusspflicht eine bilanzielle Überschuldung einzelner Konzerne drohen, könnte die Regierung – bei einem Stopp der Dividendenzahlungen – auch einem qualifizierten Rangrücktritt für diese Verbindlichkeiten zustimmen. Ein solches Entgegenkommen könnte gegebenenfalls zu einer positiven Fortführungsprognose der betroffenen Unternehmen beitragen. ​

  • Nein. Zwar kündigten sie Mitte Dezember 2016 an, rund 20 Verfahren aufzugeben. Finanziell geht es dabei aber lediglich um 600 bis 800 Millionen Euro; teilweise waren die Klagen auch juristisch aussichtslos. Die wirklich bedeutenden Klagen wie die gegen die Brennelemente-Steuer und das Schiedgerichtsverfahren von Vattenfall in Washington, halten sie hingegen aufrecht. Darin geht es um 11 bis 12 Milliarden Euro.

  • Auch mit Abspaltungen und Umstrukturierungen versuchen die AKW-Betreiber, die finanzielle Verantwortung für ihre atomaren Altlasten loszuwerden. Vattenfall etwa baute schon vor Jahren seine Konzernstruktur so um, dass für die Atom-Altlasten der Vattenfall-AKW Krümmel und Brunsbüttel nicht mehr die schwedische Konzernmutter haftet, sondern nur noch die deutsche Vattenfall GmbH, die über deutlich weniger Ressourcen, Ertrag und Haftungsmasse verfügt.

    Eon wollte ähnliches erreichen und plante Ende 2014, auch seine Atomkraftwerke in eine eigene Gesellschaft namens Uniper auszugliedern. Nach Protesten von Atomkraftgegner*innen machte die Bundesregierung dem einen Strich durch die Rechnung: Ein Nachhaftungsgesetz sollte sicherstellen, dass Konzernmütter auch über die bisherige Fünf-Jahres-Frist hinaus für die atomaren Altlasten ihrer Töchter einstehen müssen – Stichwort „Eltern haften für ihre Kinder“. Eon beschloss daraufhin, die AKW nun vorerst doch im Mutterkonzern zu behalten.

    Das am 15. Dezember 2016 verabschiedete Gesetz verhindert jedoch nicht, dass Konzernmütter einen Großteils ihres Vermögens in andere Gesellschaften (etwa: Uniper) auslagern, wo es dann für die atomaren Altlasten ebenfalls nicht mehr herangezogen werden kann. Zwar ergänzte die Regierung nach Protesten unter anderem von .ausgestrahlt das Gesetz noch um eine „Kinder haften für ihre Eltern“-Regelung. Diese beschränkte sie aber auf verschiedene Weise so, dass sie praktisch nie zum Tragen kommen wird. Im Fall Eon/Uniper bedeutet das, dass Uniper trotz Nachhaftungsgesetz nicht für die Abrisskosten der Eon-AKW herangezogen werden können wird. Zugleich verkleinert sich aber durch die Abspaltung von Uniper die Eon-Konzernmasse deutlich – das Risiko, dass am Ende der Staat den Abriss der Eon-AKW wird finanzieren müssen, steigt.

    Auch das RWE-Modell – Ausgliederung profitaler Geschäftsfelder in eine neue Gesellschaft namens Innology – scheint ein solches Schlupfloch zu nutzen. Gegenüber Investoren prahlt RWE jedenfalls damit, dass Innogy nicht für die atomaren Altlasten hafte …

  • Zumindest das Argument, die Konzerne müssten mit ihren AKW noch Geld erwirtschaften, um die Atommüll-Kosten zu bezahlen, fällt künftig weg. Allerdings profitieren die Konzerne auch nicht mehr von geringeren Atommüll-Kosten, wenn sie ihre Meiler früher vom Netz nehmen. Ökonomisch entscheidend für Weiterbetrieb oder Stilllegung der Atomkraftwerke bleiben andere Faktoren. So belohnt der Wegfall der Brennelemente-Steuer ab 2017 den Betrieb jedes Reaktors mit rund 500.000 Euro pro Tag; eine Verlängerung oder Wiedereinführung der Steuer würde angesichts niedriger und weiter sinkender Börsenstrompreise etliche AKW unrentabel machen. Gleiches wäre der Fall, wenn die Regierung eine höhere Mindesthaftpflicht für Atomunfälle vorschreiben oder schärfere Sicherheitsanforderungen für AKW durchsetzen würde. Derzeit fehlt zu all dem der politische Wille. Nur mit stetem Druck von Seiten der Anti-Atom-Bewegung wird sich daran etwas ändern.

    • Der Staat muss den Stromkonzernen das Geld für die Atommüll-Lagerung und für den AKW-Abriss abnehmen – so lange noch Geld vorhanden ist!

    • AKW-Betreiber müssen gegebenenfalls erst für ihren Atommüll und den Abriss ihrer Atomanlagen bezahlen, bevor sie wieder Dividenden ausschütten dürfen! Für alle Kostensteigerungen beim Atommüll und beim AKW-Abriss müssen die Atom-Konzerne weiterhin finanziell vollumfänglich haften!

    • Die Bundesregierung muss das Nachhaftungsgesetz schleunigst so nachbessern, dass nicht nur „Eltern für ihre Kinder“, sondern auch „Kinder für ihre Eltern“ vollumfänglich haften.

    • Steuergeschenke für den Weiterbetrieb von AKW sind energiepolitischer Irrsinn. Die Brennelemente-Steuer muss über 2016 hinaus verlängert beziehungsweise schnellstmöglich wieder eingeführt werden!

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