Wortklaubereien zum Thema Atomkraft
Sprache ist kein Zufall und Wörter haben die Kraft, das Denken und Handeln der Menschen zu beeinflussen. PolitikerInnen und Konzerne missbrauchen diese Tatsachen gerne um ihre eigenen – zumeist wirtschaftlichen – Interessen besser durchsetzen zu können. Für die Atomlobby bedeutet das: Sie verharmlost durch gezielte Wortwahl eine hochgefährliche Risikotechnologie.
"Kernenergie" – "Kernkraftwerk" – "Kerntechnik"
Das dahinter stehende Wort „Kern“ weckt positive Assoziationen wie „kernig“, „gesund“ oder auch die Substanz von etwas, etwas Gutes und sogar Notwendiges, Natürliches. Richtig ist: Im AKW werden Atomkerne gespalten. Das ist ein künstlich herbeigeführter Prozess mit massiven Folgeschäden für Mensch und Natur. Es muss also heißen: Atomenergie, Atomkraftwerk, Atomtechnik.
"Entsorgung" –" Endlager" – "Endlagerung"
Diese Begriffe suggerieren, dass es einen Ort und einen Prozess gibt, der das Atommüll-Problem lösen würde. Fortan hätten die „Sorgen“ ein „Ende“. Tatsache ist: An keinem Ort auf der Welt können strahlende Abfälle für tausende von Generationen wirklich sicher aufbewahrt werden. Es muss also heißen: Atommüll-Lager, Langzeit-Lager, langfristige Lagerung.
"Rückbau (von AKW)"
Die Wortwahl impliziert, dass etwas Langsames und Geordnetes vor sich geht, etwas rückgängig gemacht wird. Richtig ist: Wird ein AKW abgerissen, gibt es (noch) überhaupt keine Routine. Viele Prozesse werden nicht einmal wirklich beherrscht. Die Radioaktivität im Meiler lässt sich nicht abwaschen, entfernen oder umwandeln. Stattdessen vermehrt sich der Müll mit jedem Handhabungsschritt. Es muss also heißen: (AKW-)Abriss.
"Abklingbecken"
Abgebrannte Brennstäbe „klingen“ nicht von alleine ab, sondern müssen noch jahrelang mit viel Energieaufwand gekühlt werden. Es muss also heißen: Nasslager, Lagerbecken, Zwischenlagerbecken
"Störfall"
Der Begriff schwächt den katastrophalen Sachverhalt enorm ab und marginalisiert die entsetzlichen Folgen von Tod und Krankheit durch entweichende Radioaktivität. Passender daher: Atomunfall, Atomkatastrophe, Super-GAU
Der Begriff verharmlost, was ein ehemaliger AKW-Standort bedeutet: Fast überall dort, wo ein AKW betrieben wurde, werden noch für viele Jahrzehnte Atommüll-Lagerhallen mit strahlenden Abfällen bleiben. Oder - wenn diese Abfälle irgendwann abtransportiert werden, kann zwar am ehemaligen AKW-Standort eine "grüne Wiese" stehen. Das Problem - der verstrahlte Müll - ist dann aber nicht aus der Welt, sondern nur örtlich verlagert.
Steuerung durch Framing: „Atomkraft“ oder „Kernkraft“?
Steuerung durch Framing. Wie die Wahl von Begriffen unser Denken beeinflusst, erklärt die aus Hamburg stammende Linguistin Elisabeth Wehling.