Mit einem Staatsstreich Ende Juli hat das Militär den demokratisch gewählten Präsidenten Nigers abgesetzt. Niger ist für die Europäische Union ein wichtiges Exportland für Natur-Uran. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich droht offen mit Konsequenzen, sollten ihre Interessen angegriffen werden.
Die Krise im Niger könnte weitreichende Folgen für die Region und auch für Europa haben, nicht nur weil das Land eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migrant*innen in Richtung Europa ist. Niger ist auf die vergangenen zehn Jahre gesehen der fünftgrößte Uran-Lieferant, nur Namibia produziert in Afrika mehr Uran.
Besonders die ehemalige Kolonialmacht Frankreich sorgt sich um den nötigen Nachschub an Brennstoff für seine AKW-Flotte, nachdem die nigrischen Behörden angekündigt hatten, die Exporte einzufrieren. Der rasche und einfache Zugang zu Uran, das Frankreich nicht im eigenen Land produziert, ist von entscheidender Bedeutung. Präsident Emmanuel Macron drohte offen, dass jeder Angriff auf seine Staatsbürger, Diplomaten und Einrichtungen „sofort und unnachgiebig“ beantwortet werde. Jeglicher „Angriff auf Frankreich und seine Interessen“ könne „nicht toleriert werden.“
Doch zwischen 2005 und 2020 war der Niger mit einem Anteil von 17,9 Prozent an den Gesamtlieferungen nur der drittgrößte Uranlieferant Frankreichs. Kasachstan liegt mit 20,1 Prozent auf Platz 1, gefolgt von Australien (18,7 Prozent). Günter Wippel vom Uranium Network berichtet, dass 2014 noch rund 40 Prozent des Uran aus Niger kamen, heute seien es noch rund 23 Prozent:
„Sollte der momentane Stopp der Uranlieferungen auf Niger dauerhaft werden - was derzeit keineswegs klar ist - wäre es für den französischen AKW-Betreiber EdF sicher unangenehm, aber nicht 'lebensbedrohlich'. Sowohl Frankreich als auch die EU halten größere Uranvorräte.“, so Wippel.
Es werde „kurzfristig keine Krise geben, da die Vorräte groß sind, auch wenn es langfristig unsicherer ist“, unterstreicht auch der unabhängige internationale Analyst Mycle Schneider.
Laut des französischen Atomkonzerns Orano sei die Versorgung der AKW nicht gefährdet, man habe sich „diversifiziert“. Der Abwärtstrend der nigrischen Uranexporte in den letzten zehn Jahren sei sowohl auf die regionale Instabilität als auch auf hohe Produktionskosten im Vergleich zu den zentralasiatischen Partnern zurückzuführen. Als alternative Bezugsländer nennt Orano Kanada und Kasachstan. Orano bewirtschaftet eine der Uranminen im Norden, in der Nähe der Stadt Arlit.
Eine gefährliche Rhetorik
Das Interesse am Uran aus Niger ist groß. Vor einem Monat hat die staatseigene China Nuclear International Uranium Corporation eine Vereinbarung mit der nigrischen Regierung über die Wiederaufnahme des Uranabbaus in einer Uranmine in Azelik getroffen. Die USA haben in den letzten Jahren erhebliche militärische Investitionen im Niger getätigt. Würde Frankreich mit militärischen Mitteln in den Konflikt eingreifen und sein Handeln mit Uran-Knappheit rechtfertigen, handelt es sich um „modernen Kolonialismus“ auf Grundlage falscher Fakten.
Die Darstellung in einigen Medien suggeriere, dass der EU das Uran ausgehen könne. Ob es sich dabei um eine Vorbereitung handele, eine (militärische) Intervention im Niger zu rechtfertigen - oder einfach nur das Ergebnis mangelnder Information bzw. schwacher Recherche sind, „das sei dahingestellt“, so Günter Wippel vom uranium network.
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