Verbände fordern Bundeskanzler auf, anstatt gefährlicher Laufzeitverlängerung mit der Energieeffizienz ernst zu machen

16.02.2023 | Anna Stender
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Foto: Jörg Farys

Ein breites Bündnis an Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsverbänden fordert die Bundesregierung in einem Icon offenen Brief auf, endlich ein ambitioniertes Gesetz zur Energieeffizienz vorzulegen. Seit dem so genannten Kanzler-„Machtwort“ vor vier Monaten, mit dem Bundeskanzler Scholz die Laufzeitverlängerung verfügte, lässt der im Gegenzug angekündigte Entwurf auf sich warten. Mit dem Brief und einer Bildaktion vor dem Bundeskanzleramt machen .ausgestrahlt und 14 weitere Verbände heute darauf aufmerksam, dass das Gesetz längst überfällig ist.

Im Oktober 2022 kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein „ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz“ an. Doch dieses Versprechen hat er bis heute nicht eingelöst. 15 Verbände fordern nun den Bundeskanzler auf, seine damalige Richtlinienentscheidung in der Ampel-Koalition durchzusetzen, um die Energiewende voranzubringen, statt über weitere Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke zu streiten.

Günstiger Moment
Die Energiewende ist eine gewaltige Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die zum Großteil noch immer vor uns liegt. Die erneuerbaren Energien müssen deutlich schneller ausgebaut und alle Sektoren dekarbonisiert werden. Doch gleichzeitig muss auch der Energienachfrage insgesamt deutlich sinken. Um das Pariser Klimaziel zu erreichen, sind bis 2030 mindestens 45 Prozent Primärenergie im Vergleich zu 2007 einzusparen.

Nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen ist die Senkung des Energiebedarfs wichtig. Denn sie reduziert die Abhängigkeit von importierter, vor allem fossiler Energie und die damit einhergehenden Preisschwankungen, die Haushalte und Unternehmen stark belasten können. Weite Teile der Bevölkerung ächzen aktuell unter den hohen Energiepreisen und viele Menschen reagieren auf Sparappelle, duschen kürzer und drehen die Heizung herunter. Gleichzeitig werden jedoch in keinem Sektor angemessene Maßnahmen getroffen, um systematisch, dauerhaft und in ausreichendem Umfang für Energieeinsparungen zu sorgen.

Wegen der aktuell sehr hohe Energiepreise ist der Moment besonders günstig, dafür zu sorgen, dass alle Sektoren ihren Anteil an der notwendigen Energieeinsparung erhöhen. Die wirtschaftliche Rentabilität der Effizienzmaßnahmen ist derzeit so hoch wie nie zuvor - die gesellschaftlichen Kosten weiter darauf zu verzichten ebenso.

Enormes Potenzial
Dass Energieeinsparung kein Selbstläufer ist, zeigen die Zahlen aus der Vergangenheit: So ist der Endenergiebedarf in Deutschland seit 2008 um gerade einmal zwei Prozent gesunken. Dabei ist das Potenzial enorm. Alleine durch den flächendeckenden Einsatz von LEDs könnten in Deutschland jedes Jahr mehr als 40 Terawattstunden eingespart werden. Zum Vergleich: Der Streckbetrieb der Atomkraftwerke bringt eine Strommenge von etwa fünf Terawattstunden, die beiden großen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier erzeugen bis 2030 im Schnitt gemeinsam noch etwa 25 Terawattstunden Strom pro Jahr.

Unverzichtbar für die Energiewende
Der effiziente und sparsame Umgang mit Energie ist daher ein zentrales Element der Energiewende. So weist Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik am Umweltinstitut, darauf hin, dass flächendeckende Energiesparmaßnahmen viele Kohlekraftwerke und die Überkapazitäten an klimaschädlichem, verflüssigtem Erdgas unnötig machen würden. So sieht es auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland: „Wir könnten viel einfacher auf dreckigen Kohlestrom oder LNG-Terminals verzichten, wenn es endlich eine gesetzliche Verpflichtung zum Energiesparen gäbe. Ohne ein ambitioniertes Energieeffizienzgesetz wird die Energiewende viel schwerer zu schaffen sein.“

Dringenden Bedarf für ein Energieeffizienzgesetz sehen nicht nur Umweltverbände, sondern auch Akteure aus der Wirtschaft: „Energieeffizienz ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, so Christian Noll, Geschäftsführer der deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF). Er fordert Planungssicherheit durch ein entsprechendes Gesetz, das für Unternehmen auch Anreize schaffen würde, für sich vorteilhafte Effizienzinvestitionen zu erkennen und zu nutzen.

Unterzeichnet haben den Icon Verbändebrief .ausgestrahlt, Umweltinstitut München e.V., Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Klima-Allianz Deutschland, Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), WWF, Deutscher Caritasverband e.V., Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW), Deutsche Unternehmensinitiative für Energieffizienz e.V. (DENEFF), Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands e.V. (eaD), DENEFF EDL_HUB gGmbH, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und GIH Bundesverband e.V.

 

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Anna Stender

Anna Stender kommt aus Münster und hat bereits in den Neunzigerjahren gegen Castortransporte nach Ahaus und Gorleben demonstriert. Sie ist studierte Fachübersetzerin und hat sich nach Stationen in Berlin, Köln, Bangalore, Newcastle-upon-Tyne und Jülich entschieden, in Hamburg zu bleiben. Seit 2020 ist sie als Redakteurin bei .ausgestrahlt, wo sie vor allem für den Print-Bereich schreibt.

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