Von dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien am Montag ist auch das einzige in Bau befindliche Atomkraftwerk der Türkei betroffen. Kritiker*innen fordern nun eine genaue Überprüfung.
Ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet lässt unweigerlich Erinnerungen an die Katastrophe von Fukushima erwachen. Nur 600 Kilometer entfernt vom Epizentrum des Bebens am Montag entsteht das AKW Akkuyu, das im Endausbau vier Reaktoren umfassen soll. Laut dem russischen Hersteller Rosatom soll das Kraftwerk Erschütterungen bis zu einer Stärke von 6,5 auf der Richterskala standhalten können.
Das Atomkraftwerk Akkuyu liegt in der Nähe einer geologischen Bruchzone, der ostanatolischen Verwerfung. Die Region gilt als gefährdet, weil die kleine Anatolische Platte fast wie ein Keil zwischen der aus Süden drückenden Arabischen und der im Norden liegenden Eurasischen Platte eingeklemmt ist.
Wenn einzelne Nachbeben laut Medienberichten eine Stärke von 7,6 hatten, müsse das Hauptbeben am Montag eine Stärke von über 8 auf der Richterskala gehabt haben, warnt Manfred Doppler vom Anti-Atom-Komitee Österreich. Die Türkei müsse nun eine genaue Überprüfung des Baus durch eine Expertenkommission einleiten. Auch wird Kritik laut, dass weder die türkische Regierung noch Rosatom die Erdbebengefahr gründlich genug untersucht habe.
Projekt hat mit Energiepolitik nichts zu tun
Gebaut und betrieben wird das AKW vom russischen Staatskonzern Rosatom, auch das Personal wird in Russland ausgebildet. Nach seiner Fertigstellung soll das Kraftwerk zehn Prozent des Strombedarfs der Türkei erzeugen, das Land hat zudem vertraglich zugesichert, den Strom zu einem Festpreis abzunehmen. Doch die Türkei erzeugt bereits mehr Strom, als sie benötigt. Es handle sich daher um ein „Prestigeprojekt“, welches mit Energiepolitik nichts zu tun habe, erläutert Energieexperte Mycle Schneider im „Spiegel“. „Das ist ein geopolitisches Projekt, das zwei Staatschefs vereinbart haben. Es gibt nichts, das zwei Länder länger aneinanderbindet, als ein Atomkraftwerk“, so Schneider.
Endlich EU-Sanktionen im Atomsektor?
Einen Lichtblick gibt es möglicherweise im Umgang mit den russischen Atomgeschäften in der EU, wo derzeit das zehnte Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet wird. Darin könnte es diesmal explizit auch um Strafmaßnahmen gegen die mächtige Atomindustrie des Landes gehen. Das wäre ein Fortschritt, auch wenn der Vorstoß viel zu spät kommt. Schon im letzten Frühjahr wurde als Ziel formuliert, „die Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen bei bestehenden und neuen Nuklearprojekten zu beenden“.
Kritik an Siemens Energy
Im Zusammenhang mit der Hauptversammlung des deutschen Unternehmens Siemens haben Atomkraftgegner*innen auf weiterlaufende Geschäfte mit Russland hingewiesen: urgewald, Friends of the Earth Europe, der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sowie die russische Umwelt-NGO Ecodefense beklagen, dass Siemens gemeinsam mit dem Konsortiumspartner Framatome sogenannte Instrumentation-&-Control-(I&C)-Systeme für die russischen Reaktoren liefere. Noch am 2. Dezember 2021, als sich die Invasion in die Ukraine bereits abzeichnete, hätten Framatome und ROSATOM erneut ein strategisches Kooperationsabkommen unterzeichnet. In diesem werde explizit der Bereich der I&C-Systeme genannt, der im Zuständigkeitsbereich von Siemens Energy liegt. Diese technisch hochkomplexen Systeme bilden die Schaltzentrale eines Reaktors.
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Brennstäbe made in Germany für Russland, China, Kasachstan
19.12.2022 - Während weiter russisches Uran nach Deutschland importiert wird, sollen die daraus hergestellten Brennelemente offenbar in chinesischen und russischen Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Wegen der politischen Bedingungen und des Atomausstiegs ist ein Verbot dieser Geschäfte überfällig.
“Nuclear alla Turca” - Widerstand gegen den Bau des ersten AKW in der Türkei
09.03.2016 - Mindestens seit den frühen 70er Jahren träumt die Türkei von ihrem ersten eigenen Atomkraftwerk. Bis heute wurde keines errichtet - allerdings begannen 2015 in Akkuyu die Bauarbeiten für vier Meiler. Anti-Atom-AktivistInnen vor Ort wollen dieser Entwicklung etwas entgegensetzen und drehen jetzt einen Film, in dem sie die absurden AKW-Pläne der türkischen Regierung entlarven. Ihre Message: Die Türkei ist am Scheideweg. Entweder setzt das Land auf Atomkraft oder aber auf erneuerbare Energien.
Türkei: Reaktorpläne in Erdbebengebiet sind Geheimsache
13.05.2015 - An der südtürkischen Mittelmeerküste entsteht das erste Atomkraftwerk des Landes. Akkuyu liegt in unmittelbarer Nähe zu einer aktiven Erdbebenzone, nur etwa 25 Kilometer entfernt vom seismischen Zentrum des sogenannten Ecemis-Grabens. Die Unterlagen zu dem Projekt sind geheim.