Verseuchte Heimat, Krebs und der Atomausstieg in Japan: Ein Überblick über den Super-GAU und die Folgen
Die Katastrophe
Am 11. März 2011 zerstört ein Erdbeben die Stromversorgung und das Kühlsystem des AKW Fukushima-Daiichi an der japanischen Ostküste, 250 Kilometer nordöstlich von Tokio. Die nachfolgende Flutwelle, die das Kraftwerksgelände überrollt, verschlimmert die Situation noch. In Block 1, 2 und 3 kommt es binnen weniger Tage zur Kernschmelze und zu Explosionen, große Mengen radioaktiver Stoffe werden freigesetzt. Die Reaktoren 4, 5 und 6 waren zum Zeitpunkt des Erdbebens abgeschaltet.
Die havarierten Reaktoren
Der geschmolzene und wieder erkaltete Brennstoff im Inneren der Reaktoren muss noch immer gekühlt werden. Bis heute existiert nicht einmal ein Plan, wie er geborgen werden könnte. Roboter, die ins Innere der Reaktoren vordrangen, maßen enorme Strahlenwerte.
Die Brennelemente-Lagerbecken von Block 3 und 4 konnten inzwischen leergeräumt werden. Block 1 wird zunächst komplett mit einer Schutzhülle umbaut. In Block 2 ist ein Hilfsgebäude in Bau, um an die Becken heranzukommen.
Insgesamt wird der Rückbau der Reaktoren selbst nach offiziellen Schätzungen mindestens vier Jahrzehnte dauern.
Das kontaminierte Wasser
Bis heute dringt Wasser in die Reaktoren und wird dort kontaminiert. Jeden Tag fallen 100 Kubikmeter an. In Tanks auf dem Gelände lagern inzwischen mehr als 1,3 Millionen Kubikmeter Strahlenbrühe mit einem ganzen Cocktail an Radionukliden. Eine Reinigungsanlage soll deren Gehalt unter bestimmte Grenzwerte drücken. Tritium kann sie aber nicht entfernen. Noch in diesem Jahr will Tepco beginnen, das stark tritiumbelastete Wasser über einen Tunnel ins Meer zu leiten.
Der Atom-Ausstieg
Alle 54 AKW in Japan wurden nach Fukushima binnen weniger Monate abgeschaltet. Bis heute sind nur zehn davon wieder ans Netz gegangen, Atomkraft deckt nur noch 3,9 Prozent des Stromverbrauchs. Die japanische Regierung will Laufzeitverlängerungen der AKW auf 60 Jahre erlauben und schließt angeblich auch den Bau neuer Reaktoren nicht mehr aus.
Die verseuchte Heimat
Rund 200.000 Menschen mussten wegen der Atomkatastrophe ihre Heimat verlassen. 12 Jahre später sind noch immer nicht alle Dörfer und Städte wieder zum Wohnen freigegeben. Manche Stadtteile oder Gebiete gelten weiterhin als stark verstrahlt. Im Frühjahr 2022 zählten die Behörden noch mehr als 32.000 Evakuierte.
Insgesamt wurde nur etwa ein Siebtel der verseuchten Region überhaupt dekontaminiert. In vielen Bereichen, etwa in Wäldern, ist eine Dekontamination unmöglich. Bereits gereinigte Zonen können so über Wind und Staub immer wieder verseucht werden.
Der abgetragene Boden wird provisorisch zwischengelagert, im März 2022 noch an knapp 1.000 Orten. In etlichen Fällen wurden Häuser auf den strahlenden Erddeponien gebaut.
Der Krebs
Die Schilddrüsenkrebsrate bei Kindern und Jugendlichen aus der Präfektur Fukushima war zehn Jahre nach dem Super-GAU schon zwanzigfach erhöht. Schilddrüsenkrebs hat eine Latenzzeit von nur vier Jahren und gilt deshalb als eine Art Frühwarnindikator für noch zu erwartende andere Erkrankungen und Krebsarten in der betroffenen Bevölkerung. Die Regierung streitet einen Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe ab. Systematische Studien zur Erkrankung von Erwachsenen gibt es nicht.
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