Während weiter russisches Uran nach Deutschland importiert wird, sollen die daraus hergestellten Brennelemente offenbar in chinesischen und russischen Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Wegen der politischen Bedingungen und des Atomausstiegs ist ein Verbot dieser Geschäfte überfällig.
Mitte vergangener Woche versammelten sich erneut Atomkraftgegner:innen vor der Brennelementefabrik in Lingen, um dort gegen die Anlieferungen von russischem Uran zu protestieren. Anlass war die Ankunft eines Schiffes in Rotterdam, welches regelmäßig aus Sankt Petersburg die Grundstoffe für die Herstellung von AKW-Brennstoff liefert – trotz des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Bisher wurden keine Sanktionen erlassen, die diese Atomgeschäfte verbieten. In einer gemeinsamen Erklärung haben französische, niederländische, russische und deutsche Umweltorganisationen die fortgesetzte Zusammenarbeit vom Lingen-Betreiber Framatome mit dem russischen Kreml-Konzern Rosatom scharf kritisiert.
„In der Ukraine werden seit Monaten von der russischen Armee massive Kriegsverbrechen verübt. Dennoch hält Framatome an der Kooperation mit dem auch im ukrainischen AKW Saporischschja aktiven Kreml-Konzern Rosatom fest. Framatome ignoriert den russischen Angriff auf die Ukraine komplett und redet in Lingen nur von 'Standortsicherung'“, so Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland.
Vergangene Woche kündigte Framatome, französischer Staatskonzern und Betreiber in Lingen, eine Ausweitung der Produktion an. Künftig sollen in einem Joint Venture mit dem russischen Atomkonzern Rosatom durch die Herstellung von Brennelementen speziell russischer Bauart (sechseckig) auch Kunden in Osteuropa von Lingen aus beliefert werden können. Darüber hinaus hat sich Framatome laut Recherchen des SPIEGEL durch einen Brennelemente-Deal mit Kasachstan auch auf „fragwürdige Geschäfte“ mit China eingelassen. Nach Informationen des Magazins würden die Brennstäbe aus dem Emsland letztlich in chinesischen Atomkraftwerken des staatlichen Atomkonzerns CGN zum Einsatz kommen. Erstes Ziel der Lingener Brennstäbe ist laut einer Pressemitteilung von Atomkraftgegner:innen aus dem Münsterland die kasachische Brennelementefabrik Ulba in Ust-Kamenogorsk, an der der chinesische Atomkonzern CGN 49% Eigentum hält. Das brisante an diesem Deal: Die Regierung der USA hatte im Herbst 2021 die Ausfuhr von „radioaktiven Materialien“ an CGN wegen des Verdachts auf mögliche militärische Aktivitäten ausgesetzt.
Anfang Dezember hieß es in einem Brief aus dem Bundesumweltministerium an das Aktionsbündnis Münsterland, man befürworte ausdrücklich ein Ende der Produktion von Brennelementen für Atomkraftwerke in Deutschland. Doch sei im Koalitionsvertrag keine entsprechenden Vereinbarungen dazu getroffen worden. Eine Ansage also, die ohne Konsequenzen bleibt.
„Es wird dringend Zeit, dass die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung alle Details zur massiven Ostexpansion von Framatome auf den Tisch legen. Offensichtlich werden der Öffentlichkeit viele brisante Informationen einfach vorenthalten. Was hier im Emsland passiert, läuft in die völlig falsche Richtung – anstatt den Atomausstieg zu vollenden, weitet die Bundesregierung die Verwicklung Deutschlands ins internationale Atomgeschäft erheblich aus. Das ist sehr gefährlich“, beklagt Dr. med. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der Internationalen Ärzt*innen zur Verhütung des Atomkriegs IPPNW.
21. Januar: Anti-Atom-Kundgebung in Lingen
Für Samstag, 21. Januar, rufen Anti-Atom-Organisationen zu einer nächsten Kundgebung in Lingen gegen die Brennelementepläne und die aktuelle Laufzeitverlängerung für das benachbarte Atomkraftwerk Emsland auf. - Infos: https://sofa-ms.de/
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