Die französische Atomaufsicht ASN hat das Wiederanfahren des Reaktorblocks Cattenom-1 wegen defekter Schweißnähte untersagt. Der Betreiber EDF hatte zuvor die Inbetriebnahme angekündigt.
Die französische Regierung will, dass möglichst viele der derzeit abgeschalteten Meiler im Land so bald wie möglich wieder in Betrieb gehen. Hintergrund ist die Sorge vor einem Strommangel und der Explosion der Energiepreise. In Frankreich steht derzeit die Hälfte der 56 Reaktoren still: In vielen von ihnen wurden Probleme mit Korrosion entdeckt, außerdem gibt es einen Wartungsstau wegen der Corona-Pandemie. Zuletzt sorgten auch Streiks der Beschäftigten für Verzögerungen. Deutschland will aushelfen, auch dafür sollen die Meiler in Süddeutschland länger laufen.
Doch mit dem Wiederanfahren der AKW geht es seit Wochen nicht voran. Zuletzt untersagte die Atomsicherheitsbehörde Autorité de sûreté nucléaire (ASN) dem Betreiber EDF, Reaktorblock 1 des Kraftwerks Cattenom Anfang November wieder hochzufahren. Grund sind schadhafte Schweißnähte, von denen nach Einschätzung der ASN mindestens zwei unverzüglich repariert werden müssen. Es handelt sich um Fälle sogenannter „Spannungsrisskorrosion“, die in Cattenom und vielen anderen (ebenfalls abgeschalteten) AKW im Notkühlsystem gefunden wurde. Die Risse in den beiden Schweißnähten seien 4,7 Millimeter beziehungsweise 6,1 Millimeter tief – laut Behörde ein „signifikantes Ausmaß“. Daher hat sie den Betreiber aufgefordert, Teile der betroffenen Rohrleitungen vor der Inbetriebnahme zu ersetzen. EDF wollte den Reaktorblock zunächst für acht Monate wieder ans Netz nehmen und die Reparatur der Risse aufschieben. Dieser Plan ist nun vom Tisch. Damit kann Cattenom frühestens im Februar 2023 wieder ans Netz.
Die französische Energiemisere nimmt kein Ende: Auch der Reaktor Civaux-1 könnte, anders als angekündigt, im Januar nicht wieder zur Verfügung stehen. Das Kraftwerk ist seit August 2021 wegen einer planmäßigen Zehnjahreswartung abgeschaltet. Der Betreiber meldete nun ein Leck im Primärkreislauf, durch das Radioaktivität ausgetreten sei. Ein Sicherheitsrisiko innerhalb oder außerhalb der Anlage habe aber nicht bestanden, so EDF.
Auch deutsche AKW von Rissen betroffen
Von Spannungsrisskorrosion sind auch die letzten laufenden AKW in Deutschland betroffen. Bekannt sind Risse in einigen der jeweils 16.000 extrem dünnwandigen Dampferzeuger-Heizrohren in Neckarwestheim-2 und Emsland. Diese Risse machen die Rohre instabil. Wenn nur eines einzigen von ihnen abreißt oder birst, wäre das ein schwerer Störfall, der sich bis zum Super-GAU entwickeln kann. Auch der baugleiche Reaktor Isar-2 ist möglicherweise betroffen, doch umfangreiche Untersuchungen haben dort gar nicht erst stattgefunden. Deswegen hat .ausgestrahlt nun gemeinsam mit zwei Anwohner*innen und der Unterstützung einer renommierten Hamburger Atomrechts-Kanzlei einen formalen Antrag auf vorläufige Stilllegung des AKW Isar-2 beim Bayerischen Staatsministerium für Umweltschutz und Verbraucherschutz gestellt. Denn solange nicht zweifelsfrei bestätigt ist, dass es im Reaktor keine Risse gibt, darf der Reaktor nicht mehr laufen.
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Ris(s)kanter Plan
10.10.2022 - Zahlreiche AKW in Frankreich liegen still, weil sie gefährliche Risse aufweisen. AKW in Deutschland sollen deshalb länger laufen – trotz Rissen derselben Art. Der VGH Mannheim könnte diese Pläne stoppen: Am 14. Dezember verhandelt er die Klage gegen die Betriebserlaubnis für den Riss-Reaktor Neckarwestheim‑2