Der Mietvertrag des niedersächsischen Zwischenlagers für schwach- und mittelaktiven Müll in Leese läuft aus. Was liegt da näher, als den Atommüll nach Gorleben zu bringen? Atomkraftgegner:innen kündigen an, einen „neuerlichen Atommülltourismus“ auf keinen Fall zu akzeptieren.
Es geht um insgesamt 4.800 Atommüllfässer, die sich derzeit in der niedersächsischen Landessammelstelle im Landkreis Nienburg/Weser befinden. Darunter sind auch einige defekte, vor einem Monat meldete die Atomaufsicht, dass Fässer „in der untersten Reihe eines Stapels“ (…) „vermutlich durch das Gewicht der aufliegenden Fässer verformt worden“ seien. Radioaktivtät ist bislang nicht ausgetreten. Schon 2000 und 2013 gab es ähnliche Auffälligkeiten.
Ursprung von etwa 1.500 Fässern mit schwach- und mittelaktiven Abfällen ist die ehemalige Landessammelstelle in Steyerberg, die zum 31.12.2000 aus Kostengründen aufgelöst worden war. Zwischen September und November 2000 wurden die Behälter von Steyerberg in das wenige Kilometer entfernte Leese gebracht. Und nun läuft zum Jahresende 2030 der Mietvertrag für die Gebäude in Leese aus. „Bis spätestens 2030 soll kein Fass mehr in Leese stehen“, verkündete Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies letztes Jahr der „Begleitgruppe zum Lager Leese“. Er versprach, dass alle Behälter in einen „endlagerfähigen Zustand“ gebracht werden sollen, dafür würde in Jülich eine Konditionierung des Mülls vorgenommen und anschließend eine Verpackung in für das Endlager Konrad zugelassene Container erfolgen. „Höchstens 50 fertige Konrad-Container“ sollten dann aus Jülich „zwischenzeitlich nach Leese zurückkehren“, so Lies im August 2021 gegenüber der Bürgerinitiative Strahlenschutz Leese.
Der Abfall soll eines Tages nach Schacht Konrad gebracht werden. Doch der Umbau des ehemaligen Eisenerzbergwerks ist zwar vor Jahren offiziell genehmigt worden, es gibt aber massive Sicherheitsbedenken und Zweifel am „Stand von Wissenschaft und Technik“. Einen Vergleich zwischen verschiedenen Standorten – so wie aktuell für den hochaktiven Atommüll angestrebt – hat es nie gegeben. Trotzdem wird das alte Bergwerk seit Jahren zu einem Endlager umgebaut. Eine Inbetriebnahme, derzeit für 2027 angepeilt, verschiebt sich immer wieder. Die Kosten explodieren. Der Ausgang der juristischen Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses werde sich noch lange hinziehen - mit ungewissem Ausgang, warnt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Dem sind sich offenbar auch Land und Bund bewusst – und suchen nun eine Alternative zur Lagerung der Leese-Abfälle.
Doch wohin mit dem Müll?
Laut eines Medienberichts wurde vom Bund Gorleben als möglicher Ausweichplatz ins Gespräch gebracht. Neben der Zwischenlagerhalle, in die damals die Castortransporte rollten, befindet sich dort das sogenannte „Faßlager“. Eine Abfalllagerung ist zeitlich unbefristet, in die Kritik geraten ist die Halle in der Vergangenheit ebenfalls wegen defekter Atommüllfässer.
Für die BI Umweltschutz ist unverständlich, warum der Mietvertrag in Leese nicht verlängert werden kann und warum sich der Bund bei einer Landessammelstelle einmische und ausgerechnet auf das Fasslager Gorleben verfalle. Auf keinen Fall werde man einen neuerlichen Atommülltourismus akzeptieren, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Der Müll müsse bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers dort gelagert werden, wo er ist. Das sei auch die Haltung zu den Abfällen, die in Gorleben lagern.
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