Mini-Meiler machen Mega-Müll

17.06.2022 | Jan Becker
Small Modecular Reaktors (SMR)
Foto: Mrcukilo

Mithilfe „neuer, sicherer und kleiner“ Atomkraftwerke das Klima retten zu wollen, war schon immer Wahnsinn. Nun liefert eine neue Studie weitere gute Argumente dagegen: Diese Reaktoren würden im Verhältnis deutlich mehr gefährlichen Atommüll produzieren als große Meiler. Wir empfehlen: Finger weg!

Wissenschaftler*innen der Stanford University und der University of British Columbia haben die Betriebsweise und den Lebenszyklus von drei verschiedenen Modellen der sogenannten „small modular reactors“ (SMR) untersucht. Im Ergebnis zeigt die Studie, dass bei SMR bis zu 30-mal mehr radioaktiver Abfall anfallen kann als bei „herkömmlichen“ Reaktoren. Die Studie wertet unter Atommüll nicht nur die genutzten Brennelemente, sondern auch den schwach- und mittelaktiven Abfall. Dazu gehören radioaktives Papier, Lumpen, Werkzeuge, chemische Schlämme oder metallische Kernbrennstoffhüllen.

Die radioaktiven Abfälle nehmen zu, weil in kleinen Reaktoren mehr Neutronenleckagen entstehen als in größeren, heißt es in der Studie. Ein kleiner Kern verliere zwangsläufig einen größeren Teil der erzeugten Neutronen, erklärt die Hauptautorin Lindsay Krall. Das liege daran, dass für die Reaktion Brennmaterial genutzt werde, das stärker angereichert ist und einen kleineren Kern hat. Zur Abschirmung der Neutronen werde mehr Material benötigt – welches dann später als hochaktiver Atommüll „entsorgt“ werden muss. Durch die höhere Anreicherung des Brennstoffs sei auch die Langzeitstrahlung von abgebrannten Kernbrennstoffen ein größeres Problem gegenüber konventionellen AKW. Pro gewonnener Energieeinheit fällt bei SMR Plutonium an, dessen Radiotoxizität nach 10.000 Jahren um mindestens 50 Prozent höher ist, heißt es in der Studie.

Hinweis: Kein Land der Welt hat eine Lösung für die langfristige Lagerung des hochradioaktiven Abfalls. In Deutschland wurde der Suchprozess nach heftigen Protesten gegen den Standort Gorleben neu gestartet. Ob am Ende – laut Plan in einigen Jahrzehnten – ein Standort gefunden wird, wo dann der Müll zehntausende Jahre „sicher“ lagern kann, ist heute völlig ungewiss.

Finger weg von SMR!

Während in den USA Milliardäre ihr Geld in SMR-Projekte versenken und immer wieder mal einen medialen Hype auslösen, können weder Bill Gates noch Warren Buffett einen funktionstüchtigen Prototypen vorweisen, der in irgendeiner Form marktreif wäre. Davon unbeeindruckt träumen einige deutsche Politiker*innen von „Mini-Meilern“ neben Großstädten, um damit dem Klimawandel zu begegnen. Doch die Stanford-Studie liefert ein gewichtiges Argument mehr, von diesen kühnen Atom-Träumen die Finger zu lassen. Nach derzeitigem Wissensstand würden die kleinen Reaktoren die massiven Probleme mit dem Atommüll zusätzlich verschärfen - und das ist nur einer von vielen Kritikpunkten.

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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