Als Antwort auf den Angriff auf die Ukraine hat die Betreiberfirma der Urananreicherungsanlage Gronau die Uran-Geschäfte mit Russland gestoppt. Atomkraftgegner*innen warnen unterdessen davor, dass in den von Kämpfen betroffenen ukrainischen Meilern Brennstoff aus Deutschland verwendet wird - und fordern einen umgehenden Exportstopp.
Die Konzernleitung des Urananreicherungsunternehmens Urenco sei „zutiefst besorgt“ über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine – und habe deshalb nun „einschneidende Konsequenzen“ gezogen: „Den Vertrag mit unserem Lieferanten in Russland haben wir gekündigt und alle Lieferungen in beide Richtungen gestoppt“, schreibt das Unternehmen laut Westfälische Zeitung.
In der Vergangenheit wurde abgereichertes Uranhexafluorid nach Russland gebracht, was immer wieder für erhebliche Proteste durch Atomkraftgegner*innen sorgte. Der Vorwurf: Russland gebe nur vor, dass es sich um wiederverwendbaren Wertstoff handle – so ist die Ausfuhr legal – tatsächlich verrotten die Fässer auf einem Gelände in den Weiten Sibiriens unter offenem Himmel. Was Aktivist*innen nun irritiert: Deutschland stellte die Exporte bereits ein, weil Verträge ausgelaufen waren. Gab es etwa neue Verträge? Der URENCO-Standort in Großbritannien besaß offenbar welche, von dort sollte erst letzte Woche ein Schiff mit Ziel Russland starten. Es legte laut Beobachtungen dann aber leer wieder ab.
Vor ein paar Tagen wurde zudem bekannt, dass die EU nicht nur bei Gaslieferungen signifikant abhängig von Lieferungen aus Russland ist, sondern auch bei der Atomenergie: 20 Prozent des in der EU genutzten natürlichen Urans wurden 2020 dorther importiert. Die Verarbeitung findet z.B. in Gronau statt. 26 Prozent des in der EU benötigten angereicherten Urans stellt Russland her, Empfänger in Deutschland ist die Brennelementefabrik in Lingen. Dort war eigentlich ein Joint-Venture zwischen Rosatom und dem französischen Betreiber Framatome geplant. Schon Ende Februar zog die russische Seite den Antrag zurück.
Deutscher Brennstoff in ukrainischen Reaktoren
In den heftig umkämpften Atomkraftwerken in der Ukraine wird wahrscheinlich auch Uran eingesetzt, das im münsterländischen Gronau angereichert wurde, befürchten Anti-Atomkraft-Initiativen, die Friedensnobelpreisträgerin IPPNW sowie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Seit mehreren Jahren ist der deutsch-niederländisch-britische Urananreicherer Urenco der Hauptlieferant der Ukraine für angereichertes Uran. Dieses wird dann vom US-Konzern Westinghouse im schwedischen Västeras zu Brennelementen verarbeitet und gelangt von dort in die Ukraine.
„Bislang wurden Uran- und Brennelementelieferungen aus Deutschland von den jeweiligen Bundesregierungen als rein wirtschaftliche Angelegenheit betrachtet. Sie bringen jedoch massive geopolitische und sicherheitspolitische Gefahren mit sich. Hier muss nun endlich ein Umdenken stattfinden: Uran- und Brennelementelieferungen gefährden die Sicherheit ganzer Regionen in Europa und weltweit. Sie müssen deshalb von der Bundesregierung sofort unterbunden werden,“ fordert Dr. Angelika Claußen, Europavorsitzende der IPPNW.
Neben der Ukraine stehen auch andere Krisenregionen auf der Exportliste für angereichertes Uran von Urenco, insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf. Dort kommt es regelmäßig zu terroristischen Attacken und Kriegsdrohungen unter den Anrainer-Staaten. Der Betrieb von AKWs ist allein deshalb unverantwortlich.
Ein sehr guter Moment für eine politische Blockade
Der Krieg in der Ukraine bringt also ordentlich Bewegung auf den Uranmarkt. Auch andere Europäische Länder wenden sich von Russland ab, sind nun aber auf der Suche nach alternativen Bezugsquellen für AKW-Brennstoff.
Der Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen stehen im Widerspruch zum deutschen Atomausstieg. Ende diesen Jahres werden die letzten drei aktiven Meiler für immer abgeschaltet, das unterstrichen Umwelt- und Wirtschaftsministerium mit der Prüfung einer möglichen Laufzeitverlängerung kürzlich.
Es ist ein sehr günstiger Moment für die Bundesregierung, durch die Stilllegung der Urananlagen in Deutschland die künftigen Lieferungen von Brennstoff aus Deutschland an ebenso unsichere AKW in der Slowakei, Slowenien, Tschechien oder Ungarn zu verhindern.
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