Mit Brokdorf und Grohnde gehen Ende des Jahres zwei bei ihrem Bau heftigst umkämpfte Reaktoren vom Netz, außerdem der dritte und letzte Reaktor im bayerischen Gundremmingen.
AKW Brokdorf
- Geplant ab 1972, Baubeginn 1976 (nachts um ein Uhr, nur Stunden nach der ersten Baugenehmigung)
- gerichtlicher Baustopp 1976–1981 wegen ungeklärter Entsorgungsfrage des Atommülls
- Inbetriebnahme 08.10.1986, „Reststrommengen“ aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht
- seit Sommer 2020
- Alter bei Abschaltung Ende 2021: > 35 Jahre
Proteste (Auswahl):
- Demo und Besetzung des mit Stacheldraht gesicherten Bauplatzes (5.000/2.000, 1976, vier Tage nach Baubeginn)
- Demo „Brokdorf II“ (30.000, 1976)
- Demo "Brokdorf III“ (50.000, 1977, trotz Demonstrationsverbot)
- Großdemo nach Aufhebung des Baustopps (100.000, 1981, Bundesverfassungsgericht erklärt Demonstrationsverbot im Nachhinein für rechtswidrig) (30.000, 1986, 10.000 weitere werden aufgehalten von der Polizei)
- monatliche Mahnwachen (seit 1986),
- Menschenkette Brunsbüttel–Brokdorf–Krümmel (120.000, 2010)
Beinahe-GAU: An allen vier Notspeiseaggregaten fehlen seit Inbetriebnahme des Reaktors – bei den monatlichen Prüfungen unbemerkt – Dichtungsringe, Schmiermittel ist ausgelaufen, weswegen die Gefahr gleichzeitigen Versagens aller vier Aggregate besteht (entdeckt Ende 1988); Atomaufsicht: hätte „ganz große Probleme bis zur Kernschmelze“ verursachen können.
Bemerkenswert: Hamburgs Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) tritt 1981 zurück, weil SPD und Hamburgische Elektrizitätswerke (HEW) den Ausstieg aus dem Projekt verweigern.
AKW Grohnde
- Geplant ab 1973, Baubeginn 1976
- Inbetriebnahme 01.09.1984
- „Reststrommengen“ aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht seit Frühjahr 2019
- Alter bei Abschaltung Ende2021: > 37 Jahre
Proteste (Auswahl):
- Einwendungen gegen Bauantrag (12.000, 1974)
- Bauplatzbesetzung (1.000, 19.02.1977, zeitgleich mit Großdemo in Brokdorf)
- „Schlacht um Grohnde“ (15.000,19.03.1977)
- Anti-Atom-Dorf auf Kühlturmgelände (200, 12.06.–23.08.1977, Räumung im Nachhinein für rechtswidrig erklärt)
- Umzingelung (5.000, 24.04.2011)
- Aktions- und Menschenkette im 40-km-Umkreis (20.000, 09.03.2013)
- Klage wegen mangelndem Schutz des AKWs gegen Flugzeugabsturz (2014; bis heute kein Urteil)
Beinahe-GAU:
Eine Notkühlpumpe ist wegen einer Gasansammlung im Innern über einen unbekannten Zeitraum hinweg nicht einsatzfähig und hätte im Ernstfall binnen Minuten versagt (entdeckt im März 1985), Reaktorsicherheitsexperte: „Das war der halbe Weg zur Kernschmelze.“
AKW Gundremmingen C
- Bauantrag 1974
- Baubeginn 1976
- Inbetriebnahme 26.10.1984
- Reststrommengen aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht seit Januar 2017
Proteste:
- Demo gegen Bau (8.000, Juni 1979)
- Blockaden nahezu jedes Castor-Transports (5–300, 1989–1998),
- wöchentliche Mahnwache (seit 1989)
- Einwendungen gegen MOX-Brennelemente (40.000, 1995)
- Unterschriften gegen Leistungserhöhung (39.000, 2013, RWE zieht auf Rat der bayerischen Staatsregierung den Antrag schlussendlich zurück)
- Proteste gegen den vier Jahre längeren Betrieb von Block C – sein Zwillingsblock B geht schon 2017 vom Netz (2017)
Beinahe-GAU: Dem AKW fehlt seit Inbetriebnahme der vorgeschriebene dritte erdbebensichere Notkühlstrang; Reaktorsicherheitsexperte: „Es kann zur Kernschmelze kommen.“
Besonderheit: In Gundremmingen ging 1967 mit Block A das damals weltgrößte zivile AKW ans Netz. 1977 löst Eisregen einen Störfall aus, der den Reaktor schwer beschädigt, er geht nie wieder ans Netz.
weiterlesen:
AKW Brokdorf
- Informationen zum AKW Brokdorf
- Gefahr in Brokdorf
- "Die Stilllegung ist auf den Protest zurückzuführen" - Interview mit Carsten Hinrichs (11/21)
- Das Behälter-Problem (12/20)
- Die Oldtimer (04/20)
AKW Grohnde
AKW Grundremmingen C