Ein Jahr lang hat es gedauert, doch jetzt hat die Bundesregierung bekräftigt: Nach dem Ausscheiden bei der Suche nach einem Atommülllager wird es für das Bergwerk in Gorleben auch keine Nachnutzung geben. Jede „Hintertür“ ist zu.
Die Freude wie auch die Überraschung waren groß, als am 28. September 2020 mit der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete bekannt wurde, dass der Salzstock Gorleben nicht weiter als Standort für ein langfristiges Atommülllager untersucht werden soll. Wissenschaftliche, geologische Ausschlusskriterien waren der Beweggrund, dass das seit mehr als 40 Jahren umstrittene Bergwerk ausgeschlossen wurde. Oder kurz: Es taugt nicht, hochaktiven Atommüll für eine Million Jahre „sicher“ einzuschließen. Was Kritiker:innen seit Jahrzehnten immer wieder anbrachten, wurde durch die Bundesbehörde im Auftrag der Bundesregierung offiziell.
Der Widerstand im Wendland hat also recht bekommen. Doch die erste Generation der Gorleben-Gegner:innen wird das wirkliche Ende nicht mehr erleben. Ein knappes Jahr nach dem formalen Aus sind nun auch die Pläne einer möglichen Nachnutzung vom Tisch. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) wurde angewiesen, die rechtlichen Voraussetzungen für den Rückbau „zur grünen Wiese“ zu schaffen. Das Bergwerk wird verfüllt und dann geflutet.
„Das Kapitel Endlager Gorleben wird ab dem heutigen Tag geschlossen - ich hoffe, dass im Wendland nun die Wunden heilen können, die der jahrzehntelange Streit um Gorleben gerissen hat“, erklärte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, auf einer Pressekonferenz in Gorleben.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) dankte den Menschen in der Region für ihre jahrelangen Proteste. Damit sei verhindert worden, dass „ein ungeeigneter Standort“ zum Atommüll-Endlager geworden sei.
Gorlebengegner:innen begrüßen diesen Schritt natürlich, denn „damit wird auch eine Hintertür verschlossen, um Gorleben für den Fall, dass die Endlagersuche in schweres Fahrwasser gerät, doch noch nutzen zu können“, so Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) erleichtert.
Doch bis endlich „Fakten“ geschaffen werden, wird es weiter dauern: Die nächsten Jahre benötigt das Amt für die Erstellung eines Plans, abgeschlossen sein soll die Verfüllung in etwa zehn Jahren. Die Erkundungsarbeiten ruhen bereits seit 2013, die nicht mehr nötige Technik und Gebäude wurden schrittweise entfernt. Insgesamt kostete das Projekt bis heute fast 2 Milliarden Euro, wobei schon jedes Jahr „Offenhaltung“ mit 20 Millionen Euro zu Buche schlägt. Das Geld stammt vor allem von den Atomkonzernen - also von deren Stromkund:innen. Die Kosten für den nun anstehenden Rückbau sind offen. Sie kommen aus Mitteln des „Atomfonds“, in den die Stromkonzerne 2017 über 24 Milliarden Euro eingezahlt haben, seitdem gehört der Atommüll offiziell dem Staat, also uns allen.
113 Castoren stehen nebenan
Das Wendland ist mit der Entscheidung zum Bergwerk lange nicht „strahlenfrei“. In dem Zwischenlagerkomplex auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen 113 Atommüll-Behälter in einer gegen Einwirkungen von außen unzureichend geschützten Halle. Die Lagergenehmigung für die Castoren läuft 2034 aus. Selbst wenn der aktuelle Suchprozess nach dem „sichersten Ort“ für eine langfristige Verbringung des hochaktiven Inhalts gelingt, dann ist mit einem Abtransport dorthin nicht vor 2050 zu rechnen. Vermutlich sogar noch später. Es gibt keinen Nachweis, dass die Behälter über einen deutlich längeren Zeitraum als genehmigt dicht halten, Reparaturkonzepte sind eine große Herausforderung.
Diese Probleme gelten nicht nur für die Lagerhalle in Gorleben, sondern für alle 15 weiteren Zwischenlager in Ahaus, Lubmin, Jülich oder an den AKW-Standorten. Die neue Bundesregierung muss dieses Thema dringend angehen. Aus Mangel an Alternativen darf die Lösung nicht „Notverordnung“ heißen, so wie in Brunsbüttel und Jülich. Dort verloren die Lagerhallen wegen Sicherheitsdefiziten ihre Genehmigung, doch praktisch hat sich vor Ort nichts geändert: die Atommüllbehälter wurden nicht bewegt.
Möglich sind Zwischenlager-Neubauten wie in Lubmin, wo zur künftigen Aufbewahrung der Castoren ein monolithischer Betonklotz mit einer Wandstärke von immerhin 1,80 Metern gebaut werden soll. Zum Vergleich: Die erste Generation von Zwischenlagern für hochradioaktive Abfälle weist Wand- und Deckenstärken von nur 50 bzw. 20 Zentimetern auf.
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Zwischenlagerung – die Jahrhundert-Lager
Die Zwischenlagerung des hochradioaktiven Atommülls wird sehr viel länger dauern, als ursprünglich behauptet. Die bisherigen Hallen sind nicht weiter tragbar. Doch die Politik nimmt das Problem nicht ernst
Quellen (Auszug): taz.de, dpa, jungewelt.de, bi-luechow-dannenberg.de