Der JRC-Report - Grundlage für Entscheidungen zu Atomkraft?

13.07.2021 | Günter Wippel
None
Foto: JRC Karlsruhe

Am 15. Juli um 14:30 Uhr (Stream) wird die EU-Kommission den Bericht des Joint Research Centers (JRC) vor dem ITRE-Ausschuss des EU-Parlaments präsentieren. Günter Wippel (uranium-network) hat den JRC-Bericht analysiert. Er fasst hier die wichtigsten Punkte zusammen.

Icon Eine ausfühliche Kritik findet ihr hier.

Was ist der JRC Bericht?
Als Joint Research Center (JRC), werden verschiedene organisatorisch zusammenhängende Forschungsinstitute der EU bezeichnet. Nachdem sich die EU bzw. ihre Mitgliedsstaaten nicht darauf verständigen konnten, Atomkraft aus der Taxonomie auszuschließen, wurde der Standort in Karlsruhe beauftragt, die Atomenergie in einem weiteren Gutachten erneut zu bewerten. Das Karlsruher Institut verantwortet im Rahmen des JRC vor allem die Forschungen zu Atomkraft und Reaktortechnik.

Das Gutachten des JRC empfiehlt eine Aufnahme der Atomkraft als nachhaltige Investition, so dass Atomkraft im Rahmen der EU-Taxonomie zukünftig als nachhaltig gelabelt würde, obwohl sich die eigentliche technische Expertengruppe der EU-Kommission (TEG) in ihren ausführlichen Prüfungen 2019 und 2020 schon gegen die Aufnahme der Hochrisikotechnologie ausgesprochen hatte.

Eine Zusammenfassung der Kritikpunkte am JRC Report:

  • Die In-Frage-Stellung der Ergebnisse der Technical Expert Group, nach der Atomkraft nicht in die EU-Taxonomie aufgenommen wurde, bedeutet eine Abwendung von einer wissenschafts-basierten Taxonomie hin zu einer lobby-basierten. Damit wird auch das Vertrauen in die EU-Institutionen erschüttert.
  • Der Ausschluss wirtschaftlicher Aspekte aus der EU-Taxonomie führt – im Zusammenwirken mit dem JRC Report – zur Fehlallokation (Fehlleitung) finanzieller Mittel in eine unwirtschaftliche Atomkraft, obwohl mit Investitionen in Erneuerbare Energien pro investiertem Euro mehr für den Klimaschutz erreicht werden kann als mit Investitionen in Atomenergie. Das Ergebnis für einen effektiven Klimaschutz ist suboptimal.
  • Der JRC Report benutzt eine Lebenszyklus-Analyse; häufig werden jedoch nicht reale Situationen analysiert, sondern man arbeitet mit Modellrechnungen und Simulationen. Vielfach arbeitet der Bericht mit Simulation, Hypothesen über zukünftige Reaktorkonzepte und mit unrealistischen Voraussetzungen wie der allzeitigen Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften. Die Ergebnisse des JRC Reports sind damit realitätsfern und für eine Beurteilung von Atomkraft nicht geeignet.
  • Die Quellen des Berichts sind massiv einseitig ausgewählt und beziehen sich an wesentlichen Stellen auf Veröffentlichungen von Mitarbeiter*innen der französischen Atomenergiebehörde CEA und der Schweizer Atomforschungseinrichtung Paul Scherrer Institut.
  • Eine Lebenszyklus-Analyse muss nach ISO-Norm eine ‚critical review‘ enthalten. Diese fehlt.
  • Unfälle, Leckagen, soziale und sozio-ökonomische Auswirkungen von Atomkraftnutzung werden ignoriert, ebenso Kernschmelz-Unfälle (Tschernobyl, Fukushima) und deren Folgen – ausgeblendet.
  • Die unbekannten und ungenannten Autor*innen des JRC Reports beziehen sich immer wieder auf das französische Atomkraft-System, das selbst für die EU-Länder, die Atomkraft nutzen, nicht repräsentativ ist. Die Relevanz für eine EU-Taxonomie ist daher zweifelhaft.
  • Die unbekannten und ungenannten Autor*innen des JRC Reports spielen mit der Vision einer nahezu unendlichen Energieerzeugung aus Atomkraft. Diese scheitert jedoch an den reellen Gegebenheiten.

Atomkraftbefürworter*innen versuchen – erneut – mit Hinweisen auf zukünftige Entwicklungen an Geld zu gelangen, obwohl der JRC Report konstatiert, dass Atomkraft nicht wirtschaftlich ist und 60 Jahre nach ihrer Einführung trotz massiver staatlicher Unterstützung wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen stehen kann.

 

Greenwashing enttarnt - Wie die gemeinsame Forschungstelle der EU Atomkraft als "Nachhaltig" erscheinen lasst
« Zur Blogübersicht
Günter Wippel Profil-Bild

Günter Wippel

Günter Wippel, Diplom-Volkswirt, Mitorganisator des WORLD URANIUM HEARING 1992, Salzburg, aktiv gegen Uranbergbau in Kanada und USA, Mitbegründer von uranium-network.org und seit 2008 engagiert gegen Uranbergbau vorwiegend in afrikanischen Ländern. Mitorganisator von Konferenzen zur Aufklärung über Uranbergbau in Bamako / Mali, in Tanzania und Südafrika.

blog via e-mail abonnieren
RSS-FEED
Blog als RSS-FEED abonnieren.
abonnieren »