Ulrike Laubenthal, 54, ist seit ihrer Jugend in der Friedensbewegung und der Anti-Atom-Bewegung aktiv und setzt sich bei der Standortsuche für ein Atommüll-Lager dafür ein, dass konsensbildende Prozesse zum Einsatz kommen.
Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 und dem US-Angriff auf Libyen im gleichen Jahr war für mich klar, ich kann jetzt nicht irgendwas anderes machen, unser Überleben hängt von diesen Angelegenheiten ab. Ich war erst in der Friedensbewegung in Mutlangen aktiv gegen Atomraketen, aber später auch bei „X-tausendmal quer“ im Wendland bei den gewaltfreien Blockaden der Castor-Transporte. Dabei habe ich viel im Bereich Moderation gemacht. Daraus ist mein Beruf geworden. Aus der politischen Arbeit heraus habe ich mich als Trainerin für gewaltfreies Handeln damit beschäftigt, wie wir Konsens finden, Konflikte bearbeiten und uns organisieren können.
Hier im Norden Brandenburgs haben wir mehrere Salzstöcke. Einer davon ist quasi direkt vor unserer Haustür, die anderen ein bisschen weiter weg. Außerdem ist fast die gesamte Landkreisfläche Tonvorkommen. Wir liegen also in mehreren sich überlappenden Teilgebieten, die für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager in Frage kommen. .ausgestrahlt hat uns früh auf das Standortauswahlverfahren aufmerksam gemacht und dass es uns auch regional betreffen könnte. Ende 2019 und im März 2020 haben wir Infoveranstaltungen organisiert, die eine Menge Aufmerksamkeit gebracht haben. Gerade bei den Salzstöcken, die ja namentlich benannt sind, haben sich die Menschen, die sozusagen darauf wohnen, sehr schnell angesprochen gefühlt. Mit dem Tonvorkommen ist es noch viel unkonkreter. Wir haben bei diesen Veranstaltungen Kontakt bekommen zu 30, 40 Leuten in der Region, die interessiert sind und ansprechbar für Aktivitäten. Das sind gerade eher lose Kontakte, was soll man denn auch machen im Moment? Eine Demo zu organisieren, geht zum einen wegen Corona nicht und zum anderen … gegen wen oder was soll man denn jetzt demonstrieren? Es geht darum, erst mal Informationen zu sammeln und Wissen zu erweitern. Aber als wir direkt nach der Veröffentlichung des „Zwischenberichts Teilgebiete“ durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zwei Infostände mit dem „Atomklo“ von .ausgestrahlt hier organisiert haben, waren einige dabei, und diese Aktionen haben nochmal viele Leute erreicht. Vor Ort sind mein Lebensgefährte Niels Detloff und ich ein bisschen der Knotenpunkt im Netzwerk. Wir sind mit den Leuten vor Ort in Kontakt und auch mit Leuten aus anderen Teilgebieten und mit .ausgestrahlt. Die Kontakte sind da, und die Leute wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Fragen haben.
Niels beschäftigt sich intensiv mit den Daten, nicht nur von den Salzstöcken und Tonvorkommen bei uns, sondern auch insgesamt. Uns geht es um eine gute, faire, sichere Lösung. Darum, dass der Atommüll dahin kommt, wo er am besten aufgehoben ist, und nicht, dass er nicht zu uns kommt. In diesem Sinne wirken wir auch hier vor Ort. Wobei das oft ganz schön schwer zu vermitteln ist. Wenn wir Pressekontakte hatten, wollten die eigentlich immer hören, wir wollten verhindern, dass der Müll hier vor unsere Haustür kommt. Egal was wir gesagt haben, letztlich haben sie uns doch so zitiert.
Ich war vor der Auftaktveranstaltung für die „Fachkonferenz Teilgebiete“ unschlüssig, ob ich daran teilnehmen will, ob das mehr wird als eine Inszenierung von Beteiligung. Es stand im Programm, dass über die Geschäftsordnung gesprochen wird, und ich hatte mich dann entschlossen, einen konkreten Vorschlag einzubringen, wie man diese Fachkonferenz so organisieren könnte, dass tatsächlich Kommunikation und Begegnung auf Augenhöhe, Austausch, Konsensbildung stattfinden könnte. Dazu müsste diese Konferenz dienen, wenn sie irgendeinen Zweck haben soll! Mein Vorschlag hat dann allerdings gar nicht so gut gepasst. Plötzlich sollte ausdrücklich nicht über die Geschäftsordnung diskutiert werden. Wie aber soll man sich konstruktiv einbringen, wenn alles anders gemacht wird als angekündigt? Vorgetragen habe ich meine Ideen trotzdem. Sie sind aber nicht weiter diskutiert worden. Das war gar kein Format für einen Austausch. Man konnte nicht mit den anderen in Kontakt treten, und die Moderation hat stark gefiltert. Manche Leute, die noch wenig im Thema drin waren, waren begeistert, aber für diejenigen, die schon drinsteckten und etwas gemeinsam entwickeln wollten, war das einfach nur schlimm.
Dann wurde ohne Ankündigung eine Vorbereitungsgruppe für die „Fachkonferenz“ gewählt. Warum man keine offene Gruppe machen wollte, war völlig unklar. Ich habe mich dann spontan entschieden, zu kandidieren. Da ich schon gesprochen hatte, hatten viele Leute ein Bild davon, wer ich bin, und das hat wohl geholfen, dass ich reingewählt worden bin in diese Gruppe. Niels wollte auch kandidieren, ist aber an der Technik gescheitert. Das habe ich auch von anderen gehört. Manche konnten nicht kandidieren, manche nicht abstimmen. Das war eine ganz merkwürdige Sache … Wenn man die Bevölkerung mitentscheiden lassen möchte, geht das auch – das Wissen ist da, wie man so was macht. Aber so, wie die Konferenz organisiert ist, ist echte Partizipation nicht möglich. Mag sein, dass manche, die jetzt daran mitarbeiten, es wirklich gut machen wollen und ihnen einfach die Erfahrung fehlt. Aber ich denke, die Leute, die das im Bundesamt organisieren, wissen ganz genau, was sie tun. Es geht ihnen um Akzeptanzmaximierung, nicht um Beteiligung.
Aufgrund der Bedingungen, unter denen die Vorbereitungsgruppe entstanden ist, war von Anfang an strittig, ob sie überhaupt ein Mandat hat, die Konferenztermine vorzubereiten, ob sie sich für alle Interessierten öffnen sollte oder etwas dazwischen. Das mussten wir entscheiden, bevor wir miteinander arbeiten konnten. Aber dann kam direkt ganz viel von der im Bundesamt angesiedelten Geschäftsstelle der Fachkonferenz, die gleich beim ersten Treffen dabei sein wollte und inhaltliche Fragen stellte. Ich habe immer gesagt: „So weit sind wir noch nicht.“ Aber letztlich war eine deutliche Mehrheit dafür, das einfach durchzuziehen. Mich hat entsetzt, dass die meisten überhaupt kein Zutrauen dazu hatten, dass konsensbildende Prozesse konstruktiv sein könnten. Die haben gesagt: „Das schaffen wir nicht, wir müssen per Mehrheit entscheiden.“ Diese Gruppe soll jetzt also eine Fachkonferenz organisieren, die auf einen gesellschaftlichen Konsens über den Standort für den Atommüll hinwirkt. Da müssen wir doch von Anfang an mit konsensbildenden Methoden arbeiten und Minderheiten mitnehmen. Dazu war in dieser Gruppe keine Bereitschaft. Damit war für mich klar, dass es keinen Zweck hat, da weiter mitzuarbeiten.
Ich habe wenig Hoffnung, dass diese „Fachkonferenz“ und die anderen offiziellen Formate zu einem Konsens beitragen werden. Insofern müssen wir uns jetzt unabhängig davon vernetzen, Informationen teilen, Meinungsbildung betreiben, uns organisieren und Strukturen schaffen, um Leute zu integrieren, die später dazukommen. Wir müssen den Prozess organisieren, den es braucht, um zu einem gesellschaftlichen Konsens über den am besten geeigneten Ort für den Atommüll zu kommen. Ich glaube, wir müssen nicht nur das offizielle Verfahren kritisch begleiten, sondern auch das, was in diesem Verfahren nicht erledigt wird, selbst machen.
Wir haben eine Verantwortung für die Leute, die nicht mitreden können, weil sie noch nicht geboren sind. Eigentlich müssten alle Generationen nach uns mit am Tisch sitzen. Was wir jetzt denken, unsere Pläne für die nächsten 50 Jahre, für Tourismus oder Naturschutzgebiete, das ist Pipifax gegenüber der Frage, wie die nächsten hundert Generationen da leben und wie sich der falsche Standort möglicherweise weit über die Region hinaus auswirken würde, wenn Radioaktivität in die Biosphäre gelangt.
Protokoll: Anna Stender
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