Mit einer „Renaissance der Atomkraft“ wollte Großbritannien einen ambitionierten Klimaschutz-Kurs starten. Doch das Projekt „Horizon Nuclear Power“ ist gescheitert, der Bau weiterer Atomkraftwerke in Großbritannien damit Geschichte. Die einzige Neubau-Baustelle wird unterdessen zum Milliardengrab.
Für eine kohlenstoffarme Zukunft Großbritanniens solle Atomenergie eine „Schlüsselrolle“ spielen, so interpretiert zumindest Duncan Hawthorne, CEO der Horizon Nuclear Power, das jüngste Energie-Weißbuch der Insel. Wie in allen europäischen Ländern ist auch der britische AKW-Park überaltert, es bräuchte also zahlreiche Neubauten.
Es existieren jedoch nur wenige konkrete Projekte, seit Kurzem zwei weniger: Ein Ende für die Pläne zum Bau von Meilern am Standort Wylfa Newydd in Wales sowie am Standort Oldbury zeichnete sich wegen Finanzierungsproblemen zwar schon länger ab. Anfang Januar 2021 hatte Horizon zum zweiten Mal einen Aufschub für den Entscheid über das Baugesuch in Wales beantragt. Nun hat Horizon Nuclear Power das Aus verkündet, bis Ende März soll die Tochtergesellschaft des japanischen Hitachi-Konzerns sogar aufgelöst werden. Das Projekt ist damit beendet.
Für die britische Klimaschutz-Strategie ist diese Entwicklung dramatisch und ein Umdenken dringend nötig. Es hatte für die Errichtung der Meiler großzügige Angebote an Finanzierungshilfen seitens der Regierung gegeben. Und trotzdem konnten nicht ausreichend Investoren gefunden werden, um die Projekte zu realisieren.
Das sei ein „herber Rückschlag für die Atomlobby“,beschreibt oekonews.at, Österreichs größte Online-Zeitung im Bereich Umwelt und Energie, diese Entscheidung. Diese Entwicklung zeige, dass Atomkraft „völlig unwirtschaftlich ist und im 21. Jahrhundert eigentlich nichts mehr verloren hat“, so Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee, einer NGO aus Österreich.
Milliardengrab Hinkley Point C
Entgegen aller Kritik wird am Standort Hinkley Point ein neues AKW mit zwei Reaktorblöcken errichtet. Es handelt sich um Großbritanniens größte Baustelle seit dem Zweiten Weltkrieg. Die britische Regierung hat den französischen und chinesischen Betreibern langfristig (35 Jahre) absurd hohe Strompreise und attraktive Kredite garantiert. Europaweit haben Energieversorger Klagen wegen Wettbewerbsverzerrung eingereicht.
Doch zu einer „Renaissance der Atomkraft“ zur Erfüllung einer umfassenden Klimaschutz-Strategie auf der Insel wird Hinkley Point nicht führen: Vor wenigen Tagen hat der französische Stromkonzern und Betreiber EDF mitgeteilt, dass sich der Bau um ein weiteres halbes Jahr verzögern und damit auch immer teurer wird. Nach der aktuellen EDF-Mitteilung wird die Stromerzeugung von Block 1 nun im Juni 2026 erwartet. Die Gesamtkosten schätzt der Konzern aktuell auf etwa 26 Milliarden Euro. Durch die neuen Komplikationen, die EDF mit der Corona-Pandemie begründet, stürzt auch die geschätzte Rendite des französischen Konzerns weiter ab. Der Bau der zwei Meiler wird aktuell fast doppelt so viel kosten wie bei den ersten Planungen 2008 geschätzt, die Stromerzeugung beginnt fast ein Jahrzehnt später als einst angekündigt. Doch die Regierung hält unbeirrt an Hinkley Point fest. „Die Renaissance der Atomkraft ist teuer erkauft“, urteilt die Frankfurter Rundschau.
Zu einem vernichtenden Urteil für die Klimaschutz-Pläne mithilfe von Atomenergie kommt auch der Energieexperte Norbert Allnoch vom IWR-Institut in Münster. Durch die Kostensteigerungen seien Privatunternehmen kaum mehr in der Lage, ein Atomkraftwerk am Markt zu finanzieren und zu bauen. Das Risiko sei für private Investoren angesichts langer Bauzeiten und hoher Preiskonkurrenz durch erneuerbare Energien und Erdgas einfach zu hoch. „Ohne die prestigeträchtige Beteiligung staatlicher Unternehmen oder die Gewährung anderweitiger Staatsgarantien würde weltweit wohl kein einziges neues Atomkraftwerk mehr ans Netz gehen“, urteilt er laut Franfurter Rundschau.
Damit hängt es am Wohlwollen der Bevölkerung (bzw. der von ihr gewählten politischen Vertreter*innen), einem atomaren Klimaschutzkurs mithilfe von gigantischen staatlichen Subventionen zuzustimmen - oder ihn zugunsten von Alternativen abzulehnen.
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