Nach technischem Versagen ist im finnischen Atomkraftwerk Olkiluoto-2 vergangene Woche die Radioaktivität deutlich angestiegen. Zu einer Freisetzung in die Umwelt kam es aber nicht.
Die Strahlenschutzbehörde Säteilyturvakeskus (STUK) sprach am Donnerstag vor einer Woche von einem „außergewöhnlichen Vorfall“, Medien sogar von einem „schwerwiegenden Störfall“. Im Kühlwasser des Siedewasserreaktors war deutlich erhöhte Radioaktivität gemessen worden.
Substanzen aus Filter gelöst
Ein Notkühlsystem in Block 2 sei planmäßig für Wartungsarbeiten abgeschaltet worden, erklärte der Betreiber TVO nach dem Ereignis. Dabei sei eines der Systemventile ausgefallen, weshalb sich der Abschluss der Reparaturarbeiten um zwei Stunden verzögerte. Während dieses Zeitraums konnte heißes, radioaktives Kühlwasser wegen der Druckdifferenz länger als geplant rückwärts zu den Filtern des Reaktorwasserreinigungssystems fließen. Diese Filter, die radioaktive Partikel aus dem Kühlwasser herausholen, kamen so mit 100 Grad heißem Wasser in Kontakt – deutlich heißer als die üblichen 70 Grad. Daraufhin lösten sich Substanzen aus dem Filter. Beim Durchfluss mit dem Kühlwasser durch den Reaktorkern wurden die Teilchen aktiviert – also radioaktiv. Damit erhöhte sich das Strahlungsniveau des Dampfes, der durch die Hauptdampfleitungen strömt, im Vergleich zum normalen Strahlungsniveau vorübergehend um das Drei- bis Vierfache. Das automatische Notfallsystem reagierte. Das Sicherheitsgebäude wurde isoliert, die Mitarbeiter*innen mussten den Bereich umgehend verlassen. Gegen eine mögliche Überhitzung wurde der Sicherheitsbehälter mit Wasser besprengt und der Reaktor notabgeschaltet.
Umgehende Entwarnung
Auch in den deutschen Behörden wurde der Störfall offenbar sehr ernst genommen. Nur wenigen Stunden nach dem Vorfall wurde eine „Entwarnung“ vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Strahlenschutz an die Bevölkerung herausgegeben: Es bestehe keine Gefahr, Radioaktivität sei nicht in die Umgebung gelangt, man habe keine erhöhten Messwerte festgestellt. Betreiber TVO betonte, alle Sicherheitssysteme hätten „wie geplant gearbeitet“. Laut STUK habe „keine Gefahr bestanden“, dennoch hätten erste Anzeichen auf die Möglichkeit eines Unfalls hingedeutet. Daher seien die ergriffenen Maßnahmen gerechtfertigt.
Unter der Aufsicht der STUK habe der Betreiber in den vergangenen Tagen die Ursachen des Vorfalls untersucht und die erforderlichen Inspektionen und Wartungsarbeiten durchgeführt. Da das Containment mit Wasser besprengt wurde, könnten darin enthaltene Geräte und Systeme feucht geworden sein. Daher wurden sie, wie auch die Funktionen der Ventile im Sicherheitsbehälter, besonders sorgfältig überprüft, heißt es vom Betreiber. Mitte dieser Woche hat das STUK die Freigabe zum Wiederanfahren erteilt.
Die radioaktiven Substanzen werden während des Betriebs wieder aus dem Reaktorkühlwasser herausgefiltert. So entsteht in den Filtern ein kleines bisschen mehr Atommüll...
Standort sorgt für Schlagzeilen
In der Regel sind es aber nicht Störfälle in den beiden alten Reaktorblöcken, weshalb der Standort an der Westküste Finnlands immer wieder negative Schlagzeilen macht. 2005 wurde dort der Bau eines ersten "Europäischen Druckwasserreaktors" (EPR) begonnen, der eigentlich der Atomindustrie zum Durchbruch verhelfen und ein Vorzeigeprojekt werden sollte. Doch die Kosten explodieren immer weiter, die Inbetriebnahme verzögert sich. Derzeit heißt es, 2022 solle der kommerzielle Betrieb beginnen. Die Baukosten werden auf mehr als das Dreifache der ursprünglich genannten drei Milliarden Euro geschätzt. Vor wenigen Tagen haben die Aktionäre des finnischen Energieunternehmens TVO einem zusätzlichen Aktionärsdarlehen von 400 Millionen Euro zugestimmt.
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18.06.2018 - Die Bauverzögerung im finnischen Olkiluoto, wo nach Willen der Atomlobby ein „Vorzeige-AKW“ gebaut werden soll, beträgt nach einer Korrektur der Planungen mindestens ein Jahrzehnt. Zeit für einen Schlussstrich.
Quellen: heise.de, dpa, bmu.de, nuklearforum.ch