Womöglich war es erst mal der letzte Abtransport von Uranabfall aus der Anreicherungsanlage in Gronau mit Ziel Russland. Ein neues Rechtsgutachten und eine Blockadeaktion richten erneut den Fokus auf diese Müllexporte.
Mehr als 5 Stunden Zwangspause musste der Zug, beladen mit hunderten Tonnen abgereichertem Uranhexafluorid, vor einer Autobahnbrücke bei Münster einlegen. Höhenretter der Polizei räumten mithilfe eines Hubwagens die beiden Aktivistinnen, die sich abgeseilt hatten. Erst gegen 17.00 Uhr konnte der Zug seine Fahrt fortsetzen.
Nach Auskunft des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums handelt es sich bei dem heutigen Transport um den vorerst letzten einer Transportserie. „Das muss für immer der letzte bleiben“, fordern die Kletter-Aktivistinnen. „Wenn Urenco keine Lösung für den Müll hat, muss die Anlage stillgelegt werden.“
Mit jeder in Gronau angereicherten Tonne Uran, aus der Brennelemente für Atomkraftwerke hergestellt werden, entstehen etwa 5,5 Tonnen abgereichertes Uran. Für das gibt es in Deutschland so keine weitere Verwendung und es müsste eigentlich als Atommüll dauerhaft gelagert werden. NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) betonte Ende November vergangenen Jahres allerdings erneut, dass es sich „nach dem Atomgesetz (…) um einen sonstigen radioaktiven Stoff“ handle – und eben nicht um „Atommüll“. Die NRW-Landesregierung hatte bisher keine Bedenken gegen die Lieferungen. Der Betreiber der Anlage in Gronau, URENCO, spricht sogar von einem „Wertstoff“, der nach einer Behandlung in Russland neue Anwendung in Atomkraftwerken finden würde. In den letzten Jahrzehnten wurden so zehntausende Tonnen Uran nach Russland gebracht. Es handelt sich um einen langen Streit zwischen Gegner*innen und Befürworter*innen, denn der Export von Atommüll ist gesetzlich verboten. Aktivist*innen fanden heraus, dass ein großer Anteil des gelieferten Urans unbehandelt in Russland bleibt.
Gefahr von militärischem Missbrauch gegeben
Ein weiteres Argument gegen die Rechtmäßigkeit der Transporte liefert jetzt der Gutachter Dr. Bernhard Wegener von der Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag der Grünen. Das Risiko der militärischen Nutzung sei nicht ausgeschlossen, heißt es im Fazit seines Rechtsgutachtens. Die dennoch erteilte Genehmigung verstoße gegen die Russland-Sanktionen der EU bei der Exportgenehmigung nach Dual-Use-Verordnung und erscheine „daher mit Unionsrecht unvereinbar“, so Wegener. Das abgereicherte Uran könne zur Produktion uranhaltiger Munition verwendet werden.
Das Wirtschaftsministerium argumentiert hingegen, dass man die „ausschließlich zivile Endverwendung“ in Russland geprüft habe. Details dieser Prüfungen wollten die Grünen einsehen. Ende vergangener Woche wurde das aber mit Verweis auf „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse“ abgelehnt.
Aktivist*innen sprechen von einer „völlig neuen Spielebene - mit neuen Perspektiven, um den Uranmüllexport nach Russland endgültig zu stoppen.“ Ein Verstoß gegen EU-Sanktionen sei auch für die Bundesregierung keine Kleinigkeit und könne schnell internationale Verwicklungen hervorrufen.
„Angeblich soll dies ja der vorerst letzte Uranmülltransport gewesen sein - wir werden uns davon aber selbst überzeugen und in den nächsten Wochen und Monaten nach den üblichen Anzeichen Ausschau halten“, kündigt das Aktionsbündnis Münsterland an. „Denn wir alle wissen: Urenco und den Aufsichtsbehörden in Bund und Land ist nicht zu trauen.“
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Quellen: azonline.de, https://twitter.com/urantransport, blog.eichhoernchen.fr, tagesschau.de