Entgegen aller Kritik hat das Atommüll-Bundesamt nun doch den Weg für die Anlieferung von Castorbehältern aus der Wiederaufarbeitung in England frei gemacht. Bis zum Jahresende soll hochaktiver Abfall in das unsichere Zwischenlager Biblis gebracht werden.
Um 6.000 beteiligte Polizist*innen zu schützen, wurde der Castortransport im April abgesagt und verschoben. Ein Transport hätte „nach der Einschätzung der zuständigen Stellen eine zu hohe Gefahr mit sich getragen, dass sich die an dem Transport beteiligten Personen mit Covid-19 infizieren“, erklärte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Der „sofortige Vollzug“ der Genehmigung wurde im Mai dann auch suspendiert: Corona-bedingt ergebe sich „keine Eilbedürftigkeit mehr“, hieß es zur Begründung. Wegen der weiter vorherrschenden Pandemie-Situation in England und Deutschland wurde bisher nicht damit gerechnet, dass zeitnah eine Anlieferung der radioaktiven Hinterlassenschaften geplant ist.
Der Betreiber des Zwischenlagers in Biblis und Antragsteller, die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung BGZ, spricht nun von einem „neuen Rahmen für den Transport“, auf dessen Grundlage die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Genehmigung beantragt wurde. Es habe zwischenzeitlich „weitere Gespräche zwischen den mit der Durchführung des Transportes befassten Stellen, der durchführenden Unternehmen und mit Vertretern der britischen Regierung“ gegeben, berichtet das BASE und kommt zur Einschätzung: Der Castor kann rollen!
Transport im Herbst
Die Behälter stehen fertig beladen im britischen Sellafield. Die im Februar erlassene Transportgenehmigung gilt bis Jahresende 2020. In einem Schreiben an die BGZ schreibt die BASE, dass der neue Beförderungstermin „inzwischen verbindlich für Herbst 2020 festgelegt“ worden sei. Es kann also sein, dass der Transport in wenigen Wochen durchgeführt werden soll!
Es ist davon auszugehen, dass an der geplanten Transportroute über den Hafen von Nordenham festgehalten wird und der hochradioaktive Müll anschließend per Schiene ins hessische Biblis gebracht werden soll.
Kritik abgewiesen
Wegen zahlreicher Sicherheitsmängel hatte der BUND Hessen Klage gegen die Einlagerung der Atomabfälle eingereicht. Die umfassende Kritik wurde kürzlich mit einer Studie untermauert: Der Abfall werde sich noch sehr lange in unzureichend geschützten Zwischenlagerhallen befinden – und die Politik verschleppt das Problem. Das BASE bekräftigt in seinem Schreiben an die BGZ, dass diese Kritik – und damit eine aufschiebende Wirkung - „nicht mehr vorliegt“, weil „öffentliches und privates Interesse“ überwiegen.
Der BUND Hessen hat angekündigt, gegen die jetzt wieder erteilte Anordnung des sofortigen Vollzuges der Genehmigung rechtlich vorzugehen. Der Aufruf zu Protest gegen eine sinnlose Atommüllverschiebung in unsichere Zwischenlagerhallen kommt auch von dem Bündnis "Castor stoppen", das jetzt wieder in die konkrete Planung von Aktionen einsteigen wird.
- Infos: castor-stoppen.de
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Quellen: base.bund.de, castor-stoppen.de