Uranabbaugegner Günter Wippel über den Kampf gegen die Uranindustrie, das Unwissen um die Folgen des Uranabbaus und die unerfreuliche Rolle der EU, speziell in Afrika
Günter Wippel, Du hast Ende der 1980er-Jahre erstmals vom Uranbergbau betroffene Menschen aus Kanada, Australien und den USA nach Deutschland geholt, damit sie hier von ihrer Situation berichten. Wer hatte das Thema da auf dem Schirm?
So gut wie niemand. Den meisten war überhaupt nicht bewusst, dass in der BRD rund 3.500 Tonnen Uran pro Jahr verbraucht wurden, was beim Abbau das Zehn- bis Hundertfache an Abraum hinterlässt. Und selbst Leute aus dem grünen Milieu waren überrascht, welche katastrophalen Folgen der Uranabbau hat.
Was waren Eure Forderungen?
Die Rechte der Indigenen Völker und der Anwohner*innen zu respektieren und die Umwelt zu schützen. Und natürlich ein Ausstieg aus der Atomkraft. Wir haben den Zusammenhang zwischen Uranbergbau und AKWs hergestellt: Eins geht nicht ohne das andere.
Das letzte Uranbergwerk in Deutschland schloss in den 1990er Jahren, das gigantische Uran-Abbaugebiet in Ostdeutschland wird seit Jahrzehnten saniert. Wie arbeitet man als Initiative von hier aus noch gegen Uranabbau?
Unsere Arbeit war von vorneherein international ausgerichtet, unser Ansatz vor allem, Aufklärung zu betreiben – hier und vor Ort. Denn die Leute in den Abbauregionen wussten häufig sehr wenig über die Gefahren. Zudem standen sie unter erheblichem Druck und Einfluss der Uranindustrie, Stichwort Arbeitsplätze und so.
Was hat sich seither geändert?
Mit der Uranpreisspitze 2007/2008 haben viele Uranfirmen begonnen, in Afrika nach Uran zu suchen. In den letzten Jahren waren wir deshalb dort stark aktiv. In fast jedem Land gab es Exploration. Inzwischen ist der Uranpreis wieder gefallen und es hat sich wieder etwas gelegt. Viele Uranfirmen sehen die Zukunft des Uranbergbaus aber weiterhin in Afrika.
Warum?
In Ländern wie Kanada und Australien gibt es – nicht zuletzt wegen der vielen Proteste – aus ihrer Sicht inzwischen zu viele Umweltvorschriften. In Afrika dagegen läuft das in manchen Ländern noch als „self regulating industry“. Und der Wissensstand der Bevölkerung ist ungefähr so, wie er in Kanada 1980 war: Die Menschen wissen in aller Regel überhaupt nicht, was auf sie zukommt. Gefahr droht ihnen ja nicht nur durch die Radioaktivität, sondern auch dadurch, dass sie ihr Land verlieren – die sozialen Folgen sind enorm. Die Regierungen wiederum erhoffen sich vom Uranabbau Entwicklung und Geld. Das nutzen die Bergbaufirmen schamlos aus.
Welche Rolle spielt die EU?
Eine sehr unerfreuliche. Im südlichen Afrika ist sie aktiv, angeblich um „nuclear safety“ zu promoten. Konkret hilft sie etwa Tansania bei der Gesetzgebung – um zu ermöglichen, dass da überhaupt Uranabbau stattfinden kann. Letztlich ist dieses Engagement Propaganda für Atomkraft und Uranabbau. Eine von der EU finanziertes kasachisches Institut organisiert Workshops und Konferenzen, es gab Besuche im geplanten finnischen Atommülllager und sie haben sogar eine Jugendorganisation „African Young Generation in Nuclear“ aus der Taufe gehoben. Sie wollen den Leuten Atomkraft schmackhaft machen.
Kann man auch in Deutschland selbst Einfluss nehmen?
AKW abschalten – das verringert den Uranverbrauch! Ansonsten sind die Einflussmöglichkeiten eher indirekt: die Rechte indigener Völker und die Menschenrechte stärken, Erneuerbare Energien fördern. Und eben Gruppen und Organisationen vor Ort, die sich kritisch mit den Uranprojekten auseinandersetzen, unterstützen und mit wissenschaftlich sauberen, aber leicht verständlichen Informationen versorgen. Das war und ist unser Ansatz als kleine Gruppe, aber mit weltweiten Kontakten zu Nicht-Regierungs-Organisationen, Betroffenen und Expert*innen im Bergbau- und Strahlenschutzbereich.
Und das hat Erfolg?
Manchmal schon. In der Region Bahi etwa, nahe der tansanischen Hauptstadt Dodoma, wurde die jahrelange Uranexploration durch zwei australische Unternehmen 2014 eingestellt – auch aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung: Die tansanische Atomenergie-Kommission musste einräumen, dass die Unternehmen keine „social license“ für den Uranabbau bekommen hätten.
„Social licence“?
Die Bevölkerung hat den Uranabbau abgelehnt. Und das geht natürlich auch auf die Aufklärung und Proteste der regionalen Nichtregierungsorganisationen zurück.
Interview: Armin Simon
uranium-network.org
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