Es ist schon viele Jahre her, da sorgte die Meldung, dass so genannte „CSD-Kokillen“ in das Zwischenlager Ahaus gebracht werden sollen, für Unmut. Die Geschichte um diese Atomtransporte ist ein Ausschnitt aus dem ganzen perspektivlosen Atommüll-Desaster, das immer teurer wird.
Deutschland hat sich gesetzlich verpflichtet, seinen Atommüll langfristig im eigenen Land zu lagern. Zwischen den 1970er Jahren bis 2005 wurden verbrauchte Brennelemente aus hiesigen Reaktoren in die ausländischen Plutoniumfabriken nach Frankreich und England transportiert. Dort extrahierte man unter dem Deckmantel des „Recyclings“ das atomwaffentaugliche Plutonium, um daraus neue Brennstäbe (sog. MOX) zu basteln. Nebenbei wurde die Umwelt verseucht und ein großer Haufen hoch-, mittel- und schwachaktiver Atommüll hinterlassen. Der hochradioaktive Müll rollte maßgeblich bis 2011 in den „Castor-Transporten“ in das Zwischenlager Gorleben. Übrig blieben in der WAA u.a. zu Kokillen verpresste Strukturteile der abgebrannten Brennelemente, die als mittelaktiver Atommüll eingestuft werden.
CSD-Kokillen – ein Beispiel für das ganze Atommüll-Desaster
Vor fast 14 Jahren wurden der Öffentlichkeit dann diese „neue Atommüllpläne“ bekannt: Die sogenannten „CSD-Kokillen“ sollten ab 2009 aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in das Zwischenlager in Ahaus rollen, berichtete „die tageszeitung“ am 15.9.2006. Von „270 Großbehältern“ war die Rede. „Wir gehen davon aus, dass die Transporte der 6.900 CSD-C Kokillen in den Jahren 2009 bis 2011 stattfinden“, kündigte damals der Pressesprecher des Bundesamt für Strahlenschutz an. Die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ ging von 32 „besorgniserregenden“ Transporten aus und kritisierte die mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit von Betreibergesellschaft und NRW-Landesregierung als „Skandal“. Am 20.12.2006 wurde dann sogar die Aufbewahrungsgenehmigung für Ahaus beantragt.
Im November 2007 war dann die Rede von „speziellen Transport- und Lagerbehältern vom Typ TGC 36“, die den als „schwach- und mittelaktiv“ deklarierten Atommüll nach Deutschland zurückbringen sollten. Ende 2009 wurde die geplante Anlieferung auf „voraussichtlich ab 2015“ verschoben. Im November 2013 hieß es, dass „in den kommenden drei Jahren“ insgesamt 113 Container mit schwach- und mittelaktiven Atomabfällen in 30 Transporten nach Ahaus gebracht werden sollten.
Spezialbehälter war zu schwer
Laut einer aktuellen Meldung im Spiegel vom 7. August ist Deutschland laut eines mehr als zehn Jahre alten Abkommens „eigentlich verpflichtet“, den Atommüll in nun 152 Behältern vom Typ „TGC-27“ bis spätestens 2024 zurückzuholen. Es gibt aber laut einer Antwort der Bundesregierung Probleme bei der Entwicklung des Spezialbehälters, weil sich der ursprünglich geplante Behälter als „zu schwer für bestimmte Transportkräne“ erwiesen habe.
Felix Ruwe, Sprecher der BI Ahaus weiß genauer: Der Hallenkran im Zwischenlager Ahaus kann maximal 140 Tonnen heben. Der „TGC-36“ für 36 Kokillen wiegt leer 118 Tonnen plus einem Einzelgewicht pro zugeladener Kokille von fast einer Tonne. „Damit wäre der Hallenkran in Ahaus völlig überlastet“, so Ruwe. Er habe damals schon das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Von dort hieß es, dass „die Franzosen nur leichte Kokillen in die Behälter packen“. Der TGC-36 verschwand allerdings von der Bildfläche und die Entwicklung des TGC-27-Behälters wurde angekündigt.
Verantwortlich für die Behälterentwicklung ist die deutsche Gesellschaft für Nuklear-Service GNS. Der französische Atomkonzern Orano hätte wohl mit dem „TN-85“ einen passenden Behälter für den Kokillentransport verfügbar, der eigentlich für hochaktive Abfälle eingesetzt wird. Weil dieser Behälter aber wegen des eigentlich dafür vorgesehenen brisanteren Inventars weitreichendere Schutzziele einhalten muss, ist er kleiner – und teurer. Zu teuer, findet die GNS offenbar. Stattdessen will das Joint-Venture der deutschen Atomkonzerne mit dem „TGC-27“ einen eigenen Behälter entwickeln. Der erste „TGC-27“ könne laut Spiegel allerdings „erst Mitte der Zwanzigerjahre“ produziert werden. Die Bundesregierung schätzt nun, dass das radioaktive Material deshalb erst „Mitte der Vierzigerjahre“ komplett ins Zwischenlager Ahaus überführt ist, auch weil mit Protesten gerechnet wird.
Diese neue Situation sollte die deutsch-französischen Beziehungen belasten, denn es geht um eine Menge Geld: In La Hague müssten wegen des deutschen Atommüllstaus womöglich die Zwischenlager ausgebaut werden, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Es sei „nicht ausgeschlossen, dass die Franzosen Anspruch auf finanzielle Entschädigung erheben.“ Eine Übernahme durch den deutschen Steuerzahler weist die Regierung immerhin zurück - doch letztlich ist sie als Vertragspartner in der Pflicht.
Und plötzlich überhaupt keine Eile mehr?
Bei Atommüll gilt: Sorgfalt vor Eile! Doch wer wie die deutschen Behörden bei der Suche nach einem Atommülllager immer wieder „Transparenz“ verspricht, der sollte auch in anderen Bereichen mit offenen Karten spielen. Die staatlichen Behördenvertreter*innen und AKW-Konzerne betonten vor jedem der umstrittenen Transporte nach Gorleben, dass Deutschland völkerrechtlich verpflichtet sei, seinen Atommüll zurückzunehmen. Ein längerer Verbleib des Mülls im Ausland sei „nicht zugelassen“. Deswegen rollten die Atomzüge nach Gorleben. Im April 2020 sollten nach acht Jahren Pause erstmals wieder Castoren transportiert werden, nicht nach Gorleben, sondern in das Zwischenlager am AKW Biblis. Das für die Genehmigung zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) sprach von „Eilbedürftigkeit“ und beantragte einen „Sofortvollzug“.
Und plötzlich ist von „Eile“ keine Rede mehr. Was immerhin eine langjährige Forderung erfüllt: Atomkraftgegner*innen betonen immer wieder, dass ein sinnloser „Atommülltourismus“ gestoppt werden muss. Es braucht erst eine tatsächliche Perspektive, wohin der Müll am Ende gebracht werden kann. Zu groß sind die Risiken bei jedem erneuten Transport etwa durch einen Anschlag oder Unfall.
In Ahaus erwartet den Müll dann die nächste Herausforderung: Das Zwischenlager für die Castoren ist nur bis zum Jahr 2036 genehmigt. „Also sollten sich die Absender dieser Rückstände aus der Wiederaufarbeitung darauf einrichten, dass sie auch diesen Müll in ihren Lagern aufnehmen müssen“, kündigt Felix Ruwe an.
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Quellen: spiegel.de, energiezukunft.eu, umweltfairaendern.de, bi-ahaus.de, taz.de, contratom.de