In Lingen befindet sich Deutschlands einzige Fabrik zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke. Beliefert werden zahlreiche Meiler in Europa. Doch hergestellt wird in den letzten Monaten fast nichts.
In der Printausgabe der „Lingener Tagespost“ erschien am 8. Juli eine Anzeige des Anlagen-Betreibers Advanced Nuclear Fuels (ANF), der zum französischen Energiekonzern Framatome gehört. Dort heißt es, dass im Juni 2020 ganze zwei Brennelemente hergestellt und „für Kunden in Westeuropa“ ausgeliefert worden seien.
Nach einer (umstrittenen) Kapazitätserweiterung Ende 2009 hat die Anlage die Genehmigung für einen Uranpulverdurchsatz in der Trockenkonversion (ein Herstellungsschritt) von 800 Tonnen pro Jahr, der Uran-Durchsatz in den Bereichen der Brennelementfertigung darf maximal 650 Tonnen pro Jahr betragen. Laut einer Info-Broschüre aus dem Jahr 2014 kann ANF so „circa 1.500 Brennelemente pro Jahr für Druckwasser- und Siedewasserreaktoren weltweit“ fertigen, 2009 waren es über 1.600 Stück. Nach der Vergrößerung der Anlage betrug die jährliche Auslastung im Jahr 2013 nur 39 Prozent, in 2014 immerhin 45 Prozent.
Atomkraftgegner*innen haben nun recherchiert: Normalerweise lag in den letzten Jahren die Anzahl der monatlich ausgelieferten Brennelemente (BE) zwischen 40 und 200. Im Zeitraum Januar bis Juni 2019 wurden insgesamt 545 BE ausgeliefert, im selben Zeitraum 2020 waren es „nur“ noch 304. Die betriebswirtschaftlich gesehen schon „grottenschlechte Auslastung“ ist jetzt also nochmal um knapp 50% eingebrochen. Mit Sicherheit ist das auch um eine Folge der Corona-Pandemie, doch bei diesen extrem niedrigen Produktionszahlen handelt es sich um einen „Trend“, attestieren Atomkraftgegner*innen.
„Ganz offensichtlich ist die Verstromung von Uran nicht mehr zeitgemäß“, so Alexander Vent vom Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner*innen im Emsland.
Allein in Deutschland hat nämlich der Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Stromproduktion in diesem Jahr bereits ca. 60 Prozent erreicht und der Anteil der Stromerzeugung aus Atomkraft sank kontinuierlich von einst über 30% auf inzwischen „nur noch“ rund 12%.
Bei den katastrophalen Produktionszahlen im Lingener Werk fällt es schwer „zu verstehen, warum sich viele noch an dieser veralteten und umwelt- und zukunftsfeindlichen Technologie festkrallen“, so Vent. Die Atomkonzerne ANF/EdF/Framatome/RWE & Co sollten jetzt „einfach mal loslassen und ihre Anlagen endlich abschalten!“
Lingener Resolution
Während alle Atomkraftwerke in Deutschland bis Ende 2022 abgeschaltet werden müssen, hat das Brennelementewerk eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Das stehe im Widerspruch zu einem Atomausstieg, betonen Kritiker*innen seit Jahren und untermauern ihren Protest immer wieder mit Blockaden der Werkszufahrten. Zudem beliefert die Fabrik alte Atomkraftwerke in Europa, deren Weiterbetrieb selbst von der Bundesregierung kritisiert wird. Trotzdem werden neue Lieferung dorthin genehmigt.
Bereits mehr als 350 Initiativen, Verbände und Parteigliederungen aus der Bundesrepublik, aus Belgien und aus den Niederlanden fordern zudem mit der „Lingen-Resolution“ die sofortige Stilllegung der Brennelementefabrik und des Atomkraftwerks in Lingen.
„Mit der Unterzeichnung der Lingen-Resolution können Organisationen im Emsland, aber auch aus anderen Regionen, schnell und einfach verdeutlichen, dass der Weiterbetrieb der Atomanlagen in Lingen nicht hinnehmbar ist“, betont Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau und Vorstand des Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
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Quellen (Auszug): PM AgiEl, Framatome, atommuellreport.de