Im norwegischen Halden wurde an Brennstoffen für Atomkraftwerke geforscht. Nach der Stilllegung des dortigen Reaktors wurde bekannt, dass jahrelang bewusst Messergebnisse gefälscht wurden. Das hat möglicherweise Auswirkungen auf den Betrieb von AKWs weltweit.
Norwegen besitzt keine AKWs zur Stromerzeugung. Es gab mal Planungen, aber nach dem schweren Störfall im US-AKW Harrisburgh 1979 wurden sie aufgegeben. Doch in Halden, im Südosten des Landes, nur wenige Kilometer von der schwedischen Grenze entfernt, wurde zwischen 1958 und 2018 ein Forschungsreaktor betrieben. Insgesamt hatte das Land laut der Research Reactor Database der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vier kleine Meiler, von denen Halden mit 25 Megawatt der mit Abstand größte war. Allesamt sind heute stillgelegt bzw. abgebaut.
Die IAEO beschreibt den Forschungsschwerpunkt in Halden mit „Fuel & Core Material Performance Studies“: Es wurden dort verschiedene Brennstoffe getestet, im Fokus dabei waren zum Beispiel die Korrosionsbeständigkeit oder Langlebigkeit der Brennelemente. Somit haben die Ergebnisse der Tests eine unmittelbare Auswirkung auf den Betrieb der „großen Reaktoren“, in denen der Brennstoff dann zum Einsatz gekommen ist.
Whistleblower berichtet von bewussten Fälschungen
Halden wurde im Juni 2018 nach 60 Betriebsjahren stillgelegt, es handelte sich damals um den ältesten schwerwassermoderierten Siedewasserreaktor der Welt. Im Jahr nach dem Betriebsende meldete sich ein „Whistleblower“ beim Betreiber. Er warnte, dass es zwischen 1990 und 2005 zu „Fehlverhalten“ gekommen sei: Bei Versuchen, mit deren Hilfe das Verhalten verschiedener Brennelemente in einem laufenden Reaktor untersucht wurde, seien Messwerte gefälscht worden. Es soll sich um „bewusste Fälschung durch das Personal“ gehandelt haben, die möglicherweise vom Institut gedeckt worden sind. Tatsächlich ermittelte Daten seien verändert oder etwa durch einen geänderten Versuchsaufbau angepasst worden – damit die Ergebnisse den Vorstellungen der Auftraggeber*innen entsprechen konnten. Der Betreiber, das norwegische Institut für Energietechnologie (IFE), hat in den vergangenen Jahrzehnten für Behörden und Firmen in mindestens 19 Staaten gearbeitet.
„Was Kunden in den von ihnen bestellten Rapporten geliefert wurde, entsprach mehrfach nicht dem, was die Tests tatsächlich ergeben hatten“, so Nils Husby, inzwischen Chef des norwegischen Instituts für Energietechnologie (IFE).
Die Manipulationen seien dann erfolgt, wenn die Forscher*innen auf „unerwartete Probleme“ gestoßen seien oder „die Zeit zu knapp wurde, um Forschungsarbeiten korrekt abschließen zu können“, habe der Whistleblower berichtet. Das IFE warnt nun vor „potenziellen Sicherheitsproblemen bei den Bestellern der Forschungsarbeiten“. Derzeit sei allerdings noch unklar, welche Tragweite dieser Skandal habe. Man „wisse noch nicht, wofür die Testergebnisse in der weltweiten Atomkraftindustrie verwendet worden seien“, so IFE-Chef Husby. Diese Manipulationen könnten „sowohl sicherheitsmäßige Risiken wie ökonomische Konsequenzen“ mit sich bringen, warnt er. Man habe deswegen die Staatsanwaltschaft informiert.
„Es ist doch klar, dass manipulierte Daten die Sicherheit gefährden können, wenn anhand solcher Forschungsresultate Entscheidungen über den Betrieb der Reaktoren getroffen werden“, warnt Frederic Hauge, Präsident der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona.
Die Manipulationen seien „geplant, wohlüberlegt und gründlich verschleiert“ gewesen, so Kristin Elise Frogg von Norwegens staatlicher Strahlenschutzbehörde. „Wir nehmen diese Sache außerordentlich ernst“, so Frogg. Die Atomaufsichtsbehörden der betroffenen Länder seien bereits informiert worden, damit „eventuelle Konsequenzen der Betrügereien überprüft werden könnten“.
Doch was genau passiert ist, welche Länder und Reaktoren betroffen sind, wird die Öffentlichkeit vermutlich nie erfahren: Der Inhalt der Verträge unterliegt Geheimhaltungsklauseln.
Umweltschützer*innen forderten schon in den 1990er Jahren, den Betrieb des Uralt-Reaktors zu beenden. Während des Betriebs gab es dort mehrere Störfälle, radioaktives Gas trat aus, auch das Kühlsystem war pannenanfällig. Die Aufsichtsbehörde bemängelte die Sicherheitskultur.
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Quellen (Auszug): taz.de, deutschlandfunk.de, iaea.org, de.wikipedia.org