Atommüll: Kritik an Belgiens Standortsuche

22.05.2020 | Jan Becker

Lauter Protest kam aus Luxemburg, an dessen Landesgrenze sich einige der Regionen befinden, in denen Belgien möglicherweise künftig seine hochradioaktiven Abfälle lagern will. Zwei der vorgeschlagenen Orte befinden sich auch nahe der deutschen Grenze, wo sich ebenfalls Widerstand formiert.

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Pläne für belgisches Atommüllager: Regionen an der deutschen Grenze

Mitte April hat die belgische Regierung sieben Regionen benannt, die auf ihre Eignung als langfristiges, unterirdisches Atommülllager untersucht werden sollen. Mehrere der benannten Regionen befinden sich an der Grenze zu Luxemburg. Zwei Standorte liegen im deutsch-belgischen Grenzgebiet, 30 Kilometer westlich von Aachen und nahe des „Hohen Venns“. Die in Belgien für die Atommülllagerung zuständige Firma Ondraf/Niras hat die Öffentlichkeit aufgerufen, sich bis zum 13. Juni zu diesen Pläne zu äußern.

Nach der Veröffentlichung kam scharfer Protest aus Luxemburg. Umweltministerin Carole Dieschbourg war sauer, dass die Bürgerbefragung inmitten des Corona-Ausnahmezustands kommt. Außerdem seien grenzüberschreitende Risiken nicht beachtet worden, das sei „regelrecht skandalös“. Die luxemburgische Regierung wolle sich „entschieden zur Wehr setzen“, die Bevölkerung solle „mitmachen und Beschwerden an die Belgier schicken“. Luxemburg werde sich „auf allen Ebenen wehren“, so Dieschbourg in einer Video-Pressekonferenz.

Regionen nahe der deutschen Grenze vorbelastet

In der in den Plänen benannten Region „Plateau von Herve“, die sich 30 Kilometer westlich von Aachen befindet, regt sich schon seit Jahren Widerstand gegen Atomkraft. Nicht weit entfernt steht nämlich der belgische Pannenmeiler Tihange. Diese Reaktoren sorgen wegen Rissen in den Reaktoren für Schlagzeilen – und erhebliche Proteste für deren umgehende Stilllegung.

In der Nähe des zweiten Standortes bei Malmedy, keine 50 Kilometer südlich von Aachen, gab es vor 26 Jahren schon einmal Pläne, ein Atommülllager für schwach radioaktive Abfälle zu errichten. Es gab damals massive Proteste, am 4. September 1994 nahmen etwa 10.000 Menschen an einer Kundgebung unter dem Slogan „A.M.E.L. Nein“ teil. Das Lager wurde verhindert.

„Schulterschluss“ gegen Atommüll-Pläne

Politiker*innen unter anderem aus der Region um die Stadt Monschau, direkt an der belgischen Grenze gelegen, wollen nun gemeinsam mit betroffenen Gemeinden in Ostbelgien mithilfe einer Resolution „Widerstand gegen die Pläne kundtun“. Ein Atommülllager gefährde „die touristische Entwicklung im Eifel-Ardennen-Raum ebenso wie die Gesundheitspolitik und die Bemühungen um den Landschaftsschutz“, heißt es. Anders als beim Betrieb des Atomkraftwerks sei man sich „in dieser Frage einig“. Doch auch die Informationspolitik der NERAS wird kritisiert: Die Pläne sind eher zufällig an die Öffentlichkeit gelangt.

Die belgische Umweltministerin Marie-Christine Marghem nannte den Aufruf aus Luxemburg eine „schädliche Desinformationskampagne“ und sprach von einem „ernsten diplomatischen Zwischenfall“: Ihr Land habe weder konkrete Standorte benannt noch die Technik, mit der der Atommüll gelagert werden solle...

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Quellen (Auszug): brf.be, wochenspiegellive.de, grenzecho.net, de.wikipedia.org

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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