Spanien: Laufzeitverlängerung „durch die Corona-Hintertür“

13.05.2020 | Jan Becker

Ohne größere Debatte in der Öffentlichkeit sollen zwei uralte spanische Reaktoren viele weitere Jahre am Netz bleiben. Atomkraftgegner*innen sind entsetzt und warnen vor der „völlig unsicheren und gefährlichen Betriebsphase“.

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Atomkraftwerke in Spanien

Die beiden Druckwasserreaktoren Almaraz-1 (Inbetriebnahme 1981) und Almaraz-2 (Inbetriebnahme 1983) gehören zu den ältesten Meilern im Land. Beide sollten eigentlich schon 2010 endgültig vom Netz gehen. Die schwere Wirtschaftskrise 2008 bescherte dem Meiler allerdings eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre.

Pedro Sánchez, seit Mitte 2018 Ministerpräsident, sicherte mit seiner Wahl die Abschaltung alter Meiler zu. Dessen Umweltministerin kündigte an, dass kein Atomkraftwerk länger als 40 Jahre laufen werde, weil sie dafür längstens ausgelegt seien. Ende März 2019 verständigten sich dennoch die großen spanischen Stromerzeuger und gemeinsame Almaraz-Eigentümer*innen Iberdrola, Naturgy und Endesa darauf, eine Laufzeitverlängerung um weitere zehn Jahre zu beantragen.

Es hagelte daraufhin Kritik von Umweltschutzorganisationen. Die Gewerkschaft CGT bezeichnete das Kraftwerk als das „obsoleteste und damit gefährlichste“. Das Nachbarland Portugal, selbst aus Überzeugung atomstromfrei, formulierte immer wieder Proteste. Einstimmig forderte dessen Regierung Mitte 2016 von Spanien, den Abschalttermin 2020 einzuhalten. Die Anti-Atom-Bewegung berichtete zudem von vertuschten Störfällen und dass Radioaktivität entwichen sei. Im Kühlsystem habe es mehrere Defekte geben. Inspektoren warnten Anfang 2016 vor Serienfehlern in Pumpen, die zur Kernschmelze führen könnten. Die Atomaufsicht würde „mehr nach politischen als nach technischen Kriterien“ handeln, mahnten Kritiker*innen an. Im Juni 2016 demonstrierten 2.000 Menschen in der Stadt Cáceres gegen den Weiterbetrieb des AKW.

Atomkraftgegner*innen sind entsetzt

Doch entgegen aller Bedenken und politischer Zusicherungen hat die spanische Atomaufsicht nun ein positives Gutachten für die Betriebsverlängerungen vorgelegt - und damit wohl grünes Licht für den Weiterbetrieb gegeben. Während die Betreiber schließlich „kein Interesse an der Abschaltung der Gelddruckmaschinen“ hätten, sei die Beurteilung auch „im Sinne der Regierung und des Industrieministeriums ausgefallen“, heißt es von Kritiker*innen. Die Landesführung argumentiert für einen Weiterbetrieb der AKW zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele. Weil sich Spanien in der Dauerkrise befindet, hängt der weitere Ausbau von umweltfreundlichen Alternativen im einstigen Vorreiterland der erneuerbaren Energien weit hinter den versprochenen Plänen zurück.

Die in Spanien verhängten Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Corona-Virus waren weitreichender als die in Deutschland. Entsprechend dominant ist das Thema in der Öffentlichkeit vertreten, derzeit reden alle nur vom Öffnungsprozess nach der strikten Ausgangssperre. Atomkraftgegner*innen sind entsprechend „entsetzt“: Diese Laufzeitverlängerung sei „durch die Corona-Hintertür“ durchgewunken worden.

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Quellen (Auszug): taz.de, tagesspiegel.de; 11.5.2020

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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