Tschernobyl: Eine teure Hypothek

29.04.2020 | Jan Becker

Anlässlich des 34. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag des Öko-Energieanbieters Greenpeace Energy die Folgekosten des GAUs allein für Deutschland berechnet.

Reaktor-Ruine mit Sarkophag in Tschernobyl 2011
Foto: Alexander Tetsch
Reaktor-Ruine von Tschernobyl, noch ohne neue Umhüllung

Der GAU ist nie vorbei, warnen Atomkraftgegner*innen immer wieder hinsichtlich der radioaktiven Strahlung. Deren Zerfall verläuft so langsam, dass 30 Jahre nach der Freisetzung noch die Hälfte des Cäsiums-137 in der Umwelt existiert. Das ist gerade jetzt wieder ein ernsthaftes Problem, weil der Wald um die Reaktorruinen brennt. Damit werden in der Natur gebundene radioaktive Partikel freigesetzt.

Doch auch die finanziellen Folgen sind gigantisch: Weltweit hat der Atomunfall in der Ukraine Folgekosten von umgerechnet 646 Milliarden Euro verursacht. Allein Deutschland tätigt jährlich Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe wegen der Folgen des GAUs: 2020 waren es nach Angaben des FÖS etwa 43 Millionen Euro. Insgesamt habe uns die Atomkatastrophe bislang mehr als eine Milliarde Euro gekostet.

Entschädigungen und neue Schutzhülle

Die Tschernobyl-Folgekosten setzen sich laut FÖS aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. So wurde beispielsweise als Reaktion auf Tschernobyl in Deutschland ein nationales Messsystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität installiert, außerdem wurden Entschädigungen an Land- und Jagdwirtschaft sowie an Molkereibetriebe wegen verstrahlter Lebensmittel gezahlt. Richtig teuer ist der nötige Bau einer neuen Schutzhülle um den zerstörten Reaktor geworden, Deutschland beteiligte sich direkt an diesem „weltweit größten beweglichen Bauwerk“ mit 156 Millionen Euro und über seinen EU-Anteil noch einmal mit 265 Millionen Euro. Die Gesamtkosten der mehr als 36.000 Tonnen schweren Konstruktion, die nun 100 Jahre vor einer Freisetzung der Radioaktivität im Innern schützen soll, betrugen zwei Milliarden Euro.

„Tschernobyl ist auch nach Jahrzehnten noch immer eine teure Hypothek, die die ökologischen und finanziellen Risiken der Atomkraft offenlegt“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy.

Kürzlich hieß es in den Medien, dass Deutschland der Ukraine Unterstützung im Kampf gegen die Waldbrände geschickt habe. Es sei „Spezialmaterial im Wert von 230.000 Euro“ zur Verfügung gestellt worden. Damit steigen die Ausgaben für die Folgenbekämpfung des GAUs weiter an.

Gigantische Folgekosten

In einer Tabelle hat die Tagesschau 2014 die Kosten zahlreicher Atomunfälle zusammengetragen. Die beiden Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima führen diese Liste mit Abstand an. Fukushima wird laut Expertenschätzungen der „größte Schaden aller Zeiten“: Die Tagesschau nannte vor sechs Jahren noch Kosten von 260 Milliarden Euro, doch diese explodieren. Laut einer Einschätzung der japanischen Regierung von 2016 werden sie „künftig auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr steigen“, das zeitliche Ende ist völlig offen. Allein der Rückbau der Atomruine soll etwa 180 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: Der Jahreshaushalt der Bundesrepublik Deutschland beträgt etwa 350 Milliarden Euro.

„Atomkraft bleibt gefährlich“, bekräftigt Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital in einer Videobotschaft zum Tschernobyl-Jahrestag. „Wir brauchen keine Energieform, die uns und zukünftige Generationen mit sehr vielen Problemen belastet.“

weiterlesen:

  • Tschernobyl - 34 Jahre nach dem GAU: Der radioaktive Wald brennt
    Das Risiko nach einem Super-GAU ist nie vorbei - zumindest nach realistischer, menschlicher Zeitrechnung. Das zeigt sich jetzt in Tschernobyl, wo unkontrollierte Waldbrände herrschen. Am 26.04. jährt sich die Katastrophe zum 34. Mal.

  • Ein Atomunfall und seine Folgen
    Von den Anfängen der Atomkraft bis heute kam und kommt es in Atomkraftwerken und anderen Atomanlagen immer wieder zu schweren Unfällen mit zum Teil katastrophalen Auswirkungen. Die folgende Liste ist nur eine kleine Auswahl.

Quellen (Auszug): greenpeace-energy.de, welt.de, greenpeace.de, tagesschau.de, sueddeutsche.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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