Asse-2: Bergung des Atommülls ab 2033

02.04.2020 | Jan Becker

„Alles soll raus“, heißt es seit mehr als zehn Jahren. Doch aus dem havarierten Atommülllager Asse-2 bei Wolfenbüttel ist bisher kein einziges Fass mit schwach- oder mittelaktivem Abfall geborgen worden. Das wird auch noch eine Weile so bleiben, bekräftigt jetzt der Betreiber.

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Zwischen 1967 und 1978 wurden in dem früheren Salzbergwerk rund 126.000 Fässer Atommüll, darunter auch 28 Kilogramm extrem giftiges Plutonium, versenkt. Offiziell zu „Versuchszwecken“ wurden Gebinde auch so abgekippt, dass die Fässer geborsten sind und sich der Inhalt mit dem Salz zu einer radioaktiven Brühe vermischt hat. Täglich sickern bis zu 20.000 Liter Wasser in die instabile Grube, müssen aufwendig aufgefangen und abgepumpt werden. „Die Asse säuft ab“, schreibt auch der Betreiber, die staatseigene Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE). Die Zukunft der Asse könne „nicht vorhergesagt werden“. Grundsätzlich ist unklar, wie lange die Grubenstruktur noch hält und wie es genau in den Atommüllkammern aussieht bzw. was sich genau darin befindet. Alles Voraussetzungen für eine Rückholung des Atommülls. Ein Spiel auf Zeit - mit großem Risiko also. Parallel werden deshalb für das „Worst-Case-Szenario“, ein Teileinsturz etwa, Pläne entwickelt, wie die Grube mit Beton geflutet werden kann.

Gesetzlicher Auftrag: Räumung!

Bleibt der Atommüll in der Asse, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Radioaktivität irgendwann - und dieser Zeitraum ist auch unklar - ins Grundwasser gelangt und damit eine ökologische Katastrophe in der ganzen Region anrichtet. Deshalb wurde vor über zehn Jahren beschlossen, das Bergwerk zu räumen. Alle Fässer sollen wieder raus, so das politische Versprechen. Daraus resultierte sogar ein gesetzlicher Auftrag, dem die BGE nach eigenem Bekunden nachkommen will.

Ende letzter Woche hat die BGE dafür der Öffentlichkeit ein lang erwartetes, erstes „Rückholkonzept“ vorgestellt. Sehr anschaulich wird in bunten Bildern u.a. ein „Tripod-Bagger“ gezeigt, mit dessen Hilfe der Atommüll ferngesteuert geborgen werden soll. Auf knapp 150 Seiten, die nun „der Diskussion mit allen Beteiligten“ dienen sollen, werden als Eckpunkte des weltweit einmaligen Vorhabens der Bau eines weiteren Schachtes, die Strategie zur Behandlung der zu bergenden Abfälle und ein Standortvorschlag für ein Zwischenlager beschrieben. Die bestehenden zwei Schächte sind nämlich viel zu klein, um die großen Mengen Abfall zügig wieder an die Oberfläche zu transportieren. Der Bau von „Schacht V“, mit acht Meter Durchmesser doppelt so groß, soll im Jahr 2023 beginnen.

Wohin mit dem Müll?

Außerdem müssen laut BGE oberirdische Behandlungsanlagen gebaut werden, in denen die mit Salz vermischten leicht- und mittelradioaktiven Abfälle neu verpackt und „zunächst“ zwischengelagert werden können. Einerseits wird für den Betriebsablauf ein „Pufferlager“ gebraucht, andererseits ist derzeit noch völlig unklar, wohin dieser Abfall langfristig gebracht wird. Denn das im Bau befindliche Atommülllager Schacht Konrad, wo nach Plänen der Bundesregierung irgendwann sämtlicher schwach- und mittelaktiver Abfall aus Deutschland gelagert werden soll, ist zu klein - und auch nicht dafür zugelassen. In der Asse-2 lagern rund 47.000 Kubikmeter Atommüll. Laut BGE summiert sich diese Menge nach ihrer Rückholung und „endlagergerechten Verpackung“ auf ein Volumen von bis zu 220.000 Kubikmeter. Der Bau eines weiteren, größeren Zwischenlagers wird also nötig sein. Eine kontroverse Debatte um einen Standort dafür läuft.

Transparenz in Corona-Zeiten

Die „Diskussion mit allen Beteiligten“ ist aber gar nicht so gemeint, wie man sie verstehen könnte. Die kritische Öffentlichkeit, ohne deren Druck es nie zum Rückholversprechen gekommen wäre, wird in die weitere Debatte nicht großartig einbezogen. Immerhin muss in dessen Verlauf wohl auch über den Standort eines großen neuen Atommüll-Zwischenlagers entschieden werden, wo der Asse-Müll jahrzehntelang lagern wird.

Die Veröffentlichung des Berichts fällt zudem in einen Monat, der massiv von der Berichterstattung um das Coronavirus geprägt ist – ohne die Möglichkeit von öffentlichen Protestaktionen mit vielen Menschen. Die BGE müsse nun darlegen, „wie sie den Plan öffentlich vorstellen und verhandeln will“, fordert die „Asse-2-Begleitgruppe“, einer Vertretung aus kommunalen und zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen. Der Rückholplan werde nicht „verhandelt“, heißt es hingegen von der BGE.

Konkret wird es nicht vor 2033

Wer nun optimistisch wird, und an den baldigen Beginn der Rückholung des Atommülls glaubt, der bekommt von der BGE noch zwei Dämpfer mitgeteilt: Die Gesamtkosten sollen sich, bei einer Fehlermarge von 30 Prozent, auf gigantische 3,35 Milliarden Euro belaufen - die nicht etwa die Abfallverursacher sondern wir alle aufbringen müssen. Mit dem Beginn der konkreten Rückholung, also dem Transport von Atommüll an die Erdoberfläche, ist laut dem aktuellen Plan „nicht vor 2033“ zu rechnen.

Doch selbst die Einhaltung dieses neuen Zeitplans könne aus Sicht der Asse-2-Begleitgruppe (A2B) nur funktionieren, „wenn alle Beteiligten von der Betreiberin BGE über die genehmigende Behörde BASE bis zur Atomaufsicht im Niedersächsischen Umweltministerium NMU wesentlich besser kooperieren als in der Vergangenheit“.

„Der Zeitfaktor ist beim Rausholen das Entscheidende“, beklagt Jürgen Lehmann aus Schöppenstedt in einem Interview auf der Betreiber-Webseite „Einblicke“. Manche Leute würden sagen, es werde hinausgezögert, bis es gar nicht mehr geht. Andere sagen, macht den Schacht zu, Beton drüber und vergesst es. „Ich bin kein Wissenschaftler, ich weiß nicht, was richtig ist. Aber ich persönlich sage: Das Zeug muss raus – und das möglichst schnell“, so Lehmann.

weiterlesen:

  • Atommüllprojekte verzögern sich
    26.11.2019 - Anhand von zwei aktuellen Beispielen kann belegt werden, dass Atommüllprojekte immer auch das Nichteinhalten von Versprechen und Fristen bedeuten. Was wiederum immer auch mit höheren Kosten verbunden ist.

  • Erhöhter Laugenzutritt in der Asse
    18.10.2018 - Die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus dem havarierten Atommüll-Lager Asse-2 wird noch dringlicher. Kritiker*innen fordern umgehende Konsequenzen aus dem erhöhten Laugenzufluss und wollen mit einem Anti-Atom-Treck am kommenden Wochenende ihre Forderungen unterstreichen.

  • Aus den Fehlern nichts gelernt
    06.11.2019 - Wie ernst die Politik es mit ihren hehren Versprechungen zur Standortsuche meint, zeigt sich am besten an ihrem heutigen Umgang mit Atommüll – und lässt nicht viel Gutes erwarten.

  • Es wird dauern mit dem Asse-Müll
    29.03.2018 - Es ist mal wieder eine Frage der Perspektive. Die einen sprechen von „vorgezogener Rückholung“, die andere Seite ist schwer enttäuscht. Einen Zeitplan für die versprochene Bergung der zehntausenden Atommüllfässer aus dem maroden Bergwerk Asse-2 gibt es nämlich nicht. Auf die Region könnte aber ein ganz neues Problem hinzukommen: Noch viel mehr Atommüll.

  • Tickende Zeitbombe
    Basiswissen Atommüll: Seit den 1960er Jahren kippten AKW-Betreiber ihren Atommüll nahezu unkontrolliert in das stillgelegte Kali- und Steinsalz-Bergwerk Asse II bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Seit 2010 ist die Rückholung der etwa 126.000 Fässer geplant. Das stetig einlaufende Wasser macht die Asse II jedoch zu einer tickenden Zeitbombe.

Quellen (Auszug): taz.de, bge.de, umweltfairaendern.de, einblicke.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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