Es ist eine einfache Rechnung, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) aufstellt: Die Anzahl der AKW, die bis 2030 aus Altersgründen vom Netz gehen müssen, übersteigt die Zahl der AKW-Neubauprojekte um ein Vielfaches. In allen Ländern, die erstmals ein AKW bauen wollen, mangelt es zudem an Demokratie.
Anlässlich des neunten Jahrestages der Fukushima-Katastrophe haben die Ökonom*innen des DIW untersucht, ob weltweit tatsächlich verstärkt auf Atomkraft gesetzt wird. Ihr Fazit: Nein. Im Gegenteil wurden 207 Atomreaktoren identifiziert, die bis 2030 vom Netz gehen müssen, weil sie die üblicherweise angesetzte technische Lebensdauer von etwa 40 Jahren überschreiten. Diese Reaktoren stehen derzeit lediglich 46 Neubauprojekten gegenüber.
„Der Anteil der Atomkraft an der weltweiten Stromerzeugung ist gering und aufgrund eines überalterten Kraftwerksparks stark rückläufig“, so Studienautorin Claudia Kemfert.
Im Jahr 1996 waren es noch rund 17 Prozent, die die Atomkraft an der weltweiten Stromerzeugung anteilig hielt. Heute sind es noch rund zehn Prozent.
Die Atomlobby und ihre Propaganda-Zahlen
Die World Nuclear Association (WNA), die Interessenvertretung der globalen Atomindustrie, propagiert ein anderes Bild. Hier wird von einer „globalen Renaissance der Atomkraft“ gesprochen. Glaubt man deren Statistiken, dann gerät Deutschland mit seinem Ausstiegsfahrplan sehr schnell in internationale Isolation: Die WNA-Liste beinhaltet mehr als 30 Länder, die angeblich „vor dem Einstieg in die Atomwirtschaft stehen“.
„Wenn man sich die internationalen Entwicklungen so anschaut, wird ja an völlig neuen Technologien geforscht und gearbeitet. Und deswegen bin ich überzeugt davon, dass die Atomtechnologie weltweit weitergetrieben wird.“ (Andreas Lämmel, CDU-Wirtschaftspolitiker im Mitteldeutschen Rundfunk)
Diese propagierten Ausbaupläne von „Newcomer-Ländern“ seien „vernachlässigbar“, heißt es im Fazit der Studie des DIW. Lediglich in zehn Länder werden derzeit neue Atomkraftwerke gebaut, von denen sechs bereits über Atomkraftwerke verfügen. Dazu gehören neben Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA als westlichen Industriestaaten auch China, Indien und Russland. Nur vier Länder lassen erstmals bei sich ein Atomkraftwerk bauen: die Vereinigten Arabischen Emirate, Belarus, die Türkei und Bangladesch.
„Unsere Analyse zeigt jedoch zum einen, dass die wenigen Projekte unter großen technischen und finanziellen Schwierigkeiten leiden“, berichtet Studienautor Christian von Hirschhausen. „In allen anderen Ländern gibt es zum anderen zwar eine Reihe von Kooperationsabkommen, jedoch keine konkreten Baupläne.“
Die Analyse ergibt auch, dass Länder umso wahrscheinlicher in die Gruppe der potentiellen „Atomkraft-Newcomer“ eingeordnet werden, je geringer das Ausmaß der demokratischen Freiheiten ist. Für Länder mit vielen demokratischen Freiheiten ist es hingegen sehr unwahrscheinlich, dass diese als potentielle Neueinsteiger-Länder klassifiziert sind.
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Quellen: diw-berlin.de, mdr.de