„Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus”

21.02.2020 | Jan Becker

Mit jährlich jeweils 150 Millionen US-Dollar über zehn Jahre lang will der amerikanische Präsident die landeseigene Uranproduktion ankurbeln, um unabhängiger von Importen zu werden. Der internationale Uranmarkt gebe das her, behaupten die USA. Doch die Wirklichkeit sieht etwas anders aus, weiß Günter Wippel vom Uranium Network.

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Foto: uranium-network.org

Traditionell sind die USA das Land mit der größten Anzahl an Atomkraftwerken. Über 100 Reaktoren befinden sich in Betrieb. Doch der Betrieb der Anlagen wird durch die Konkurrenz anderer Energieträger, u.a. Gas und Erneuerbare Energien, immer weniger wirtschaftlich. Einige AKW mussten bereits abgeschaltet werden, weil sie über Jahre rote Zahlen geschrieben hatten.

Um dem Klimawandel zu begegnen, setzen die USA allerdings wieder verstärkt auf Atomkraft. Im Fokus des Interesses von Politik und Betreiber steht die Laufzeitverlängeung für die bestehenden Meiler. Dabei sind 60 Jahre im Gespräch. Dafür buhlen die Betreiber um staatliche Hilfen.
Die Brennstoffversorgung ist ein wesentlicher Kostenfaktor. Bisher importiert die USA den größten Anteil des Urans aus Kostengründen (Kanada 24%, Kasachstan 20%, Australien 18%, Russland 13%), nur zehn Prozent stammen aus heimischen Minen.

„Tatsache ist, dass der Uranbergbau in den USA unter anderem aufgrund verschärfter Umweltschutzvorschriften massiv zurückgegangen ist“ so Günter Wippel vom Uranium Network.

Vor Jahren wurde die Uranmine Canyon Mine am Nationalpark Grand Canyon wegen fallender Uranpreise und massiven Widerstands von Umweltschützer*innen und Indigenen Havasupai aufgegeben. Darüber hinaus verfügte die Obama-Administration einen 20jährigen „ban“ für neue Uranbergbauprojekte in der Umgebung des Grand Canyon. Ein von Umweltschutz-Organisationen ausgearbeitetes Gesetz zum Verbot des Uranabbaus in der Grand Canyon-Region wurde im Repräsentantenhaus angenommen.

Der US-Konzern Energy Fuels als Betreiber der Mine versuchte allerdings in den vergangenen 2 Jahren alles Mögliche, um diesen „ban“ per Gericht zu kippen – bisher erfolglos. Mithilfe einer Petition wollte die Uranlobby erreichen, dass die USA eine „Quote“ einführen: Uran sollte als Material von strategischer Bedeutung für die „nationale Sicherheit“ der USA eingestuft werden und künftig 25 Prozent des in US-AKWs verbrauchten Urans aus US-Uranbergwerken kommen.

Eine Quotenregelung hätte für die US-Uranunternehmen einen konkurrenzlosen Markt geschaffen, auf dem sie fast jeden Preis für Uran hätten durchsetzen können. Die US-AKW-Betreiber wären gezwungen gewesen, einen höheren Preis für das Uran bezahlen zu müssen. Selbst die erzkonservative Heritage Foundation fand die Quote unpassend. Vorgeschlagen wurde daraufhin der Aufbau einer US-Uranbank.

Massive Subventionierung geplant

Nun macht die Meldung Schlagzeilen, dass US-Präsident Trump vorgschlagen habe, den heimischen Uran-Produzenten „unter die Arme [zu] greifen“ und eigene Uranreserven zu schaffen. Über 10 Jahre lang sollen jährlich 150 Millionen US-Dollar aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden, um die Verfügbarkeit von Uran „durch heimische Quellen sicherzustellen“. Man wolle sich „nicht mehr im großen Stil auf Länder wie Russland oder Kasachstan verlassen müssen“.

Argumentiert wird mit einer angeblichen „Angebotslücke“ beim Uran, die bei Uranwerten „für gute Aussichten sorgen sollte“. Die durchschnittlichen Förderkosten von rund 40 US-Dollar je Pound Uran würden derzeit noch nicht für die Erkundung neuer Minen sorgen.

„Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus.“

Es wird derzeit mehr Uran auf dem Markt angeboten als nachgefragt, so Wippel. Da der Bau neuer AKW schleppend vorangeht, wird der Angebotsüberhang auch noch länger bestehen. In der Konsequenz haben bereits zwei der großen Uranabbau-Unternehmen, die kanadische CAMECO und die kasachische KAZATOMPROM, ihre Produktion erheblich zurückgefahren.

Außerdem versuchen die japanischen AKW-Betreiber, ihre Uranreserven zu veräußern. Nach dem GAU von Fukushima waren alle 54 AKW abgeschaltet worden, bislang sind fünf Meiler wieder am Netz. Dadurch ist die weltweite Nachfrage nach Uran in der Größenordnung von rund 10 Prozent eingebrochen, was sich natürlich in einem sinkenden Uranpreis widerspiegelt.

Wirtschaftlich sind diese Bestrebungen also nicht zu erklären, allenfalls geopolitisch. Fakt ist aber, dass sich auch die US-Uran- und Atomindustrie in einer tiefen Krise befinden.

„We think you should think about it!”

„Wir denken, du solltest darüber nachdenken”, fordert das Uranium Network im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der umfangreichen Doku „Uranium Mining – what are we talking about?”. Denn wenn die Menschen wissen, wie dieses gefährliche Material der Erde entnommen wird, dann werden sie „eine erweiterte Sicht auf die Problematik der Atomenergie im Allgemeinen haben”, so Günter Wippel. „Ist es noch vertretbar, dass Regierungen und Firmen auf diese Art ihr Geld verdienen?”

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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