Nach monatelangem Stillstand ist der umstrittene Forschungsreaktor Garching wieder in Betrieb. Es mangelte an Brennstoff, der nun auf offenbar ominösem Weg geliefert wurde.
Immer wieder ist der Reaktor FRM II bei München in den Schlagzeilen, weil er mit hochangereichertem Uran betrieben wird. Relativ leicht sei damit eine Atombombe herzustellen, warnen Kritiker*innen. Internationale Abrüstungsbemühungen werden unterwandert. Trotz massiver internationaler und regierungsinterner Kritik setzten sich damals die Reaktorplaner durch, 2004 ging der FRM II als weltweit erster und bislang einziger Reaktor in Betrieb, der seit 1986 für den Einsatz von hoch angereichertem Uran gebaut wurde.
Der Betreiber verweist auf den „hohen Nutzen für Forschung und Industrie“. Dennoch wurde wegen der „Proliferationsgefahr“ schon bei der Inbetriebnahme vereinbart, dass bis 2010 auf niedrig-angereichertes Uran umgerüstet werden muss. Der Zeitpunkt verstrich, ebenso wie die Fristverlängerung bis 2018. Der Betreiber argumentiert bis heute, dass es für der Betrieb derartiger Forschungsreaktoren weltweit „keine qualifizierte Alternative“ gebe.
„Der beste Schutz vor Missbrauch für Atomwaffen ist es, wenn gar kein waffenfähiges Uran produziert, gelagert oder transportiert wird.“ (Hauke Doerk, Umweltinstitut München)
Ein Rechtsgutachten der Juristin Cornelia Ziehm im Auftrag des Umweltinstituts München, BUND Naturschutz in Bayern, der Bürgerinitiative gegen den Atomreaktor Garching sowie der Grünen Landtagsfraktion in Bayern unterstrich im letzten Sommer, dass diese Umrüstung grundlegend für die Betriebsgenehmigung ist - und der Reaktorweiterbetrieb derzeit somit illegal. In einem kürzlich veröffentlichten Gegengutachten des Betreibers heißt es allerdings, die Umrüstung sei lediglich eine „klassische Auflage“ und keine „Inhaltsbestimmung“ - und damit sei der Betrieb rechtskonform. In dem Papier werde vom eigentlichen Problem „abgelenkt“, antworten Kritiker*innen. Wie es weitergeht, muss jetzt das Umweltministerium entscheiden.
Ominöser Transport
Der Streit um den Brennstoff – wenn auch auf anderer Ebene – sorgte im März 2019 für die außerplanmäßige Abschaltung des Forschungsreaktors. Das hochangereicherte Uran wird aus Russland bezogen, in Frankreich zu Brennelementen verarbeitet und wurde bisher mit einem deutschen Sicherheitsfahrzeug nach Garching gebracht. Aus unbekannten Gründen, der Betreiber vermutet „politische“, akzeptierten die Franzosen diesen Transport nicht mehr. Erst im Dezember 2019 wurden wieder Brennelemente angeliefert, nachdem ein neues Transportszenario entwickelt worden war. Dieses beinhaltet eine „grenznahe Umladung“ des Brennstoffs. Dafür sei auf deutscher Seite ein Ort gewählt worden, der laut Betreiber „nach deutschen Gesetzen dafür zugelassenen“ war: Es soll sich um eine Kaserne handeln.
„In welcher finsteren Ecke wurde das gefährliche Material heimlich bei Nacht und Nebel herumjongliert?“, fragt Markus Büchler, Landtagsabgeordneter der Grünen. „Einen dubioseren Umgang mit Atombombenmaterial kann man sich wohl kaum vorstellen. Welche Gesetze und Vorschriften wurden zurechtgebogen, nur um den Atomreaktor wieder anfahren zu können?“
Atommüll in die Isar
Ein zweiter Grund, weshalb der Forschungsreaktor jetzt Schlagzeilen macht, ist die künftige „Entsorgung“ von radioaktiven Abwässern. Das Landratsamt München erteilte kürzlich gegen den Widerspruch und die Kritik von 1.400 öffentlichen Einwender*innen die „wasserrechtliche Erlaubnis“, weitere 20 Jahre lang schwachradioaktives Abwasser und Kühlwasser aus dem Forschungsreaktor und der Radiochemie in den angrenzenden Fluss zu leiten.
Wegen eines dritten Grundes wird der Forschungsreaktor bald unweigerlich in die Schlagzeilen kommen. Weil die Lagerbecken für verbrauchte Brennelemente voll sind, soll Brennstoff in das Zwischenlager Ahaus transportiert werden. Angekündigt waren erste Lieferungen schon für 2019. Wegen des Reaktorstillstands verzögert sich das Projekt - gegen das sich bereits erheblicher Widerstand regt. Das Risiko durch einen Transport von atomwaffenfähigem Material quer durch Deutschland ist unverantwortlich groß. Es handelt sich zudem um speziellen Atommüll, der vor einer Langzeit-Lagerung konditioniert – praktisch entschärft – werden muss. Kritiker*innen fordern, dass sich der Betreiber in Garching darum kümmern muss, bevor er sich des Mülls entledigt.
Atomausstieg: Da fehlt was!
Deutschland schaltet seine letzten sechs Atomkraftwerke bis Ende 2022 ab. Doch die Forschungsreaktoren wurden genau wie die Brennstofffabriken vom Atomausstieg ausgeklammert. Das ist unverständlich, denn schließlich wird auch in Garching täglich wieder hochproblematischer Atommüll produziert und die Bevölkerung rund um München dem Risiko eines schweren Unfalls ausgesetzt.
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Quellen (Auszug): umweltinstitut.de, dpa, sueddeutsche.de