Anfang kommender Woche soll ein weiterer Uranmüllexport aus der Anreicherungsanlage in Gronau erfolgen. Unterdessen formieren sich auch Proteste gegen einen im Frühjahr angekündigten Castor-Transport.
Noch nicht lange ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass der Konzern URENCO, Betreiber der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage für die Herstellung von AKW-Brennstoff, den Abfall aus dem Prozess wieder nach Russland exportiert. Die Reaktionen darauf waren aber sehr deutlich: Der letzte Abtransport Mitte November, ein Sonderzug mit 12 Waggons, war von Aktivist*innen mit einer Blockadeaktion viele Stunden aufgehalten und von zahlreichen Aktionen von Gronau bis zum Bestimmungsort in Russland begleitet worden.
Insgesamt sollen 12.000 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid (UF6), das bei der Urananreicherung anfällt, bis 2022 zum Ural verbracht werden. Nur ein kleiner Teil wird in der dortigen Fabrik wieder nutzbar gemacht und kann dadurch wieder als AKW-Brennstoff verwendet werden. Der größte Teil bleibt zur „dauerhaften Lagerung“ in Russland.
„Es wird immer deutlicher, dass Urenco und ihre deutschen Anteilseigner RWE und EON vor allem den hohen Kosten für eine sichere Atommüllentsorgung in Deutschland ausweichen wollen. Wer so verantwortungslos handelt, sollte keine Atomanlage betreiben dürfen – wir fordern deshalb von der Bundes- und Landesregierung die sofortige Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau,“ so Peter Bastian vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Nach erheblichen Protesten waren damalige Exporte 2009 eingestellt worden. Schon wenige Wochen nach Bekanntwerden der neuen Uranmüllausfuhren nehmen die Proteste nun Form an: Neben den Blockaden und Mahnwachen sammelte Greenpeace zehntausende Unterschriften in Russland und Deutschland. Die Medien berichten umfangreich und stellen die Praktiken in Frage. Auch gegen den nun angekündigten Transport, der vermutlich kommenden Montag starten soll, sind wieder zahlreiche Aktionen angekündigt.
- Aktuelle Infos: https://twitter.com/urantransport
Proteste gegen Castor-Transport nach Biblis
„Es gibt kein vertretbares Konzept für den vorhandenen Atommüll“, kritisieren Aktivist*innen eines Bündnisses gegen erwartete Rücktransporte aus dem Ausland. Diese „Castoren“, gefüllt mit hochaktiven Abfällen aus der „Aufbereitung“ deutscher Brennelemente in den „Wiederaufarbeitungsanlagen“ La Hague (F) und Sellafield (GB), rollten bis 2011 nach Gorleben. Mit dem „Neustart“ der Suche nach einem Atommüll-Lager wurden die Transporte verboten, es mussten neue Empfänger gefunden werden. Ab Frühjahr 2020 sollen nun die 21 Behälter auf die Standortzwischenlager an den AKW Biblis, Philippsburg, Brokdorf und Isar aufgeteilt werden. Der Transport La Hague - Biblis soll Anfang kommenden Jahres der erste sein.
- weitere Infos: http://castor-stoppen.de/
Diese Castor-Transporte seien „Ausdruck eines bewußt vergurkten und gezielt profitorientierten Durchwurstelns“, heißt es im Protestaufruf „Es ist noch nicht vorbei“. Der Klimakatastrophe werde nicht gegengesteuert und die Energiewende sabotiert. Weil die Behälter nur von einem Zwischenlager ins nächste verschoben werden, das Grundproblem - der Betrieb der Atomanlagen - aber weiter bestehen bleibt, wird zu Protesten gegen die Castor-Transporte aufgerufen. Der bisherige Verlauf der „neuen Suche“ nach einem Atommüll-Lager offenbart schon jetzt, dass die Behälter Jahrzehnte in den unsicheren Zwischenlagerhallen verbleiben werden - Perspektive völlig offen.
Während für viele der Atomausstieg „beschlossene Sache“ ist, tauchen „zombiegleich längst überwunden geglaubte Gefahren wieder auf”, heißt es im Aufruf zum „Castor 2020“. Sieben Reaktoren laufen noch, und durch das Abwürgen der Energiewende werden Sachzwänge geschaffen, ihren Weiterbetrieb über die vorgesehen Stilllegungdaten hinaus zu erzwingen.
Ein kleiner Erfolg
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat kürzlich angekündigt, sich nun wenigstens einem Verbot der Ausfuhren von in Deutschland produzierten Brennelementen an Risikomeiler anzunehmen. Allerdings solle es nach ihren Vorstellungen nur für Meiler gelten, die „weniger als 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt stehen und vor 1989 in Betrieb gegangen“ sind. Lieferungen an die umstrittenen Akw Tihange und Doel in Belgien sowie nach Cattenom in Frankreich wären damit nicht mehr erlaubt.
Das Jahr 1989 sei gewählt worden, weil zwar vom Alter eines AKW „nicht auf dessen Sicherheitszustand geschlossen werden könne“, allerdings Reaktoren „dieses Alters ein veraltetes Anlagendesign und eine Komponentenalterung und damit ein erhöhtes Risiko aufweisen“, heißt es vom Bundesumweltministerium. Ziel des Verbots sei die „Abwendung möglicher radiologischer Risiken für die in Deutschland lebende Bevölkerung“ - schließlich seien die Folgen schwerer Unfälle „grenzüberschreitend“.
Somit ist dieser Vorschlag (mehr ist es bisher nicht) ein „kleiner Anfang“. Schon vor Jahren wurde mit Resolutionen und Protestaktionen der vollständige Exportstopp und das Betriebsende der Anlage gefordert. Die Laufzeit ist - im Gegensatz zu den deutschen Meilern - nicht begrenzt worden. Spätestens mit der Abschaltung des letzten deutschen Reaktors Ende 2022 muss auch die Herstellung von AKW-Brennstoff in Deutschland beendet werden.
weiterlesen:
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Ist Russland wieder unsere Atommüllhalde?
08.10.2019 - Die Lagerung von deutschem Uranmüll in rostigen Fässern unter offenem Himmel in Russland sorgte vor zehn Jahren für heftige Proteste. Die Lieferungen aus der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage in Gronau wurden dann eingestellt. Offenbar nutzt URENCO diese „billige Atommüllverschiebung“ wieder. -
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21.10.2019 - Während die Bundesumweltministerin die „störanfälligen Atomkraftwerke“ nur im Ausland ausmacht, liefert Deutschland entgegen Zusicherungen der Bundesregierung weiter Brennelemente zu grenznahen Pannenmeilern. Am kommenden Wochenende wollen Atomkraftgegner*innen in Lingen Atomkonzernen und Politiker*innen „die rote Karte“ zeigen.
Quellen (Auszug): sofa-ms.de, bi-luechow-dannenberg.de, azonline.de, dpa,