Anhand von zwei aktuellen Beispielen kann belegt werden, dass Atommüllprojekte immer auch das Nichteinhalten von Versprechen und Fristen bedeuten. Was wiederum immer auch mit höheren Kosten verbunden ist.
Aus dem havarierten Atommülllager Asse-2 soll bekanntlich aller Atommüll wieder geborgen werden - so das politische Versprechen. Einsturzgefahr droht, die Zeit drängt. Im Sommer gab die Bundesgesellschaft für Endlagerung als Betreiberin des Bergwerks bekannt, dass die Menge an aufgefangener Lauge auf neue Maximalwerte von 20 Kubikmeter pro Tag gestiegen war. Spätestens jetzt sollten alle Beteiligten die Aufgabe der Rückholung mit äußerster Priorität behandeln, damit es in der Region Braunschweiger Land zu keiner noch größeren ökologischen Katastrophe kommt.
Für die technisch komplizierte Rückholung - viele Fässer mit radioaktiven Inhalten sind durch die „Versturztechnik“ zerstört und leck - müssen umfängliche Pläne erarbeitet werden. Nötig ist auch der Bau eines obertägigen Zwischenlagers, in dem der geborgene Müll aufbewahrt werden soll. Die Standortfrage dafür ist offen - und kann laut BGE auch erst weiter bearbeitet werden, wenn eine „Rückholungsskizze“ für die Asse-2 vorliegt, hieß es vor einem Jahr.
Auf der jüngsten Sitzung der ASSE 2-Begleitgruppe eröffnete die BGE nun, dass sie weiterhin keinen derartigen Plan für die Rückholung vorlegen könne. Noch im Mai hatte sie angekündigt, „im 3. Quartal eine Rückholungsskizze zu präsentieren“. Der BGE-Geschäftsführer Studt reagierte laut Kritiker*innen „sichtlich genervt“ auf diverse Nachfragen und wollte noch nicht einmal zusagen, dass weiterführende Planungsunterlagen im 1. Quartal 2020 vorgelegt werden könnten.
Verzögerungen gehen massiv ins Geld: Im August hatte der Bundesrechnungshof die Finanzplanung für die Asse-Arbeiten kritisiert. Obwohl die Rückholung noch gar nicht begonnen hat, seien schon jetzt 1,5 Milliarden Euro in das Vorhaben geflossen. Und es könnte insgesamt viel teurer werden als bislang kalkuliert. Die BGE geht als Betreiberin des maroden Bergwerks von weiteren Ausgaben in Höhe von rund 3,35 Milliarden Euro von 2019 bis 2033 aus. Zu recht sehen die Finanzprüfer „das erhebliche Risiko, dass die Gesamtausgaben für das Projekt die letztmals im Jahr 2011 geschätzten zwei Milliarden Euro erheblich übersteigen“.
„Große Verspätung“ bei Atommüll-Anlagen
Zweites Beispiel: Damit die großen Atommüllmengen, die beim Abriss der Atomkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim entstehen, gehandhabt werden können, baut der Betreiber EnBW an beiden Standorten „Reststoffbearbeitungszentren“ (RBZ) und „Standortabfalllager“ (SAL). In diesen Anlagen soll durch verschiedene Verfahren radioaktives Material so aufbereitet werden, dass es wieder in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt (Stichwort: „Freimessen“) oder später in ein Atommülllager gebracht werden kann. Mit dem Bau wurde im Februar 2016 begonnen, die Inbetriebnahme sollte ursprünglich „im zweiten Halbjahr 2018“ erfolgen.
Jetzt heißt es vom Betreiber EnBW auf die Anlagen in Neckarwestheim bezogen: „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Betriebsbereitschaft Mitte des Jahres 2020 erreicht wird.“ Zunächst sollen nur die baugleichen Anlagen in Philippsburg ihre Arbeit aufnehmen, die „daraus gewonnenen Erfahrungen“ sollen dann in Neckarwestheim genutzt werden. Ursächlich für die Verzögerungen seien allerdings „hochspezialisierte Dienstleister und Hersteller“, die „nicht immer zum Wunschtermin verfügbar gewesen“ seien.
Diese zwei Beispiele reihen sich ein in Verzögerungen beim Schacht Konrad, im neuen Standortsuchverfahren etc. Wichtig ist dabei, dass Verzögerungen immer (viel) Geld kosten - die Betreiber der Atomkraftwerke sich aber mit einem Fixbetrag (24 Milliarden Euro) aus der Atommülllagerung freigekauft haben. Ist das Geld alle, zahlt der Steuerzahler die Zeche - zumindest bei den Projekten, bei denen er es nicht eh schon muss. Wird Geld gespart, geht es zu Lasten der Sicherheit.
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Quellen (Auszug): ag-schacht-konrad.de, taz.de, stimme.de