Die Lagerung von deutschem Uranmüll in rostigen Fässern unter offenem Himmel in Russland sorgte vor zehn Jahren für heftige Proteste. Die Lieferungen aus der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage in Gronau wurden dann eingestellt. Offenbar nutzt URENCO diese „billige Atommüllverschiebung“ wieder.
Am 29. Juli 2019 hatte ein Sonderzug, beladen mit ca. 600 Tonnen abgereichertem Uranhexafluorid, die einzige Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau verlassen. Die Grün Alternativen Liste (GAL) Gronau hatte daraufhin an das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in NRW einen Fragenkatalog übermittelt. Unter anderem wollten die Kritiker*innen wissen, wohin das Material, welches von den Betreiber als „Wertstoff“, von Atomkraftgegner*innen als „Atommüll“ deklariert wird, transportiert wurde. Die Antwort kam Mitte September und verblüffte: Russland!
Bei der Urananreicherung in Gronau fallen erhebliche Mengen des sogenannten abgereicherten Urans in Form von Uranhexafluorid (UF-6) an. Weil sich die erneute Anreicherung in Deutschland nicht rechnet, hat der Betreiber URENCO für zumindest einen Teil der Zehntausenden von Tonnen eine Alternative gefunden. Seit Mitte der 90er Jahre wurden rund 30.000 Tonnen von der Gronauer Urananreicherungsanlage an vier Orte in Russland verbracht. Allein in Angarsk, knappe 7.500 Km östlich von Gronau, lagern auf dem Gelände der dortigen Urananreicherungsanlage mehrere Tausend Tonnen deutschen Uranmülls. Offiziell heißt es, das Material werde in Russland erneut einem Anreicherungsprozeß zugeführt und dann zurück nach Deutschland gebracht. Deshalb darf das UF-6 als „Wertstoff“ ausgeführt werden. Dasselbe Material, das in einem gigantischen Zwischenlager in Gronau lagert, ist hingegen offiziell „Atommüll“. Atomkraftgegner*innen sprechen daher von „kriminellem, skrupellosem Abschieben von hochgefährlichem Atommüll“.
Rostige Behälter und Krebs
Schon seit Jahren beklagen russische Umweltschützer, dass der deutsche Uranmüll in Angarsk „nicht sicher lagere“. Die Umweltjournalistin Svetlana Slobina aus Angarsk berichtete z.B. im Jahre 2013, dass jedes Jahr mehrere Dutzend Uranfässer aufgrund von Rissen repariert werden müssten. Auch sei die Krebsrate rund um die Uranfabrik in Angarsk selbst nach offiziellen Angaben deutlich höher als im russischen Durchschnitt.
„Vor 10 Jahren waren diese krassen Atommüllexporte aufgrund der internationalen Proteste zwischen Deutschland, den Niederlanden und Russland eingestellt worden”, erinnern Aktivist*innen der Initiative SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster und des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen. Nun hoffe man offenbar wieder auf einen guten Deal mit Russland: „Es kann nicht sein, dass Urenco, die Anteilseigner RWE und EON sowie die Bundesregierung erneut versuchen, den in Deutschland produzierten Atommüll zum Billigtarif in Russland irgendwo auf der Wiese einer anderen Atomfabrik abzuladen“, fordern die Aktivist*innen.
Da in den letzten Wochen mehrfach Sonderzüge mit Uranmüll die Anlage in Gronau verlassen haben, könnte der Transport vom 29. Juli nicht der einzige mit Ziel Russland gewesen sein. Bislang hatten Atomkraftgegner*innen immer vermutet, dass die russischen Transporte gestoppt wurden und seitdem Frankreich Empfänger des UF-6 sei.
„Denkbar ist jetzt, dass bereits mehrere der jüngsten Transporte Russland als Ziel hatten. Vielleicht auch schon zwischen 2010 und 2019?“, fragt deshalb Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau und Vorstandsmitglied im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
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Quellen (Auszug): contratom.de, bbu-online.de, aku-gronau.de, castor.de