Zwei Umweltverbände haben vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgreich gegen die Laufzeitverlängerungen zweier belgischer Atomkraftwerke geklagt. Trotz der nun attestierten „Rechtswidrigkeit“ dürfen die umstrittenen Meiler am Netz bleiben. Und Deutschland unterstützt den Betrieb.
Die Laufzeit für die AKW Doel 1 und 2 bis 2025 sei „unrechtmäßig verlängert“ worden, heißt es in der Urteilsbegründung des EuGH vom Anfang dieser Woche. Es habe eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gefehlt - und diese sei „zwingend“ erforderlich gewesen. Die von Atomkraftgegner*innen damals heftig kritisierte Entscheidung aus dem Jahr 2015, die Betriebszeiten um zehn Jahre zu verlängern, würden die „Gefahr erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt“ bergen und seien mit der „Erstinbetriebnahme dieser Kraftwerke vergleichbar“, so das EuGH. Folglich müsse ein solches Projekt zwingend einer Prüfung in Bezug auf seine Auswirkungen auf die Umwelt gemäß der UVP-Richtlinie unterzogen werden. Da die Reaktoren in Grenznähe stehen, müsse es sich um ein grenzüberschreitenden Prüfungsverfahren handeln.
„Auch wenn sich das Urteil erstmal positiv anhört, so kommt es erstens bereits vier Jahre nach Beginn der Laufzeitverlängerung und hat auf absehbare Zeit keine konkreten Auswirkungen”, attestieren deutsche Atomkraftgegner*innen.
Auch wenn das EuGH fordert, dass der Betreiber diese „Rechtswidrigkeit“ beseitigen muss, dürfen die beiden Meiler trotzdem am Netz bleiben. Das EuGH begründet diese Entscheidung mit der „Gefahr einer Unterbrechung der Stromversorgung“.
Dieses Problem ist hausgemacht, denn die belgische Regierung verschläft trotz eines schon 2003 beschlossenen Atomausstiegs den Umbau der Energieversorgung. Um Engpässen vorzubeugen, wurde die unrechtmäßige Laufzeitverlängerung vorgenommen anstatt die Meiler wie geplant stillzulegen.
In der Sache muss nun das belgische Verwaltungsgericht entscheiden, zumindest theoretisch kann sich das weitere Verfahren bis 2025 hinziehen - ohne Auswirkungen auf den Reaktorbetrieb.
Brennstoff-Lieferungen aus Deutschland
Deutsche Atomfabriken sind am Weiterbetrieb der beiden Meiler beteiligt. Erst vor wenigen Monaten wurden neue Brennelemente aus der Lingener Brennelementefabrik, die von der Framatome-Tochter Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) betrieben wird, exakt für Doel 1 und 2 geliefert - gebilligt vom Bundesumweltministerium.
„Macht sich das Bundesumweltministerium hier womöglich der Beihilfe zum Rechtsbruch schuldig?“ fragte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz fordert Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf, sich endlich „gegen die Versorgung der belgischen AKW mit Uran aus den Atomfabriken in Gronau und Lingen zur Wehr“ zu setzen. Weitere Brennelementelieferungen aus Lingen sind nicht zu rechtfertigen.
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05.10.2018 - Glücklicherweise erwies sich eine Meldung über einen schweren Unfall im belgischen AKW Tihange als Fake. Unterdessen räumt die Atomaufsicht ein, sie habe Probleme in den Meilern „unterschätzt“.
Quellen: tagesschau.de, heise.de, bbu-online.de, sofa-ms.de