Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung Atomkraft ablehnt, will die Regierung die Laufzeit des einzigen AKW Sloweniens um 20 Jahre verlängern und einen zweiten Reaktor ermöglichen
Die politisch-gesellschaftliche Debatte um Atomkraft in Slowenien, einem 2-Millionen-Einwohner-Land, das seit 2004 zur EU gehört, ist gekennzeichnet von einer Dominanz der Pro-Atom-Interessen, die im heutigen Europa surreal wirkt. Die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt Atomkraft ab, ebenso wie eine Laufzeitverlängerung des AKW Krško – der 700-Megawatt-Reaktor, der je zur Hälfte Slowenien und Kroatien gehört, sollte ursprünglich 2023 vom Netz gehen – und den Bau eines zweiten Reaktors. Aber es gibt eine starke Atomlobby, die in die politischen Machtstrukturen des Landes und international bestens integriert ist und sich unnachgiebig eben um diese Ziele bemüht. Unter den Motto „Atomkraft – kohlenstoffarme Energie der Zukunft“ propagiert sie „50 % erneuerbare Energien und 50 % Atomkraft“ und vereint damit Atombefürworter*innen aller Lager: Professor*innen wie die Klimatologin Lucˇka Kajfež Bogataj, einst Vize-Vorsitzende einer Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC, das slowenische Forschungszentrum „Jožef Stefan“, das einen eigenen Reaktor betreibt, alle im Parlament vertretenen politischen Parteien, die aktuellen Regierungsmitglieder, einflussreiche Journalist*innen und natürlich das AKW-Personal.
Die meisten slowenischen Umweltorganisationen sind inaktiv in Bezug auf Atomkraft, als wären sie diesbezüglich blind und taub. Der Grund ist, dass jede Aktivität gegen Atomkraft die öffentliche Finanzierung einer Nicht-Regierungs-Organisation unmöglich macht. Das ist mit den Prinzipien des Rechtsstaates zwar unvereinbar, aber tagtägliche Praxis in Slowenien. Deswegen ist das Land auch attraktiv für allerart internationale Atomkraftgedankenexperimente.
Referendum findet nicht statt
Erst Anfang Juni hat Ministerpräsident Marjan Šarec, ein diplomierter Schauspieler, US-Energieminister Rick Perry empfangen und die „langjährige Kooperation beider Staaten auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Atomenergie“ hervorgehoben. Das AKW Krško wurde einst von der inzwischen in Konkurs gegangenen Firma Westinghouse gebaut.
2015 versprach die damalige slowenische Regierung in ihrem Koalitionsvertrag ein Referendum über Atomkraft. Nach einem Besuch und auf explizite Forderung von Angela Merkel setzte die damalige Ministerpräsidentin Alenka Bratušek jedoch eine drastische Eingrenzung und Erschwerung des Referendumsrechts im Parlament durch. Das Referendum fand dann nie statt.
Die 2018 neu gewählte Regierung steht unter dem Druck der Nuklearlobby – national wie international –, und will die Laufzeit des 38 Jahre alten Meilers noch dieses Jahr auf 60 Jahre verlängern, also bis 2043. Eine slowenisch-kroatische Kommission hat dem hinter dem Rücken der Öffentlichkeit schon zugestimmt. Zudem will die Regierung den Bau eines zweiten Reaktors ermöglichen.
Messen, informieren, diskutieren
Weder Regierung noch AKW-Betreiber noch politische Parteien haben den Versuch unternommen, die Laufzeitverlängerung des AKW Krško in der Öffentlichkeit zu diskutieren oder die zahlreichen ungelösten technischen Probleme des AKW und der hoch radioaktiven Abfälle, die damit verbunden sind, zu klären: Schon jetzt gibt es nicht genug Kühlwasser in der Save, um den Reaktor im Sommer zu kühlen. Wenn noch ein zweiter Reaktor dort gebaut würde, würde der Fluss ständig überhitzt und die Kosten für die Kühlung stiegen deutlich an. In den Dampferzeugern müssen immer mehr defekte Heizrohre verschlossen werden, sämtliche Einbauten des AKW sowohl im nuklearen wie auch im konventionellen Teil sind veraltet und brüchig. Es gibt keine Lagerstätte für den Atommüll und die Atomindustrie übt auf Wirtschaft und Gesellschaft einen zerstörerischen Einfluss aus, indem sie die demokratischen Prinzipien untergräbt.
Die Anti-Atom-Bewegung in Slowenien ist klein. Als aber Regierung und Atom-Lobby nach Standorten für Atommülllager und andere Atomprojekte suchten und den Kommunen dafür Geld boten, haben wir Atomkraftgegner*innen die Bevölkerung vor Ort informiert. Alle Gemeinden bis auf eine haben das Atom-Angebot daraufhin abgelehnt.
Aktuell hat der Verband der Umweltbewegungen Sloweniens (ZEG) eine Kooperation mit dem atomkritischen französischen Strahlenforschungsinstitut CRIIRAD vereinbart. Unabhängige Strahlungsmessungen sollen der Bevölkerung ein Instrument an die Hand geben, um sich gegen Atomkraftexzesse wehren zu können.
Dieser Text ist ursprünglich im .ausgestrahlt-Magazin 44 (Juli 2019) erschienen.