Atomkraftgegner*innen fordern schon lange, den mit hochangereichertem Uran betriebenen Forschungsreaktor bei München stillzulegen. Nun ist der Streit eskaliert: Der Meiler ist abgeschaltet, weil es keinen Brennstoffnachschub aus Frankreich gibt.
Schon seit März dieses Jahres werden in Garching keine Radioisotope und Radiopharmaka mehr für Forschung und Medizin produziert. Es gebe „Schwierigkeiten beim Transport neuer Brennelemente aus Frankreich“, so Anke Görg, Sprecherin für den FRM II. Man „warte auf die Lieferung“. Französische Behörden hätten „sonst übliche“ Sondergenehmigungen nicht ausgestellt. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuerst über diesen Engpass berichtet und sich auf die Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl berufen. Wann der Transport der neuen Brennelemente stattfinden kann, ist offen. Ein „Zeithorizont für eine Lösung“ sei nicht bekannt, heißt es.
Während der Betreiber vor einem Abwandern der Wissenschaft aus Deutschland warnt, fordern Atomkraftgegner*innen Konsequenzen. Der Stillstand solle genutzt werden, um jetzt „auf niedriger angereichertes Uran“ umzusteigen, fordern kritische Politiker*innen. Laut Genehmigungsbescheid sollte der Reaktor bis 2010 auf Brennstoff, der nicht für Atomwaffen nutzbar ist, umsteigen. 2018 wurde aber die Verwendung des hochangereicherten Brennstoffs verlängert - mit der Begründung, es gebe „keine qualifizierte und verfügbare Alternative“.
Endgültig Stilllegen!
Der Forschungsreaktor wurde im Juni 2004 in Betrieb genommen. Der mit 20 Megawatt leistungsstärkste Forschungsreaktor ist der einzige Neubau eines Atomreaktors in Deutschland seit Tschernobyl. Wegen der Verwendung des hochangereicherten Uran-235 ist er besonders in der Kritik. Allein aus Kostengründen wurde damals das internationale Abrüstungsprogramm unterlaufen, der Meiler verstösst nach Meinung von Kritiker*innen gegen das Völkerrecht. Von den 40 Kilogramm Uran, die jährlich in Garching verwendet werden, sei nur die Hälfte notwendig, um eine Atombombe des Typs Hiroshima zu bauen. Dieser radioaktive Stoff ist seit den 1980ern weltweit geächtet.
Die „Bürger gegen Atomreaktor Garching“ warnen außerdem vor immer wiederkehrenden Störfällen. Der Reaktor gebe im Normalbetrieb so viel radioaktives Tritium ab wie ein mittleres Atomkraftwerk. Wie in allen anderen AKW ist auch in Garching eine Kernschmelze, verbunden mit unkalkulierbaren Gefahren für die nahegelegene Großstadt München, möglich. Mit jedem Betriebstag wächst der Atommüllberg, der schon heute einen „Sonderfall“ darstellt und „so nicht endlagerfähig“ sei, warnt Ingrid Wundrak, Vorsitzende der Garchinger Anti-Atom-Initiative.
Weil die Lagerbecken voll sind, sollen - möglicherweise noch in diesem Jahr - abgebrannte Brennelemente vom Gelände der Technischen Universität München in Garching in das 700 Kilometer entfernte Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus gebracht werden. Neben den Transportrisiken ist der weitere Verbleib des Abfalls völlig unklar, ein langfristiges Atommülllager existiert bekanntlich nicht.
Diese Brennstoffblockade muss also für die endgültige Abschaltung genutzt werden - und nicht für eine Umrüstung zum reibungslosen Weiterbetrieb!
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Quellen: sueddeutsche.de, n-tv.de, umweltinstitut.org