Einmal im Jahr werden Atomkraftwerke abgeschaltet, um Brennstoff zu wechseln und Wartungsarbeiten durchzuführen. Dabei werden immer wieder Störfälle gemeldet - so wie die aktuellen aus den AKW Gundremmingen und Emsland. Fachleute warnen, dass Defekte mit dem Alter der Anlagen zunehmen und schwere Unfälle wahrscheinlicher werden.
Vor wenigen Tagen wurde das Atomkraftwerk Gundremmingen-C in Bayern nach dem Wartungsstillstand wieder angefahren. Doch dieser Neustart misslang: Ein magnetisch betätigtes Vorsteuerventil schloß sich im Zusammenhang mit einem Test nicht mehr, das angesteuerte Hauptventil verblieb dadurch in Offenstellung. Der Meiler musste daraufhin wieder abgeschaltet werden und das defekte Ventil wurde nach Angaben des Betreibers RWE ausgetauscht.
RWE fand auch noch zwei defekte Brennelemente, die aus dem Reaktor entladen wurden. Schadhafte Brennelemente bedeuten immer auch eine erhöhte Freisetzung von radioaktiven Stoffen in das Kühlwasser. Die Anlagen seien „darauf ausgelegt“, argumentieren die Betreiber. Doch besonders beim letzten Siedewasserreaktor Deutschlands in Gundremmingen ist die Gefahr von Freisetzung in die Umwelt groß, weil es einen Kühlkreislauf und damit eine Barriere weniger zwischen Radioaktivität und Biosphäre gibt als bei den übrigen Druckwasserreaktoren. Zusätzliches Risiko ist, dass in Gundremmingen auch so genannte MOX–Brennelemente verwendet werden, die neben Uran auch das hochgiftige Plutonium enthalten. Defekte Brennelemente haben schon fast „Tradition“, immer wieder meldet das AKW Störfälle dieser Art.
Gleich drei Meldungen aus dem AKW Emsland
Wegen eines Schadens am Generator hatte das AKW Emsland bereits eine ungeplante Verzögerung der jährlichen Wartungsarbeiten angekündigt. Jetzt meldete der Betreiber RWE drei weitere Defekte, die auf Verschleiß bzw. Alterungserscheinungen zurückzuführen sind. So wurde an einem Entlüftungsstutzen des mit Emswasser betriebenen Nebenkühlwassersystems eine „Wanddickenschwächungen“ an einer Schweißnaht festgestellt. Zwei Heizrohre in einem von vier Dampferzeugern zeigten ebenfalls „Wanddickenschwächungen“ und wurden verschlossen und damit außer Betrieb genommen.
Außerdem stellte RWE an einem Brennelement eine gebrochene Niederhaltefeder fest. Ein Brennelemente verfügt über jeweils 16 dieser Bauteile, die die Aufgabe haben, ein Abheben beim Betrieb der Anlage zu verhindern. Während der Betreiber des AKW Emsland davon spricht, dass der Defekt „keine Auswirkungen“ habe, nahm E.ON 2012 das AKW Brokdorf vorsorglich vom Netz. Dort waren mehrere gebrochene Federn gefunden und ein Serienfehler vermutet worden.
In einer Stellungnahme warnt die Reaktor-Sicherheitskommission des Bundes 2016 davor, dass „durch lose Teile, d. h. Bruchstücke von gebrochenen Federn“ je nach Gewicht und Größe nicht ausgeschlossen werden könne, dass „vagabundierende Bruchstücke im Primärkreislauf“ zu Schädigungen an Brennelementhüllrohren oder den Dampferzeuger-Heizrohren führen können.
Immer älter, immer gefährlicher
Nach Bundestags-Präsident Schäuble, Linde-Chef Reitzle, VW-Boss Diess setzt sich nun auch die konservative Werte-Union dafür ein, dass die letzten deutschen Meiler nicht wie gesetzlich vereinbart spätestens Ende 2022 für immer abgeschaltet werden.
Was die aktuellen Störfälle aber belegen: Mit jedem Betriebstag wächst das Risiko weiterer Defekte und damit auch die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls. Trotz Nachrüstungen und Reparaturen verschlechtert sich der Zustand wichtiger Bauteile im Laufe der Jahrzehnte. Zwischenfälle und Komplikationen nehmen zu. Dem Stand von Wissenschaft und Technik, den das Atomgesetz fordert, entsprechen alle Meiler nicht.
Ein Unfall mit Freisetzung von Radioaktivität ist auch in deutschen AKW möglich und hätte katastrophale Folgen. Jeder Betriebstag lässt den Berg an Atommüll weiter wachsen. Es gibt weltweit keine „sichere Lösung“ für den Abfall, der mindestens eine Millionen Jahre von der Biosphäre abgeschirmt gelagert werden muss.
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Quellen (Auszug): kkw-gundremmingen.de, augsburger-allgemeine.de, swp.de, rskonline.de, greenpeace.de