Nicht nur der laufende Betrieb eines Atomkraftwerks verseucht mit dem Kühlwasser den angrenzenden Fluss. Auch während der Abrissphase können große Mengen Radioaktivität aus dem Kraftwerk emittiert werden. Atomkraftgegner*innen protestierten mit Erfolg gegen diese Pläne des AKW-Konzerns Vattenfall - und setzen nun Maßstäbe für bundesweite Abrissprojekte.
Das AKW Brunsbüttel ist seit 2007 nach mehreren Pannen vom Netz und seit Beginn der Katastrophe von Fukushima im März 2011 offiziell für immer abgeschaltet. Bis zu seiner Zwangsabschaltung gehörte das schleswig-holsteinische Atomkraftwerk zu den Meilern mit den häufigsten Störfällen.
Nach sechs Jahren Prüfung durch das Umweltministerium Schleswig-Holstein erhielt der Konzern Ende 2018 die Genehmigung, den Meiler abzureißen. Im Zusammenhang mit dem Abriss hatte Vattenfall auch eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung von erwärmtem Kühl- und Abwasser in die Elbe beantragt.
Atomkraftgegner*innen kritisierten die Pläne scharf. Gemäß der Antragspläne dürfte Vattenfall künftig tausendfach höher belastete Abwässer - ausgenommen Tritium - abgeben als während des Leistungsbetriebs des Kraftwerks. Die maximal 185 Milliarden Becquerel pro Jahr an radioaktiven Stoffen hätten auch das Ultragift Plutonium enthalten dürfen. Vattenfall plant derzeit mit etwa 20 Jahren, die der Abriss dauern dürfte. Die beantragte Genehmigung sollte über den gesamten Zeitraum gelten.
„Wir befürchten, dass sich der Betreiber des AKW Brunsbüttel während des Rückbaus zwar an die Grenzwerte, jedoch nicht an das Gebot der Strahlenminimierung und der Zustandsverbesserung für die Elbe halten wird“, warnte Eilhard Stelzner von der Initiative „Brokdorf akut“ im Dezember 2018.
Maßstab für alle anderen AKW-Abrissprojekte
Aus Protest gegen die Einleitungspläne sammelten Aktivist*innen tausende Unterschriften. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) drohte mit Klagen. Damit es nicht zu einem „für alle Seiten aufwändigen Rechtsstreit“ kommen konnte, fand ein vom Landesumweltministerium moderiertes Gespräch zwischen Kritiker*innen und AKW-Konzern statt.
Das Ergebnis ist beeindruckend und sollte Maßstäbe setzen für die vielen weiteren AKW-Abrissprojekte in ganz Deutschland:
„Es ist uns im intensiven und konstruktiven Dialog mit Betreiber und Ministerium gelungen, einen Einleitungswert festzulegen, der nur noch knapp 3 Prozent des gesetzlichen Grenzwertes beträgt,“ so Rainer Guschel, Atomexperte und Vorstandsmitglied im BUND Schleswig-Holstein.
Es sei ein wesentlich höheres Maß an „Sicherheit“ für die Bevölkerung an der Elbe erreicht worden, diese Einigung schreibe „ein klein wenig Atomgeschichte", freut sich BUND-Landesgeschäftsführer Ole Eggers.
Nach eigenen Angaben wollte Vattenfall die beantragten Grenzwerte aber auch gar nicht ausnutzen. Selbst im Leistungsbetrieb habe man die genehmigten Werte zu „weniger als 0,01 Prozent“ ausgeschöpft. Atomkraftgegner*innen fordern deshalb deutlich mehr: Die Strahlenbelastung könnte bei sorgfältiger Filterung nahezu Null betragen. Weil diese Verfahren jedoch Mehrkosten für den Betreiber bedeuten würden, ließe Vattenfall sich darauf nicht ein.
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Quellen (Auszug): ndr.de, dpa, abendblatt.de, bund-sh.de