Dass die Menschen unter den Folgen der Nuklear-Katastrophe von Fukushima leiden, ist zweifelsfrei. Doch nun hat auch ein an Krebs erkrankter, ehemaliger Schweizer AKW-Mitarbeiter gute Chancen darauf, dass seine Erkrankung offiziell auf seine Arbeit im AKW zurückgeführt wird.
Während die Atomlobby mit allen Mitteln versucht, die dramatischen Folgen der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima zu vertuschen, werden die tatsächlichen Auswirkungen und deren Tragweite erst Jahre nach dem GAU deutlich. Mediziner*innen warnen vor einem „globalen Gesundheitsproblem“.
Laut einer aktuellen japanische Studie, die im „Journal of the American Heart Association“ veröffentlicht wurde, steigt in Japan die Zahl der Säuglinge, die nach dem nuklearen Unfall wegen komplexer angeborener Herzfehler operiert werden mussten, deutlich an. Die Forscher*innen analysierten die Daten im Zeitraum zwischen 2007 und 2014. In den vier Jahren nach dem Unfall in Fukushima ist demnach die Zahl der Operationen in ganz Japan um gut 14 Prozent angestiegen. Es habe allerdings keinen signifikanten Anstieg bei Kindern zwischen 1 und 17 Jahren gegeben.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schäden „zu verschiedenen Zeitpunkten in den frühen Stadien der Herzentwicklung entstanden, und nicht das Ergebnis eines Schadens an einem einzelnen Gen zu einem bestimmten Zeitpunkt waren“, so die Autor*innen der Studie. Wie der Berufsverband Kinder- und Jugendärzte berichtet, ist Stress bei schwangeren Frauen ein bekannter Risikofaktor für einen komplexen angeborenen Herzfehler bei Babys. In vielen Fällen haben die Betroffenen lebenslange Gesundheitsprobleme.
GAU macht Stress
Mit großer Wahrscheinlichkeit waren werdende Mütter während des Atomunfalls in Fukushima gestresst. Nach dem Atomunfall in Tschernobyl stieg die Rate der angeborenen Herzfehler in den Nachbarländern ähnlich an. Die Forscher*innen sehen deshalb einen Zusammenhang mit der freigesetzten radioaktiven Strahlung, räumen aber auch ein, dass kein direkter Ursache-Wirkungs-Zusammenhang aufgezeigt werden kann:
"Unsere Studie legt nahe, dass ein Atomunfall das Risiko für einen komplexen angeborenen Herzfehler erhöhen könnte", heißt es in einer Pressemitteilung. "Obwohl sich diese Forschung auf Ereignisse konzentriert, die in Japan stattgefunden haben, ist das Potenzial für Atomunfälle in der ganzen Welt ein globales Gesundheitsproblem. Ein Atomunfall ist ein Ereignis, das das Leben eines jeden von uns direkt betrifft", so die Autor*innen der Studie.
AKW-Mitarbeiter klagt mit Erfolg
Auch eine niedrige Strahlendosis kann Krankheiten auslösen, urteilte Anfang April das schweizerische Bundesgericht in Bern. Ein ehemaliger Mitarbeiter ist nach 15 Jahren Tätigkeit in den Atomkraftwerken Leibstadt und Mühleberg doppelt an Krebs erkrankt.
Auch wenn AKW-Mitarbeiter*innen nicht von einem Störfall betroffen werden, bekommen sie betriebsbedingt und durch höhere Grenzwerte sogar rechtlich abgesichert eine größere jährliche Strahlendosis ab als andere Menschen. Die Unfallversicherung lehnte den Antrag des Erkrankten ab, die Krebsbildung als Berufserkrankung anzuerkennen. Die natürliche Strahlung, der der Betroffene ausgesetzt gewesen war, sei deutlich höher als die aus den AKW, so die Argumentation. Deshalb sei eine berufsbedingte Erkrankung „äußerst unwahrscheinlich“.
Der Betroffene holte sich Expertise bei einer deutschen Strahlenärztin. Diese errechnete anhand von internationalen Studien, dass das berufsspezifische Risiko, gleichzeitig an den beiden Krebsformen zu erkranken, dreimal höher liege als das allgemeine Risiko, Krebs zu bekommen. Damit ist die Argumentation der Versicherung widerlegt.
Das Bundesgericht befand nun, es bestünden „mindestens geringe Zweifel an der versicherungsinternen Einschätzung“. Das Gericht verweist u.a. auf Stellungnahmen des IPPNW und auf „neuere Forschungsresultate“ - die Chancen stehen gut, dass der Mann seine Krankheit als berufsbedingt anerkannt bekommt.
Geringe Strahlung wird massiv unterschätzt
Die atomkritischen Ärzt*innen warnen schon lange davor, dass die gesundheitlichen Folgen geringer Strahlendosen massiv unterschätzt werden - was internationale Studien auch belegen. Der IPPNW-engagierte Onkologe Claudio Knüsli spricht in dem schweizerischen Fall von einem großen Erfolg: Auch wenn in der Vergangenheit schon mehrfach Berufskrankheiten wegen ionisierender Strahlung anerkannt wurden, war noch kein Fall eines AKW-Angestellten dabei.
- mehr erfahren: IPPNW - Atomenergie und Gesundheit
Dass Mitarbeiter*innen von Atomanlagen auch ohne Störfall eher an Krebs erkranken, zeigt eine 2015 veröffentlichte international angelegte Untersuchung. Es wurden die Daten von über 300.000 Angestellten der Atomindustrie ausgewertet und mit den recherchierten Todesursachen in Verbindung gesetzt. Bei 66.632 Todesfällen waren 19.061 an Krebs gestorben - damit überdurchschnittlich viele.
Auch niedrige aber dafür lange währende Strahlenbelastung könne mit starker Wahrscheinlichkeit Leukämie verursachen, so die Wissenschaftler*innen. Es lasse sich zwar keine Schwellendosis erkennen, unterhalb derer das Krebsrisiko nicht erhöht werde, heißt es im Fazit der Studie. Allerdings nehme das Risiko einer Krebserkrankung linear mit der Dosis zu.
weiterlesen:
-
„Es gibt keine ungefährliche Strahlung“
06.02.2018 - Der Schweizer Onkologe Dr. med. Claudio Knüsli konnte nachweisen, dass auch sehr geringe Strahlungswerte gesundheitliche Folgen haben. Der IPPNW fordert eine Neubewertung des Risikos zum Beispiel durch AKW-Bauschutt. -
Studie: Leukämie-Risiko für MitarbeiterInnen der Atombranche nachweislich erhöht
26.06.2015 - Eine neue Studie belegt den Zusammenhang zwischen Leukämieerkrankung und dem Arbeiten in einem Atomkraftwerk: Das Risiko steigt linear mit der Strahlendosis an. Schon kleine Dosen von Radioaktivität können Blutkrebs auslösen. -
Strahlung – Atomkraftwerke machen krank
Schon im Normalbetrieb geben Atomkraftwerke laufend radioaktive Stoffe an die Umwelt ab. Die von ihnen ausgehende Strahlung ist selbst in geringen Dosen gesundheitsschädlich und kann Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie genetische Schäden verursachen.
Quellen (Auszug): kinderaerzte-im-netz.de, HealthDay, AHA News Release, Journal of the American Heart Association; suedkurier.de; ippnw.de; aargauerzeitung.ch