Behörden-PR um Gorleben geht nicht auf

29.04.2019 | Jan Becker

„Bringt Bagger!“ prangte es vor Jahren am Schacht des Bergwerks in Gorleben, nachdem Atomkraftgegner*innen den Turm erklommen hatten. Nun kam der Bagger wirklich, die Festungsmauer um das Gelände wird abgerissen und das Bergwerk offiziell in den „stand by“ geschickt. Teil einer Strategie - denn Gorleben wird auch künftig Favorit in der Atommüll-Lagersuche bleiben.

15.4.19 - Mauerabriß in Gorleben
Foto: publiXviewing
Gorleben: Seit dem 15. April wird die Festungsmauer abgerissen

Ziemlich genau 40 Jahre nach dem legendären Anti-Atom-Treck nach Hannover wurden am 15. April die Erkundungsarbeiten in Gorleben offiziell beendet. Im Zuge des Neustarts der bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Lager sind die Erkundungsarbeiten im Salzstock eigentlich schon seit 2013 eingestellt. Ab sofort heißt es nun offiziell „Offenhaltungsbetrieb“. Der Erkundungsbereich ist abgesperrt worden, alle nicht mehr erforderlichen Maschinen und Fahrzeuge wurden an die Oberfläche geholt. Für etwa die nächsten zehn Jahre - dann sollte es ja laut Gesetz eine „Standort-Entscheidung“ geben - wird der Salzstock in 840 Meter Tiefe nur noch für Wartungsarbeiten betreten.

Am selben Tag wurde damit begonnen, die über 2000 Meter lange Festungsmauer um das Bergwerk abzureißen. Ein 80 Meter langes Teilstück der Sicherheitsmauer wurde an den Landkreis und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg übergeben. Es soll als „Mahnmal für eine verkorkste Atommüllpolitik“ stehen bleiben, so sehen das die Gorleben-Gegner*innen. Künftig soll nur noch ein „industrieüblicher“ Sicherheitszaun das Gelände umgeben.

Ist das ein Schlusspunkt?!

Gorleben: Bergwerk Mauer
Foto: publiXviewing
Festungsmauer um das Bergwerk

Vertreter*innen der verschiedenen am Standortauswahlverfahren beteiligten Behörden, Institutionen und Ministerien setzten mit einer symbolischen Schachtfahrt einen öffentlich inszenierten „Schlusspunkt“ unter die Auseinandersetzungen um den Standort. Das griffen zahlreiche Medien auf: „Gorleben macht dicht“, „Salzstock Gorleben wird geschlossen“, „Ende eines Endlagers?“, „Atommüll-Endlagersuche 'ganz am Anfang'“ - und suggerieren damit der Öffentlichkeit, was Thomas Lautsch, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), vor dem Bergwerk bekräftigte:

„Wir werden ja eine viel weißere Landkarte kriegen. Dadurch, dass wir den Footprint deutlich verringern. Die umzäunte Fläche wird deutlich kleiner werden. Und wenn sie nächstes Jahr kommen, dann werden sie sehen, dass wir schon viel näher dran sind an der ‚weißen Landkarte‘, weil dann die Anlage deutlich verkleinert ist. Aber richtig ist natürlich, dass die Schächte da sind.“

Der Ort dürfe „das Martialische nicht mehr ausstrahlen“, so Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Man habe den „Reset-Knopf“ gedrückt, sagt Stefan Studt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Der Mauerabbau soll den „Konflikt um den Standort weiter beruhigen“, hieß es vor einiger Zeit aus dem damals noch zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Das ist reine Oberflächenkosmetik!

Was ändert eine Mauer, ein Angestellter, ein Fahrzeug, ein Gebäude mehr oder weniger an der Tatsache, dass hier bereits ca. 2 Milliarden Euro in den Ausbau zu einem Atommüll-Lager unter Tage investiert wurden und die geologischen Auswahlkriterien im „neuen Sucherverfahren“ so zugeschnitten sind, dass der Standort weiter fortgeschleppt werden kann? Als ob die Fläche des Geländes etwas über die Gleichbehandlung des Standorts im Verfahren aussagen könnte.

Das Bergwerk wird nur „schlafen gelegt“, nicht aber beerdigt. Derzeit kalkuliert die BGE weitere zwölf bis 15 Millionen Euro pro Jahr für den Standort ein. Die angeblich „weiße Landkarte“ hat mit Gorleben schon einen „dicken Fleck“.

„An keiner Stelle in der Republik steht ein Bergwerk bereit, das ist der Schatten der Vergangenheit und eine schwere Hypothek“, so Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI). „Deshalb bleiben wir auf der Hut und müssen dafür kämpfen, dass es am Ende nicht heißt, das war eure Ehrenrunde, wie es der damalige Umweltminister Peter Altmaier uns einst ins Gesicht sagte.“

Gorleben bleibt damit in der Favoritenrolle. Man richte sich in der Region darauf ein, dass es „ein langer, harter Kampf bleibe, damit Gorleben auf dem Misthaufen der Atom-Geschichte landet“, so die BI.

PR-Strategie geht nicht auf

Während die beteiligten Behörden von einer „symbolischen Mauerübergabe" sprechen, auch ein kleines Pförtnerhäuschen könne künftig für die (kritische) Öffentlichkeit zugänglich sein, sieht Lüchow-Dannenbergs Landrat Jürgen Schulz „Missverständnisse“. Der Bund solle die Mauer behalten und sich dazu bekennen, „wofür sie steht“. Sie verkörpere „sinnbildlich den bewehrten Atomstaat“, umschreibt es die BI. Landrat Schulz befüchtet, das Suchverfahren spiele auf Zeit und schiele auf die demografische Entwicklung des Wendlands in 30 bis 40 Jahre. Dann seien „weniger Menschen da, die sich wehren könnten“. Doch nirgendwo sonst ist der Widerstand so stark in der Bevölkerung verankert, und das schon über drei Generationen.

weiterlesen:

  • Bis 2031 soll der Bundestag laut Standortauswahlgesetz (StandAG) den Ort bestimmen, an dem der hochradioaktive Müll aus deutschen Atomkraftwerken dauerhaft lagern wird. Das Standortauswahlverfahren, ist jedoch – anders als behauptet – weder fair noch wissenschaftsbasiert noch partizipativ.  - zum Hintergrund

  • „Eine Lernkultur ist nicht vorhanden“
    22.03.2019 - Marcos Buser, Geologe und Sozialwissenschaftler, erklärt, warum das Standortauswahlverfahren ein Wiederholungsfehler ist, warum die Atommülllager-Suche nur mit echter Teilhabe gelingen kann und warum Atommüllbehörden sich endlich von alten Denkmustern verabschieden sollten.

  • Anspruch und Wirklichkeit
    20.02.2019 - Im März wird das Standortauswahlgesetz zwei Jahre alt. Die Suche nach einem dauerhaften Atommüll-Lager für hochradioaktiven Atommüll läuft. Zeit für eine erste Zwischenbilanz – in Zitaten

Quellen (Auszug): neues-deutschland.de, ejz.de, bi-luechow-dannenberg.de, bge.de, deutschlandfunk.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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