Keineswegs erleben wir acht Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine Renaissance der Atomkraft. Es gibt keinen „Exportboom“ des russischen Atomkonzerns ROSATOM, weiß die Umweltschutzorganisation „Ecodefense“.
Seit Beginn der Katastrophe von Fukushima stecken Hersteller und Exporteure von Atomkraftwerken in großen Schwierigkeiten. Ob Westinghouse (USA), Hitachi (Japan), KEPCO (Korea) oder Framatome (Frankreich), sie alle eint Abschreibungen bzw. Verluste in Milliardenhöhe, Zweifel am Fortbestand oder Einstellung bzw. Verkauf ihrer AKW-Sparten. Reaktorneubauten sind in weite Ferne gerückt.
Mit 67 Prozent-Anteil würde man einen „florierenden Weltmarkt“ dominieren, sagt hingegen der russische Staatskonzern ROSATOM. Es seien weltweit Verträge und zwischenstaatliche Vereinbarungen für den Bau von 36 Kraftwerksblöcken in insgesamt elf Ländern unterzeichnet worden. Der Auftragsbestand des Unternehmens übersteige den Wert von 133 Milliarden US-Dollar, davon rund 90 Milliarden US-Dollar allein für die laufenden AKW-Neubauten.
„Es ist alles nicht so rosig, wie uns die Atom-Bosse erzählen“, relativiert der ehemalige stellvertretende Umweltminister Russlands, Wladimir Milow, in dem Vorwort zu einer jüngst erschienenen Studie von Ecodefense.
Demnach baut ROSATOM derzeit im Ausland nicht 36, sondern lediglich sieben neue Atomreaktoren - jeweils zwei in Indien, Bangladesh und Weißrussland, sowie einen in der Türkei. In den übrigen Fällen sei der Baubeginn verschoben worden, gebe es lediglich Absichtserklärungen oder Verträge, und in manchen Fällen - wie etwa Armenien, Jordanien oder Nigeria - nicht einmal das. Den Auftragswert dieser sieben im Bau befindlichen Kraftwerksblöcke beziffert Ecodefense auf insgesamt rund 36 Milliarden US-Dollar.
Rekord-Subventionen für AKW-Exporte
Die russische Regierung fördert den Export von Atomkraftwerken allerdings maßgeblich, indem sie staatliche Bürgschaften vergibt. Zusammen beläuft sich die Summe der Kredite und anderer finanzieller Unterstützung für Atomprojekte in anderen Ländern auf etwa 90 Milliarden Dollar. „Ein absoluter historischer Rekord“, so Vladimir Slivyak, Autor des Berichts und Co-Vorsitzender von Ecodefense.
Diese Mittel fließen hauptsächlich in Länder des Globalen Südens, die sonst keine Reaktoren bestellen könnten. In den meisten Fällen werden Kredite zu einem Zinssatz von 3% gewährt, was erheblich günstiger ist als Angebote von Privatbanken. Ohne russische Staatsgelder würden die meisten Rosatom-Projekte niemals umgesetzt, so Ecodefense. Und sie scheitern trotzdem, so etwa in Jordanien, Vietnam und Südafrika. Auch der Türkei gelingt es nicht, zusätzliche Geldgeber für das AKW-Projekt Akkuyu anzuwerben.
„Atomreaktoren sind nach wie vor sehr teuer und unnötig, da Regenerative Energien weltweit boomen. Atomkraftwerke sind seit Fukushima nicht sicherer geworden und produzieren immer noch Atommüll, der in den kommenden Tausenden von Jahren gefährlich sein wird. Die russische Regierung sollte ihren Reaktorexport einstellen, um unnötige Kosten und neue Unfälle zu vermeiden“, fordert Slivyak.
- Übersetzte Pressemitteilung des Ecodefence-Reports: „Traum und Wirklichkeit der Russischen Reaktor-Exporte“
- Report in englisch runterladen (pdf)
weiterlesen:
-
Atomindustrie befindet sich „in einer Nussschale“
14.01.2019 - Der Trend setzt sich fort: Atomkraft verliert weltweit weiter an Bedeutung. AKW-Neubauprojekte sterben zudem an zu hohen Kosten. -
AKW-Projekte ausgraben: Darf es kosten, was es will?
19.06.2018 - Zwei AKW-Neubauprojekte sollen wiederbelebt werden, obwohl sie in der Vergangenheit schon mehrfach gescheitert sind. Immer fehlte es an Geld. Die Situation auf dem Weltmarkt hat sich nicht "gebessert", sondern im Gegenteil verschärft. Darf ein AKW kosten, was es will? -
Atomindustrie im Untergang
17.01.2018 - Die internationale Atomindustrie ist weiter auf Talfahrt. Es findet ein „Ausverkauf“ statt, denn die Geschäfte laufen längst nicht mehr rentabel. Belgien prüft hingegen die Kosten für den Neubau eines AKW.
Quellen (Auszüge): tagesschau.de, bi-luechow-dannenberg.de