Gegen alle Bedenken soll ab März wieder AKW-Müll aus Gundremmingen verbrannt werden. Im Müllheizkraftwerk Weißenhorn „laufen die Vorbereitungen auf den Tag X“.
Eher zufällig war aufgedeckt worden, dass in der Anlage radioaktiver Abfall aus dem Atomkraftwerk Gundremmingen verbrannt wird. Die Betreiber des AKWs und des Müllheizkraftwerks betonten, dass es dadurch keinerlei Risiko für die Bevölkerung gäbe. Es handelt sich schließlich um „freigemessenes Material“, dessen radioaktive Strahlung unterhalb des gesetzlich festgelegten Grenzwertes liegt - und damit als konventioneller Abfall gilt.
Im Zusammenhang mit dem Abriss der Atomanlagen in Deutschland wird die Freimess-Praxis sehr kontrovers diskutiert. Der Grenzwert ist eine (wirtschaftliche) Abwägung, wieviel Risiko man der Bevölkerung zumuten kann. Es gäbe allerdings keinen Strahlengrenzwert, unter dem eine radioaktive Belastung als „wirkungslos“ bezeichnet werden könne, sagen kritische Mediziner*innen. Die Delegierten des 120. Deutschen Ärztetages warnten Mitte 2017 sogar vor der „Verharmlosung möglicher Strahlenschäden“ durch die Verteilung von gering radioaktivem Restmüll aus dem Abriss von Atomkraftwerken. Eine Verbrennung verschärft das Problem noch: Das radioaktiv belastete AKW-Abrissmaterial „wird über alle unsere Köpfe hinweg in der Luft verteilt“, warnt Reinhold Thiel vom IPPNW. Eine Müllverbrennung kann keine Radioaktivität aus der Welt schaffen.
„Tag X“ im März
Ende Januar stoppte der Neu-Ulmer Landrat Thorsten Freudenberger die Anlieferungen aus dem AKW Gundremmingen. Nun hat der Kreis-Werksausschuss von Weißenhorn beschlossen, die umstrittene Verbrennung wieder aufzunehmen. Dabei berufen sich die Verantwortlichen auf die zweifelhafte Gesetzesgrundlage. Jetzt laufen im Müllheizkraftwerk „die Vorbereitungen auf den Tag X“, voraussichtlich in der zweiten Märzhälfte soll weiterer AKW-Müll angeliefert werden.
Auch wenn diese Praxis nicht gestoppt werden konnte, hat die öffentliche Eskalation etwas bewirkt: Hieß es am Anfang noch, es gäbe „keinen Grund zur Sorge“, sollen nun Mitarbeiter*innen der Müllverbrennungsanlage mit Messgeräten für Radioaktivität die erste Verbrennung des Abfalls begleiten. Proben sollen in der Schlacke, in der Asche, aus der Luft und in der Umgebung genommen werden. Die Charge werde nach der Verbrennung nicht wie gewöhnlich mit dem anderen Hausmüll im Bunker gemischt. Der Werksleiter verspricht, die Öffentlichkeit sowohl über den Anlieferungstermin zu informieren als auch alle Messergebnisse im Internet zu publizieren. Bisher tauchen radioaktive Nuklide in den öffentlich zugänglichen Messwerttabellen nicht auf. Sollten nun Nuklide aus dem Atomkraftwerk gefunden werden, dann „müsse man weitere Schritte beraten“, so der Werksleiter.
Die Weißenhorner Bürgerinitiative gegen das Müllheizkraftwerk betont, dass sie den Betrieb zwar nicht juristisch anfechten werden, aber künftig weiter Druck auf die Politik machen wollen.
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Quellen: swp.de, ippnw.de